Medienrezeptionsforschung. Helena Bilandzic
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Vorwort
Medienrezeption hat viele Gesichter: Ein Leser liest die Tageszeitung, eine Zuschauerin sieht fern, ein User nutzt das Internet und eine Hörerin hört sich eine Sendung im Radio an. Die Trivialität und Alltäglichkeit der Situation lädt zu einer Simplifizierung ein: Es hat den Anschein, als würden die Inhalte, so wie sie angeboten werden, von den Menschen auch genau so aufgenommen, vollständig und auf die Art und Weise, wie der Medieninhalt es nahelegt. Es scheint, als würden die Inhalte von jedem Menschen gleich verstanden und behalten. Das ist ein fundamentaler Irrtum. Dass Menschen Medieninhalte nicht eins zu eins in ihrem Gedächtnis abbilden, dass sie manchen Aspekten Aufmerksamkeit schenken und anderen nicht, dass sie die Inhalte verschieden erleben und bewerten, begründet die Existenz der Medienrezeptionsforschung. Dieses Forschungsfeld untersucht die Prozesse, die während der Zuwendung zu einem Medium ablaufen; es betrachtet und systematisiert dabei die kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Aspekte, die zu unterschiedlichen Mustern in der Wahrnehmung, Interpretation und dem Erleben führen.
Die Frage, wie Medieninhalte verarbeitet und erlebt werden, ist nicht nur akademisch und grundlagenwissenschaftlich interessant. Viele Bereiche der Kommunikations- und Medienpraxis können von den Erkenntnissen der Medienrezeptionsforschung profitieren: Im Journalismus ist es etwa hilfreich, die spezifischen Mechanismen der menschlichen Informationsverarbeitung sowie der Aufmerksamkeitslenkung zu kennen, um Nachrichten und Berichte zielgruppenadäquat zu gestalten. In der Werbung ist es wichtig, die emotionalen Reaktionen eines Publikums auf das Produkt und die Werbung zu antizipieren und zu wissen, wann Widerstände bei den Konsumenten zu erwarten sind. Bei der Produktion von Fernsehserien wird interessieren, dass Zuschauerinnen und Zuschauer langdauernde Beziehungen zu Figuren aufbauen und sich Programmloyalität unter anderem aus diesem Umstand erklärt.
Dieses Lehrbuch wendet sich an BA- und MA-Studierende der Medien- und Kommunikationswissenschaft sowie andere interessierte Studierende und Forscherinnen und Forscher. Da die Medienrezeptionsforschung ein relativ junges Forschungsfeld ist, übernimmt dieses Lehrbuch auch die Funktion, das Feld zu strukturieren und eine Orientierung in der weitläufigen Forschungslandschaft zu bieten.
Das Lehrbuch ist in dreizehn Kapitel gegliedert, die die wichtigsten Themen der Medienrezeptionsforschung kompakt und für Einsteiger leicht verständlich darstellen. Die Kapitel sind jeweils Überblicke, die das Feld in seiner Entstehung, seinen Grundzügen sowie der aktuellen Forschung verorten. Zur weiteren Vertiefung sind ausgewählte Literaturhinweise mit Kommentaren angegeben. Übungsaufgaben bieten Wissens- und Transferfragen, die dem Leser und der Leserin zur Kontrolle beim Erkenntnisfortschritt dienen können. Um eine systematische Weiterrecherche zu unterstützen, stellen wir auf der Website www.utb.de/shop eine thematisch sortierte Literaturliste bereit.
Die Entstehung dieses Lehrbuches hat Rüdiger Steiner vom UVK-Verlag tatkräftig unterstützt. Wir danken ihm herzlich für seinen wertvollen Rat und seine Geduld. Unseren Probeleserinnen und -lesern, die das Projekt mit ihrer Expertise und ihrem Feedback weitergebracht haben, gilt ebenfalls besonderer Dank: Freya Sukalla, Prof. Dr. Susanne Kinnebrock und Christian Schwarzenegger. Constanze Küchler, Adina Mutter und Anna Wagner waren uns bei der formalen Bearbeitung der Kapitel eine große Hilfe.
Wir widmen dieses Buch unseren Familien, die dieses Projekt mit Wohlwollen und Toleranz begleitet haben.
Augsburg, Würzburg und Wien im Januar 2015 | Helena Bilandzicv Holger Schramm Jörg Matthes |
1 Einführung