Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer
Читать онлайн книгу.(Print, Radio, Fernsehen, Film/Kino, Unterhaltungselektronik einschließlich Nachrichtendienste und Nachrichtenwesen) sowie
• computervermittelte (On- und Offline-)Kommunikation in ihrer vielfältigen Erscheinung als Individual-, Gruppen- oder Massenkommunikation.
Der Lehr- und Forschungsschwerpunkt lag dabei für lange Zeit im weiten Feld dessen, was allgemein als Massenkommunikation bezeichnet wird. Er umfasste also die traditionellen Massenmedien Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen. In exorbitant zunehmendem Maße aber gilt die Aufmerksamkeit des Faches dem, was allgemein als Multimedia/computervermittelte Kommunikation bezeichnet wird – also infolge der Digitalisierung die Verschmelzung bzw. technische Konvergenz von Telekommunikation, Computer, Unterhaltungselektronik und Medienindustrie in Form der Onlinekommunikation, der interaktiven Medien (einschließlich der Offlinemedien wie CDROMs) sowie des digitalen Radios und Fernsehens.
Sowohl zwischenmenschliche, mehr aber noch medien- und computervermittelte Kommunikation sind in gesamtgesellschaftliche, soziopolitische Bezüge eingebunden. Daher gilt die Aufmerksamkeit der Kommunikationswissenschaft weniger den Manifestationen originärpublizistisch verbreiteter Kommunikation (wie öffentliche Reden), sondern v. a. der klassischen Massenkommunikation (Zeitung, Zeitschrift, Radio, Fernsehen) sowie der Onlinemedien in ihren vielfältig ausgeprägten Erscheinungsformen. Das Fach befasst sich u. a. mit:
• den rechtlichen und politischen Bedingungen, die den Ordnungsrahmen für Kommunikation, Massenkommunikation und computervermittelte bzw. Onlinekommunikation vorgeben;
• den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und wirtschaftlichen Zwängen, unter denen sich (Massen-)Kommunikation und Onlinekommunikation vollziehen;
• den unterschiedlichen Organisationsformen, Medienverfassungen und Strukturen, die im System Massenkommunikation und bei den Onlinemedien vorzufinden sind;
• den technisch bedingten Funktionsweisen und Eigengesetzlichkeiten der Massenmedien und Onlinemedien, die sowohl für die Gestaltung der über sie vermittelten Botschaften wie auch für Rezeption und Wirkung der vermittelten Kommunikate bzw. Inhalte von Bedeutung sind;
• den Medienschaffenden (Kommunikatoren, Journalisten, Programmgestaltern etc.), die die Inhalte und Programme der Massenmedien und Onlinemedien unter je unterschiedlichen Gegebenheiten und Bedingungen produzieren;
• den Bedingungen und Prozessen publizistischer Aussagenentstehung, die wesentlichen Einfluss auf jene Wirklichkeit haben, die wir Medienwirklichkeit nennen (und die mit der »realen Wirklichkeit« nicht einfach gleich gesetzt werden kann);
[18]• den Rezeptionsgewohnheiten und Nutzungsweisen der Medienkonsumenten, also mit dem Publikum der klassischen Massenmedien und der Onlinemedien und der Art und Weise, wie das Publikum Medienbotschaften auswählt, aufnimmt und nutzt;
• der Kommunikation in sozialen Netzwerken, in Blogs und Mikroblogs, in Nutzerkommentaren, Postings etc.;
• den individuellen Wirkungen und gesellschaftlichen Folgen, die von medien- bzw. computervermittelter Kommunikation ausgehen können;
• dem Verhältnis von Politik und Medien, d. h. mit Aspekten der Kommunikationspolitik und der politischen Kommunikation, insbesondere mit medialer Politikvermittlung;
• Public Relations und Werbung sowie deren Abgrenzung von journalistischer Kommunikation;
• der Erforschung von Organisations- und Unternehmenskommunikation;
• nicht zuletzt gehören aber auch der Massenkommunikation vorgeschaltete und nachgelagerte Erscheinungen wie etwa das Nachrichtenwesen, die Markt- und Meinungsforschung sowie Marketing und Medienmanagement zum Gegenstand der Kommunikationswissenschaft.
Die Zeitungs- und Publizistikwissenschaft der 1950er- und 1960er-Jahre konzentrierte sich in ihren Lehr- und Forschungsbemühungen im Wesentlichen auf die Kernbereiche Presse, Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) und Film sowie – in geringerem Ausmaß – auf originäre Publizistik, deren Bedeutung weiterhin schwindet und damit auch das wissenschaftliche Interesse an ihr. Als hochkomplex erweist sich die Erforschung zwischenmenschlicher (Face-to-face-)Kommunikation, der sich neben der Kommunikationswissenschaft v. a. Sprachforscher, Psychologen, Soziologen und Pädagogen annehmen.
Im Gefolge neuer Entwicklungen im Medienbereich weitete die Kommunikationswissenschaft ihren Fachgegenstand verständlicherweise aus. Ihr Interesse gilt neben Presse und Rundfunk seit geraumer Zeit, wie erwähnt, auch den »neuen Medien«, (insbesondere Kommunikation in und mittels Onlinemedien) sowie weiteren bereits angeführten »Materialobjekten«. Wenn sich die Kommunikationswissenschaft also in erster Linie gegenwärtiger und aktueller Phänomene von Individual-, Gruppen- und Massenkommunikation sowie Onlinemedien annimmt, so sollte dies nicht zu einer Vernachlässigung traditioneller Forschungsfelder führen. Dies gilt insbesondere für die historische Kommunikationsforschung: Ihre nicht einfach zu bewältigende Aufgabe ist es, die Mediengeschichte zur Kommunikationsgeschichte weiterzuentwickeln und die bisherige historische Entwicklung der Massenmedien in ihre jeweiligen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Kontexte einzubetten.
1.2 Das Lehr- und Forschungsfeld
Die Kommunikationswissenschaft hat also, wie dargelegt, einen umfassenden Untersuchungsgegenstand. Sie stellt somit ein weites (und sich im Zuge der rasanten Entwicklung im Medienbereich immer noch ausweitendes) Lehr- und Forschungsfeld dar. Dies ist wohl der Grund dafür, dass es nur wenige Versuche gibt, ihren komplexen Fachgegenstand modellhaft aufzubereiten, wie dies aus Abb. 1 ersichtlich ist. Das Modell bzw. die Systematik ist in mehr oder weniger modifizierter Form auch in andere Lehrbücher eingeflossen (vgl. Beck 2010, S. 163; vgl. Bonfadelli et al. 2010, S. 6). Solche Modelle bzw. Systematisierungsversuche sind bisweilen auch nicht unproblematisch; nur selten gelingt es nämlich, alle denkbaren Teildisziplinen gebührend zu berücksichtigen. Zudem besteht beim Aufgliedern immer die Gefahr, ein Fach in scheinbar zusammenhangslose Teilbereiche zu zerstückeln. [19]Die nachfolgende Systematik (vgl. Abb. 1) versucht zweierlei: Sie will zum einen die wichtigsten Lehr- und Forschungsfelder der Kommunikationswissenschaft ausweisen; und sie möchte zweitens den trans- und interdisziplinären Charakter des Faches als Sozialwissenschaft aufzeigen und damit deutlich machen, dass man sich dem Gegenstand Kommunikationswissenschaft aus je unterschiedlichen Perspektiven nähern kann.
Abb. 1: Das Lehr- und Forschungsfeld der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
(eigene Darstellung)
Als eine unter mehreren Möglichkeiten bietet es sich an, einen solchen Systematisierungsversuch am Beispiel eines vereinfacht dargestellten publizistischen Prozesses vorzunehmen. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass solche Prozesse in soziopolitische, -ökonomische, -kulturelle und technologische Bezüge eingebettet sind. Ausgangspunkt ist folgendes, aus der traditionellen Massenkommunikation stammende Denkmodell (das im Prinzip auch auf Formen computervermittelter Kommunikation anwendbar ist):
Ein Journalist (= Kommunikator) berichtet über ein beobachtetes Ereignis in seinem Beitrag (= Aussage) in einer Zeitung oder im Rundfunk (= Medium); er wendet sich dabei an ein Publikum (= Rezipienten) und beabsichtigt bzw. erzielt – möglicherweise in anderer als intendierter Weise – eine Wirkung (= Wirkung).
Der amerikanische Kommunikationsforscher Harold D. Lasswell hat dieses Modell in seiner bereits 1948 geprägten und weithin bekannten Formel festgehalten (vgl. Lasswell 1948, 37–51):
who says | communicator |
what | content |
in which channel | medium |
to whom | recipient, audience |
with what effect | effect |
[20]Lasswell fragt also nach den Bestandteilen des Kommunikationsprozesses, den er als System sieht. Zugleich ermöglicht seine Systematik eine Zuordnung einschlägiger Forschungsbereiche der Kommunikationswissenschaft