Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer

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Publizistik- und Kommunikationswissenschaft - Heinz Pürer


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Rössler (2004) und Urs Dahinden et al. (2004) für Onlinemedien vor. Es ist hier – u. a. wegen ihrer unterschiedlichen und teils komplexen Designs – nicht möglich, auf sie einzugehen. Nur so viel zu Print: Was Zeitungsleser betrifft, so beurteilen diese Günter Rager (1993) zufolge die Qualität nach Themen, die sie interessieren und legen u. a. Wert auf Aktualität, Vollständigkeit, Kürze und sprachliche Verständlichkeit (Rager 1993). Klaus Arnold (2009) fand u. a. heraus, dass allgemeine wichtige Kriterien für Zeitungsqualität »klassische« Kriterien wie Vielfalt, Glaubwürdigkeit, Zugänglichkeit/Verständlichkeit, Neutralität und Ausgewogenheit sind (Arnold 2009, S. 382). Zeitungen sollen respektvoll im Umgang mit Menschen, unabhängig und mutig sein sowie ausgewogen und neutral berichten. Ein Kriterium, das als sehr wichtig eingeschätzt wurde, ist »neben der Aktualität die Zugänglichkeit: Eine Zeitung soll viele kurze Berichte enthalten, übersichtlich und angenehm zu lesen sein« […] und »über wichtige Themen aber auch ausführlich berichten« (ebd.).

      Im Zusammenhang mit Medienqualität kommt man nicht umhin, wenigsten kurz auch Möglichkeiten der Qualitätssicherung anzusprechen. Stephan Ruß-Mohl nennt redaktionelle und infrastrukturelle Bedingungen (i-Faktor) der Medienbetriebe (Ruß-Mohl 1994a sowie 2003, S. 341), Vinzenz Wyss setzt auf das »Total Quality Management – TQM« (2002 sowie 2003). Von Michael Haller wieder stammt der Benchmarking-Ansatz (Haller 2003; siehe auch Rau 2007, S. 205–248). Es lohnt sich, diese Ansätze, die hier aus Platzgründen nicht erörtert werden können, im Einzelnen in der erwähnten Literatur nachzulesen. Zahlreiche Beiträge, v. a. empirische Studien und deren Ergebnisse zum Thema Medienqualität in Print, Radio, Fernsehen und Internet, sowie zahlreiche weitere Literaturhinweise sind dem Sammelband »Medien-Qualitäten. Öffentliche Kommunikation zwischen ökonomischem Kalkül und Sozialverantwortung« zu entnehmen (Weischenberg et al. 2006). Überblicke über Qualitätsdebatte und Qualitätsforschung vermitteln auch Stephan Ruß-Mohl (2005), Klaus Arnold (2009) sowie Klaus Beck et al. (2010). Zur Qualität von Fernsehnachrichten liegen u. a. (Fall-)Studien von Andreas Fahr (2001) und Bernd Vehlow (2006) vor. Zur »Definition und Messung publizistischer Qualität im Internet« hat Christoph Neuberger im Zusammenhang mit dem Drei-Stufen-Test eine Studie erarbeitet (Neuberger 2011). Mit Vergangenheit und Zukunft der Qualitätsmedien und deren Unentbehrlichkeit für die öffentliche Kommunikation befasst sich der von Roger Blum et al. 2011 herausgegebene Sammelband »Krise der Leuchttürme öffentlicher Kommunikation« [148](Blum et al. 2011). So schwierig es auch sein mag, Qualität in Journalismus und Massenmedien zu ergründen, zu begründen und – vielleicht – auch durchzusetzen: Eine ständige Auseinandersetzung mit dem Thema in Wissenschaft und Praxis erscheint schon deshalb wichtig, als in einer nachweislich und zunehmend von den Massenmedien geprägten Zeit die Qualität des politischen Diskurses u. a. auch von der Qualität des Mediendiskurses abhängt (vgl. Fabris 1997, S. 74).

      Nicht nur, aber auch im Zusammenhang mit journalistischer Qualität wird seit geraumer Zeit das Thema »Redaktionelles Marketing« angesprochen. Gemeint sind damit – im weitesten Sinne des Wortes – systematische Bemühungen von Medienredaktionen, Wünsche, Interessen und Bedürfnisse von Zeitungslesern, Radiohörern und TV-Zuschauer zu ergründen und die publizistischen Produkte daran zu orientieren (nicht aber bedingungslos anzupassen). Marketing als Maßnahme der Markterschließung kommt ursprünglich aus der Nationalökonomie. Der Begriff gilt als Bezeichnung für einen bedarfsorientierten Denk- und Führungsstil von Unternehmen, der gedanklich bereits vor dem Produktionsprozess ansetzt und Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen umfasst, also Marktschaffung, Marktausweitung und Markterhaltung eines Unternehmens. Der Marketinggedanke impliziert folglich eine stark kundenorientierte Sichtweise, und Marketing gilt als bewusst marktorientierte Führung von Unternehmen (vgl. Meffert 1986).

      Marketing ist für alle Mediengattungen wichtig. Es gilt besonders im Zeitungswesen bereits seit längerem als Ansatz für die Zukunftssicherung der von den anderen Medien bedrängten Tageszeitung. Für lange Zeit wurde im Marketing eine genuin verlegerische Aufgabe gesehen – v. a. als Anzeigen- und Vertriebsmarketing. Da die Zeitung jedoch auf einem »interdependenten Doppelmarkt« (Möllmann 1998) auftritt, mit einer publizistischen Dienstleistung (Mediennutzer) und einer Werbedienstleistung (Anzeigenkunden), wird Zeitungsmarketing in zunehmendem Maße auch als Aufgabe der Redaktionen gesehen. Zeitungsmarketing allgemein umfasst daher eine differenzierte Ausrichtung des Verlages am Markt (Leser, Inserenten), an der Branche (intra- und intermediäre Konkurrenz bzw. Wettbewerber) sowie an der Umwelt (soziopolitische Rahmenbedingungen) (vgl. Wolf/Wehrli 1990).

      Unter redaktionellem Marketing im Besonderen versteht man einerseits die konsequente Ausrichtung der redaktionellen Arbeit auf die Bedürfnisse und Interessen der Leserschaft (vgl. Schaefer-Dieterle 1993, S. 30). Es stellt »ein Instrument dar, redaktionellen Anspruch und Marktnotwendigkeiten zu vereinbaren« (Möllmann 1998, S. 51) oder, wie der Dortmunder Journalistikprofessor Günther Rager meint, einen wichtigen Beitrag »im Ensemble aller Anstrengungen des Verlags, mit der Zeitung die Leserschaft besser zu bedienen, sie konsequent an Bedürfnissen, Interessen und Erwartungen der Leserinnen und Leser auszurichten« (Rager 1994c, S. 8). Andererseits herrscht aber auch Übereinstimmung darüber, dass Zeitungsmarketing nicht nur ein auf kommerzielle Erwägungen abgestelltes, strategisches Handeln sein darf (vgl. Möllmann 1998, S. 51). Auch bedeutet redaktionelles Marketing nicht, den journalistischen Anspruch einer Zeitungsredaktion und ihre gesellschaftliche Verantwortung aufzugeben. »Es bleibt der Spagat zwischen publizistischem Anspruch, journalistischer Qualitätssicherung und redaktioneller Eigenständigkeit auf der einen Seite, Sicherung der Ertragskraft und Rentabilitätsdenken auf der anderen Seite« (Schaefer-Dieterle 1994, S. 53).

      An diesem Spagat setzt immer wieder journalistische Kritik ein. Die Forderung nach der Einbindung der Redaktionen in die Marketingaktivitäten stieß (und stößt) nicht selten auf den Widerstand der Journalisten: »Sie fürchten um ihre Autonomie und um ihre Rolle als ›Watchdogs‹, vermuten hinter redaktionellem Marketing eine drohende Kommerzialisierung des Mediums und bezichtigen [149]redaktionelles Marketing allzu rasch der einseitigen Ausrichtung an möglichen Auflagensteigerungen und dabei der eilfertigen Anpassung an den Massengeschmack« (Pürer/Raabe 1996a, S. 520). Gleichwohl ist aber unbestritten, dass in Zeiten der Ausdifferenzierung des Medienangebotes und der ständigen Veränderungen der Leserinteressen in forciertem Zeitungsmarketing eine unabdingbare Möglichkeit gesehen wird, den Leser als Kunden zu verstehen und das Produkt »Zeitung« an den Leserbedürfnissen zu orientieren. Keineswegs ist damit die kritiklose Anpassung am Durchschnittsleser zu verstehen. Vielmehr ist ein problem- und prozessorientiertes Denken und Handeln gemeint, »das auf ein situatives Eingehen auf Publikumswünsche und die Berücksichtigung der Veränderung von Umweltbedingungen angelegt ist« (Pürer/Raabe 1996a, S. 520). Modernes Zeitungsmarketing ist von ganzheitlichen Strategien gekennzeichnet, in das die wichtigsten Abteilungen des Zeitungsverlagshauses, bzw. Anzeigen- und Vertriebsabteilung, Werbeabteilung und Leserservice sowie auch die Redaktion eingebunden sein müssen. Es erfordert nicht zuletzt eine wissenschaftlich abgesicherte Leserschaftsforschung, deren Ergebnisse auch die Redaktion erreichen müssen. Bernhard Möllmann hat empirisch nachgewiesen, dass – ungeachtet einer nach wie vor beobachtbaren, gesunden Skepsis – redaktionelles Marketing in weiten Teilen des bundesdeutschen Zeitungswesens Fuß gefasst hat. Es erfordert nicht zuletzt auch geeignete redaktionelle Strukturen und ein besonders qualifiziertes Redaktionsmanagement (vgl. Möllmann 1998). Harald Rau schlägt in einer 2000 erschienenen Publikation »Redaktionsmarketing. Journalismus als Planungsfaktor in der Positionierung regionaler Tageszeitungen« die Brücke von den Wirtschaftswissenschaften hin zur Publizistik (Rau 2000, S.VII). In einer Folgepublikation verbindet er eine Ökonomie der Publizistik mit Überlegungen zu Qualität, Marketing und Benchmarking (Rau 2007).

      Ähnlich wie dem Thema Qualität wird seit geraumer Zeit auch dem Thema Ethik und Journalismus zunehmend Aufmerksamkeit zuteil (vgl. Boventer 1988 und 1989; Erbring/Ruß-Mohl 1988; Pürer 1991/1992; Haller/Holzhey 1992; Holderegger 1999; Wilke 1996; Wunden 1989 und 1994; Wiegerling 1998; Debatin 1997; Stapf 2006; Pohla 2006; Funiok 2007; Schweiger/Beck 2010 u. a. m.). Es sind nicht nur die Aufsehen erregenden, großen Fehlleistungen des Journalismus, die die Thematik in den Vordergrund journalismuspraktischer wie medienwissenschaftlicher Reflexion rücken


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