Tatort Bodensee. Eva-Maria Bast

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Tatort Bodensee - Eva-Maria Bast


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hat er gemeint! Ich wusste gar nicht, dass der weiß, wer der Martin Walser ist. Bisher habe ich den maximal die Programmzeitschrift vom Fernsehen lesen sehen, aber dass der jemals ein Buch von Martin Walser in der Hand gehabt hat, das glaubst du wohl selber nicht!«

      »Jetzt sei aber nicht ungerecht, komm! Wieso soll einer, der Bäcker ist, denn nicht Walser lesen? Im Übrigen: Gerade Bäcker sind auf dem Gebiet belesener als so mancher Doktor. Und wie viel Bäcker mischen in der Kommunal- oder Landespolitik mit? Mehr als so mancher Bildungsbürger, der zwar diese ganzen ›Pflichtbücher‹ zu Hause im Regal stehen hat, aber wahrscheinlich noch keinen einzigen Blick hineingeworfen hat! Ich für meinen Teil hab immerhin schon im Gymnasium die ›Blechtrommel‹ gelesen!«, setzte Horst mit einem triumphierenden Blick auf Claudia hinzu. Dieser dezente Hinweis auf Claudias ausbildungsmäßige Ochsentour, die erst über Hauptschule, Wirtschaftsgymnasium und Fachabitur zum Medizinstudium geführt und damit wenig Raum für humanistisch-germanistisches Bildungsgut gelassen hatte, sollte einen kleinen Fußtritt für die gerade erlebten und durchlittenen Szenen einer Ehe darstellen. Doch Pustekuchen! Wie gewonnen, so zerronnen!

      »Die ›Blechtrommel‹ hat ja der Walser schließlich auch nicht geschrieben, sondern der Grass. Walser, von dem sind ›Das Einhorn‹ oder ›Ein fliehendes Pferd‹ oder …«

      »Genug, genug!«, unterbrach Horst den Wortschwall und hob als Eingeständnis seiner Niederlage beide Hände in Brusthöhe vor sich. »Du hast gewonnen – ich gebe mich geschlagen!«

      Claudia fixierte ihn misstrauisch. »So – und du hast also gemeint, ich soll mit dir da in der verrosteten alten Konservendose namens Wohnwagen übernachten – auf einem Campingplatz!! Wo wir doch beide schon vor Jahren geschworen haben, dass wir auf keinen Campingplatz mehr gehen – auf gar keinen Fall! Und dann ausgerechnet in die alte Affenschaukel von deinem Freund Frieder! Also wirklich!«

      »Das ist kein Campingplatz – das ist nur ein Standplatz in Nußdorf, auf dem Gelände von einem Bauernhof – hundert Meter vom See weg. Und im Umkreis von 20, 30 Metern steht da kein anderer Wohnwagen, garantiert. Ich hab’s doch selber vor zwei Jahren gesehen, als ich den Frieder damals besucht habe! Ehrenwort!« Horst versuchte es nun auf die romantische Tour, machte einen Schritt auf Claudia zu, nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich. »Und außerdem – so ein schnuckeliges kleines Wohnwägelchen, nur für uns zwei beide, ganz allein, ganz romantisch. Mit gegrillten Würstchen und Steaks, eine schöne Flasche Lemberger (oder zwei) im Freien vor dem Wagen sitzend, keine Menschenseele weit und breit, das wär doch mal wieder was für uns, oder?« Er streichelte ihre Wange. »Na, komm schon – das ist doch mal was ganz anderes, das hat mit dem üblichen seelenlosen Hoteltrott nichts zu tun. Ist doch auch mal wieder schön – so ganz einfach und so ganz für uns alleine!« Er gab ihr einen leichten Klaps aufs Hinterteil und schlug anschließend unternehmungslustig die Hände zusammen: »Also – sag schon Ja, komm. Das wird irre gemütlich!«

      Claudias Widerstand zerbröselte widerstrebend, aber sichtbar. »Das mit dem ›irre‹ glaube ich dir sofort. Aber gut, wenn du meinst, also: Ja! Aber nur unter einer Bedingung …«

      Horst wusste, er hatte gewonnen. »Und die wäre?«

      »Wenn die alte Schüssel sich dann doch als muffig und verwanzt herausstellen sollte, dann gehen wir ins Hotel – und zwar ohne Wenn und Aber! Okay?«

      »Einverstanden – aber ich sag dir jetzt schon: Es wird dir gefallen auf dem Platz, da wette ich um eine Kiste Lemberger trocken, Kabinett. Da – schlag ein!«

      Claudia winkte lachend ab: »Von wegen! Schlaumeier! Selbst wenn du die Wette verlieren solltest, bist du ja der eigentliche Gewinner, denn wer trinkt bei uns den meisten Lemberger? Du natürlich!«

      Auch Horst musste schmunzeln. »Na gut. Auf jeden Fall ist ja jetzt alles geritzt. Also – am Montag früh starte ich und vorher besorge ich dir noch die Fahrkarte, damit du dich gleich am Freitagnachmittag in den Zug setzen kannst. Ich hol dich dann am Bahnhof in Überlingen ab. Und deine Mutter rufe ich auch an, dass sie wieder drei Tage mit ihren heißgeliebten Enkeln verbringen darf – nicht dass sie jetzt noch was mit ihren Freundinnen ausmacht!«, fügte er mit leichtem Stirnrunzeln hinzu.

      »Ach wo«, beruhigte ihn Claudia. »Das geht auf jeden Fall klar, sie hat mir schon angedeutet, dass sie in der nächsten Woche eh nichts vorhat, das müssten wir hinbekommen!«

      »Also, auf. Dann rufe ich jetzt den Frieder an und sag ihm Bescheid, dass ich sein Angebot annehme und dass er mir erzählt, wo er den Schlüssel für den Wohnwagen deponiert hat.« Das alles hatte er zwar schon längst geregelt, aber weshalb aufs Neue schlafende Schäferhunde wecken, wenn sich die Sache mit dem Urlaub von zu Hause so leicht doch noch hatte hinbiegen lassen? »Und dem Thomas sage ich dann auch Bescheid, dass ich komme. Du, der freut sich riesig darauf, hat er mir neulich am Telefon gesagt, wo wir das ausgemacht haben.«

      Ein schneller Blick, in dem sich neu aufkeimendes Misstrauen widerspiegelte, ließ ihn blitzschnell die Kurve kriegen. »Na, du weißt doch – ich hab mit dem Thomas letzte Woche telefoniert, wegen so einer Umweltgeschichte da, die einen Menschen aus Konstanz betrifft. Und da haben wir dann ausgemacht, dass es ganz schön wäre, wenn wir uns bald mal wiedersehen könnten. Schließlich haben wir das beim Kommissarlehrgang in Wertheim schon im Januar verabredet gehabt und dann wieder aus den Augen verloren – wie immer halt. Und wenn wir jetzt nicht einen Knopf dranmachen, dann wird’s in diesem Jahr wieder nichts mit einem Treffen. Vor allem, wo’s doch jetzt warm ist da unten und der See auch schon 19 Grad haben soll, sagt der Thomas. Und außerdem: Ich hab irgendwie den Eindruck gehabt, der braucht grade mal jemanden zum Reden. Da scheint’s im Dienst nicht so besonders gut zu laufen und im Privaten gleich zweimal nicht. Der Thomas und die Susanne, die scheinen richtig Stress momentan miteinander zu haben. Er hat’s angedeutet: Er muss sich das alles mal von der Seele reden! Und wozu sind Freunde schließlich da?«

      Claudia faltete die Hände vor der Brust, drehte die Augen in gespielter Frömmigkeit zum Himmel und vermerkte mit leicht spöttischem Unterton: »Mein Mann, der barmherzige Samariter! Die Polizei – dein Freund und Helfer! Hauptkommissar Horst Meyer – dein Kummerkasten in jeder Lebenslage!«

      »Na – jetzt übertreib mal nicht! Aber wie auch immer: ich freue mich auf den See!«

      »Klar – verstehe ich ja. Aber tu bloß nicht so, als würdest du nur aus reiner Nächstenliebe dort runterfahren – ganz so naiv bin ich dann doch nicht. Oder willst du dein Tauchzeug etwa nicht einpacken?«

      »Natürlich will ich – na und?!«

      »Nichts na und. Ich wollte es nur geklärt haben, ich gönne es dir ja auch. Obwohl – ich lass meine Sachen ganz sicher zu Hause. Mich bringst du im Leben nicht zum Tauchen im Bodensee – nein danke!« In gespieltem Entsetzen schüttelte sich Claudia und rieb die Oberarme mit ihren Händen, als fröstele sie. »Da warte ich lieber wieder ein Jahr, bis wir genug Geld für die Malediven oder die Karibik zusammenhaben. Da sind die Fische bunt, das Meer ist warm und vor allem: Man sieht weiter als zwei Meter fünfzig!«

      »Hast ja recht«, Horst nickte eifrig – sie hatten das Thema schon oft diskutiert und sich nach einigem Widerstreben auch schon zu ein paar wenigen Tauchgängen in deutschen Baggerseen überreden lassen. Jedes Mal hatten sie anschließend den Kopf geschüttelt und sich versichert, lieber ein halbes Jahr länger auf den nächsten Urlaub zu warten, als noch einmal wie ein Moderlieschen in kalten schlammigen Baggerseen herumzupaddeln. »Aber der Thomas ist ja auch Taucher und der hat mich so weit gekriegt, dass ich Ja gesagt habe. Er kennt den See wie seine Westentasche und will mir unbedingt mal das Wrack der ›Jura‹ zeigen. Das sei ein echtes Erlebnis, da runterzutauchen!«

      »Wenn der meint – von mir aus! Ich auf jeden Fall lasse mir dann von euch erzählen, was ihr alles nicht gesehen habt und wie kalt es da unten gewesen ist. Hauptsache, die Geschichte ist nicht gefährlich, oder?« Forschend blickte Claudia ihrem Mann ins Gesicht.

      »Wo denkst du hin«, schüttelte der energisch den Kopf. Dass die »Jura« auf rund 38 Metern stockdunkler Tiefe im Schlick des Bodensees lag, musste man ihr ja nicht unbedingt auf die Nase binden. Das konnte warten, bis er wieder glücklich aufgetaucht war und mit


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