Antikorruptions-Compliance. Simon Schafer
Читать онлайн книгу.Bestechung und damit genuines Korruptionsunrecht vor. Entscheidet sich der Geber hingegen ohne vorherige Absprache erst nachträglich dazu, eine bereits begangene Dienstpflichtwidrigkeit zu honorieren (meist in der Hoffnung, den Amtsträger dadurch zu ähnlichem Fehlverhalten in der Zukunft zu motivieren), liegt lediglich eine sog. Belohnungskorruption vor.[6] Eine solche „nachträgliche Bestechung“ bleibt vom Unrechtsgehalt her hinter demjenigen der echten Bestechung zurück. Eine besonders milde Korruptionsform schließlich ist die sog. Proto-Korruption.[7] Diese „Korruption light“ ist dadurch gekennzeichnet, dass jemand in seiner Eigenschaft als Staatsdiener mit einem Vorteil bedacht wird, ohne dass dabei eine konkrete pflichtwidrige Gegenleistung vereinbart wird.
II. Überblick zum Regelungskomplex §§ 331–337 StGB
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Die Systematik der Vorschriften über die Amtsträgerkorruption ist komplex.[8] Die §§ 331 f. StGB enthalten die Straftatbestände in Bezug auf die Nehmerseite, die §§ 333 f. StGB diejenigen betreffs die Geberseite. Das echte Korruptionsunrecht (Rn. 4) wird dabei in den §§ 332 (Bestechlichkeit) und 334 StGB (Bestechung) unter Strafe gestellt. Zudem erfassen diese Vorschriften zugleich die Belohnungskorruption, also die sog. nachträgliche Bestechung (Rn. 4). Des Weiteren finden sich in diesen Vorschriften auch Regelungen in Bezug auf den Versuch (§§ 332 Abs. 1 S. 3, 334 Abs. 2 S. 2 StGB), Qualifikationstatbestände zur Richterbestechung mit differenzierten Strafrahmen (jew. Abs. 2) und Ergänzendes zum Spezialfall der gekauften Ermessensentscheidung (jew. Abs. 3).
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Die §§ 331 (Vorteilsannahme), 333 StGB (Vorteilsgewährung) erfassen das mindere Unrecht der Proto-Korruption. Auch hier finden sich in den jeweiligen Absätzen 2 Qualifikationstatbestände zur Korrumpierung von Richtern. Die Absätze 3 enthalten Straffreistellungsgründe beim Vorliegen einer Genehmigung.
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§ 335a StGB erweitert den Anwendungsbereich der §§ 331–334 StGB in bestimmten Konstellationen auf ausländische und internationale Bedienstete. Eine ausführliche Erläuterung dieser Vorschrift findet sich in Kap. 8.
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Die Vorschriften der §§ 335, 336 und 337 StGB sind ergänzende Begleitregelungen. § 335 StGB normiert besonders schwere Fälle der §§ 332, 334 StGB. § 336 StGB stellt einer erkauften Diensthandlung die erkaufte Unterlassung einer solchen gleich, und § 337 StGB enthält eine klarstellende Spezialregelung für die Korrumpierung von Schiedsrichtern.
B. Bestechlichkeit und Bestechung (§§ 332, 334 StGB)
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Prüfungsschema §§ 332, 334 StGB
I. | Objektiver Tatbestand 1. Tauglicher Vorteilsnehmer, insb. Amtsträger (Rn. 13–28) 2. Unrechtsvereinbarung (Rn. 34) a) Leistung des Amtsträgers: pflichtwidrige Diensthandlung (Rn. 36–44) – Ermessensentscheidung (Rn. 40–43) b) Leistung des Bestechers: Vorteil (Rn. 45–51) – Vertraglicher Anspruch auf den Vorteil (Rn. 49) – Vorteil für einen Dritten (Rn. 50 f.) c) Äquivalenzverhältnis: Gegenleistung für künftige (Rn. 53) oder vergangene (Rn. 54) Diensthandlung d) Tathandlungen: Realisierung der Vereinbarung – Geberseite (§ 334 StGB): Anbieten (Rn. 57), Versprechen (Rn. 59) oder Gewähren (Rn. 60) – Nehmerseite (§ 332 StGB): Fordern (Rn. 57), Sichversprechenlassen (Rn. 59) oder Annehmen (Rn. 60) |
II. | Subjektiver Tatbestand (Rn. 62–65) |
III. | Rechtswidrigkeit (Rn. 70) und Schuld |
IV. | Besonders schwerer Fall, insb. hochwertiger Vorteil (Rn. 73) |
I. Tatbild und Unrechtskern
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Der Unrechtskern der (aktiven und passiven) Amtsträgerbestechung besteht darin, dass der von einem Vorteilsversprechen dazu motivierte Staatsdiener sich dienstpflichtwidrig verhält, also als Gegenleistung für einen Vorteil sein Amt fehlerhaft ausübt.[9] Allerdings sind die Tatbestände der §§ 332, 334 StGB so gestaltet, dass es auf die Vornahme der pflichtwidrigen Diensthandlung gar nicht ankommt. Vielmehr ist die Strafbarkeit insoweit vorverlagert, dass bereits das (versuchte) Treffen einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Geber und Nehmer unter Strafe steht. Daher ähnelt das Tatbild der §§ 332, 334 StGB der Verhandlung bzw. dem Abschluss eines illegalen Vertrages, welcher üblicherweise als Unrechtsvereinbarung bezeichnet und mit Kontraktmetaphern wie „do ut des“ oder „Äquivalenzverhältnis“ beschrieben wird. Da es auf den materiellen Unrechtserfolg tatbestandlich nicht ankommt, handelt es sich um ein Gefährdungsdelikt. Das hat u.a. für die Fragen von Tatzeitpunkt und -ort Bedeutung.
II. Täterkreis (Parteien der Unrechtsvereinbarung)
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Bestechlichkeit (§ 332 StGB) und Bestechung (§ 334 StGB) unterscheiden sich in Bezug auf den Kreis tauglicher Täter.
1. Bei der Bestechlichkeit (§ 332 StGB)
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Bestechlichkeit ist ein Sonderdelikt, da bei der Korruption nehmerseitig per definitionem ein Entscheidungsträger agieren muss (Rn. 1). Bei der Amtsträgerbestechung geht es um Staatsdiener i.w.S., d.h. der Nehmer muss zum Zeitpunkt der Tathandlung[10] einer der folgenden Personengruppen angehören:
a) Amtsträger nach deutschem Recht
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Der Begriff des