Wörterbuch zur Sicherheitspolitik. Ernst-Christoph Meier

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Wörterbuch zur Sicherheitspolitik - Ernst-Christoph Meier


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in Gestalt einer Regierung oder eines Staatsgebiets, gegen den die Abschreckungsdrohung gerichtet werden kann. Zum anderen nehmen gerade islamistische Gruppierungen bzw. deren Mitglieder den eigenen Tod billigend in Kauf oder betrachten ihn gar als lohnendes Opfer für das religiöse Seelenheil. Da gerade nukleare ~ zwingend auf der Androhung der physischen Vernichtung des Angreifers zielt, kann sie bei einem zum Tode bereiten Gegenüber per Definition nicht funktionieren.

      Die immanenten Gefahren und Dilemmas nuklearer ~ führen regelmäßig zu der Forderung, Kernwaffen international zu ächten oder gar zu verbieten und damit auf deren völlige Abschaffung hinzuarbeiten. Diese Versuche, die im Rahmen der Vereinten Nationen unlängst erst wieder durch den Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) unternommen werden, sind zwar populär, aber aus zweierlei Gründen unwirksam. Zum einen werden sie von den Kernwaffenstaaten nicht unterstützt, weil diese ihre nuklearen Potenziale – ob zu Recht oder zu Unrecht – als essenziell für ihre Sicherheit betrachten. Einige Nuklearstaaten mögen zu zahlenmäßigen Reduzierungen bereit sein, zur völligen Denuklearisierung aber mit Sicherheit nicht. Zum anderen ist das Wissen um den Bau von Kernwaffen in der Welt und kann nicht »rückerfunden« werden. Da auch das nukleare Spaltmaterial durch die zivile Nutzung von Kernenergie verfügbar bleibt, könnten moderne Industrienationen selbst nach einer völligen nuklearen Abrüstung innerhalb weniger Wochen Kernwaffen erneut produzieren. Eine Welt, in der jede größere Krise in einem Wettlauf um die Beschaffung von Kernwaffen enden kann, wäre kaum stabiler als das heutige Sicherheitsumfeld, in dem nukleare ~ weiterhin eine Rolle spielt.

      Neuland betritt der Abschreckungsgedanke in den Bereichen, in denen mit nichtmilitärischen Mitteln gewaltige Schäden verursacht werden können. Herausragendes Beispiel hierfür sind sogenannte Cyber-Angriffe auf Computernetzwerke, elektronische Steuerungssysteme oder die Kommunikationstechnologie moderner Gesellschaften. Elektronische Attacken auf Atomkraftwerke, Hospitäler oder Luftsicherheitssysteme von Großflughäfen können zu Opferzahlen führen, die denen eines bewaffneten Konflikts gleichkommen. Können diese verhindert werden, indem dem Aggressor im Sinne einer Cyber-~ ein digitaler Vergeltungsschlag angedroht wird? Könnten für die Vergeltungsdrohung auch militärische Maßnahmen bis hin zu Kernwaffeneinsätzen erwogen werden? Beides ist derzeit heftig umstritten.

      Offensichtlich ist, dass die Lehren der ~ – ob konventionell oder nuklear – nicht einfach auf den digitalen Raum übertragen werden können. Wie bei Angriffen durch Terrorgruppen oder nichtstaatlichen Akteure besteht bei Cyber-Angriffen meist das Problem der Attribution: man weiß nicht, wer hinter dem Angriff steckt. Ist der Angreifer nicht klar zu bestimmen, so gibt es auch niemanden, gegen den sich die Abschreckungsdrohung konkret richten kann. Ebenso schwierig ist die Demonstration der eigenen Abschreckungsfähigkeiten. Während im militärischen Bereich die verfügbaren Waffen auf Paraden gezeigt oder in Tests demonstriert werden können, ist dies im Cyber-Bereich nur selten möglich. Der Angreifer weiß also oft nicht, mit welchen digitalen Vergeltungsmaßnahmen er rechnen muss. Geht man bei der Abwägung von Gegenschlägen über den digitalen Bereich hinaus und erwägt, sofern der Angreifer klar benannt werden kann, konkrete Waffeneinsätze bis hin zu Nuklearschlägen, so stellt sich die Frage der Proportionalität und damit der völkerrechtlichen und ethischen Vertretbarkeit solcher Aktionen. Wie groß müsste der digital verursachte Schaden sein, damit eine militärische Aktion oder gar ein Kernwaffeneinsatz gerechtfertigt wäre?

      Trotz dieser Unwägbarkeiten haben die USA in ihrem nuklearstrategischen Grundlagendokument, dem »Nuclear Posture Review« von 2018 explizit auf die Möglichkeit einer nuklearen Antwort auf einen strategischen Cyber-Angriff etwa auf amerikanische nukleare Infrastruktur hingewiesen. Im gleichen Dokument wird aber ebenso klargestellt, dass ein Kernwaffeneinsatz nur unter extremen Umständen erwogen würde – etwa in denen der eigene Schaden gewaltig und der Angreifer klar identifizierbar wäre. Das korrespondiert mit den technischen Entwicklungen bei der Attribuierung von Cyber-Angriffen, da insbesondere im Bereich der Cyber-Forensik, also der Rückverfolgung nach einem erfolgten Angriff, erhebliche Fortschritte erzielt wurden. Ein wenn auch begrenzter Abschreckungseffekt kann sich demnach daraus ergeben, dass Staaten, die oft hinter den Angriffen von vermeintlichen Einzeltätern oder nichtstaatlichen Gruppieren stehen, die Gefahr der nuklearen Vergeltung zumindest ins Kalkül ziehen müssen. Ihre Kosten-Nutzen-Abwägung verändert sich dadurch erheblich. Allerdings steht man bei der Strategieentwicklung im Bereich der Cyber-Abschreckung erst am Anfang eines langen und komplexen Prozesses.

      Abschreckungskritik

      Haltung, die aus politischen, philosophischen oder ethischen Gründen die Auffassung bestreitet, dass Krieg durch Abschreckung mit Nuklearwaffen zu verhindern sei, da der tatsächliche Gebrauch von Nuklearwaffen zu Zwecken der Kriegführung denkbar erscheint, wodurch folglich auch die Nuklearschwelle gesenkt und damit das Risiko, dass Nuklearwaffen eingesetzt werden, erhöht werde. ~ kann Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Abschreckung haben.

      Abschreckungsphilosophie

      In sich schlüssiges Gedankengebäude, das von der Annahme ausgeht, dass ein Krieg durch die glaubwürdige Androhung eines nicht hinnehmbaren Schadens für einen Aggressor vermieden werden kann.

      Abschreckungsverbund

      Möglichst lückenlose strukturelle und konzeptionelle Verknüpfung konventioneller und nuklearer bzw. taktischer, operativer und strategischer Kräfte mit dem Ziel, den Einsatz von Streitkräften nach Art und Intensität in Abhängigkeit vom Konfliktverlauf steigern zu können und so die Abschreckungswirkung des Gesamtpotenzials zu erhöhen. Abschreckung; Eskalation; NATO Strategie

      Absicherung

      In der Bundeswehr alle Maßnahmen personeller, materieller und organisatorischer Art, die der Herstellung und Erhaltung der Militärischen Sicherheit dienen.

      Absolutismus

      Regierungsform, in der die unbeschränkte Gewalt, also Legislative und Exekutive, beim Herrscher liegt. Im 17./18. Jahrhundert als absolute Monarchie vorherrschende Regierungsform in Europa. Unter Friedrich II. in Preußen Wandlung zum aufgeklärten ~ mit Milderung des Strafrechts, Abschaffung der Folter und Stärkung des allgemeinen Bildungswesens. ~ war eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung der Nationalstaaten. In Frankreich mit der Französischen Revolution und im übrigen Europa im Verlauf des 19. Jahrhunderts beseitigt, hielt sich der ~ in Russland bis 1905. Konstitutionalismus

      Abstandsaufklärung

      (engl.: standoff reconnaissance)

      Aufklärung einer Region oder eines tatsächlichen/potenziellen Gegners unter Wahrung internationalen Rechts und/oder außerhalb der Reichweite seiner Waffensysteme.

      Abstandswaffe

      (engl.: standoff weapon)

      Bezeichnung für unbemannten, ferngelenkten oder zielsuchenden Flugkörper, der in einem sicheren Abstand von der Reichweite gegnerischer Waffensysteme ausgelöst wird.

      Abu Sayyaf

      (arab.: Vater des Schwertes)

      Militante islamistische Organisation im Süden der Philippinen mit Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Qaida, die für die Autonomie einiger südlicher Inselgruppen des Landes von der Zentralregierung in Manila kämpft und langfristig die Gründung eines islamischen Gottesstaates auf den Philippinen anstrebt. ~ entstand 1991 als Abspaltung der gemäßigt islamischen Moro-Befreiungsfront (MNLF), nachdem diese ihren Kampf gegen die reguläre philippinische Armee aufgegeben hatte. Gegründet wurde sie von einem islamischen Gelehrten (Abduragak Abubakar Janjalani), der nach einer militärischen Ausbildung in Libyen, unter anderem auch in Afghanistan, auf der Seite der Mudschahedin gekämpft hatte. Im Dezember 1998 wurde Janjalani in einem Feuergefecht mit der philippinischen Polizei getötet. Anschließend übernahm sein Bruder Khadafy Janjalani


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