Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in Deutschland. Stefan Goertz
Читать онлайн книгу.und Kultus (auf den Ebenen Bund und Länder, vor allem die Kultusministerien der Bundesländer)
•Schulen
•Justizvollzugsanstalten
•Regierungspräsidien
•Bezirksregierungen
•Akteure im Bereich von Prävention
•u.a.
Dieses Buch versteht sich dabei als analytische Einführung in die Phänomenbereiche Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus. Es ist so konzipiert, dass das Buch – abhängig vom beruflichen Hintergrund und dem bereits mitgebrachten Vorwissen – nicht chronologisch gelesen werden muss, weil die Ebenen der Analyse einen jeweils individuellen, unterschiedlichen Einstieg in die Phänomenbereiche Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus ermöglichen. Dabei verdeutlichen die komplexen und heterogenen Fallbeispiele von rechtsextremistischen und rechtsterroristischen Phänomenen, dass wissenschaftliche Abgrenzungen, Definitionen und Analysekriterien essentiell wichtig sind, um effektiv in diesem Phänomenbereich arbeiten zu können.
Konzipiert ist dieses Buch für Bachelor- und Masterstudenten der oben erwähnten Fächer und Fakultäten. Das Literaturverzeichnis könnte zu eigener wissenschaftlicher Arbeit anregen.
Praktiker aus den Bereichen Polizei, Verfassungsschutz, Justiz und aus anderen Behörden der Bereiche Innere Sicherheit, Psychologie, Pädagogik und Bildung werden durch ihren jeweils individuellen Hintergrund unterschiedlich an dieses Buch herangehen.
Als Ergebnis einer Adressatenanalyse werden einführende „theoretische“ und analytische Feststellungen mit zahlreichen Fallbeispielen aus den Phänomenbereichen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus verbunden, um aktuellen und zukünftigen „Praktikern“ im staatlichen und zivilgesellschaftlichen Aufgabenbereich der Prävention und Repression von Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus zu einem schnellen und qualitativ hochwertigen Einstieg zu verhelfen.
1Vgl. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, 2020a, S. 53.
2Vgl. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, 2020a, S. 53.
3Bundesamt für Verfassungsschutz, 2020n.
2Definitionen und Analysemerkmale von Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus
2.1Definitionen und Analysemerkmale von Rechtsextremismus
Sozialwissenschaftliche Definitionen und Definitionsansätze von Rechtsextremismus gibt es zahlreiche. Viele deutsche Rechtsextremismusforscher beschäftigen sich seit Jahrzehnten intensiv und ausführlich damit.4
Nach Auffassung von Dienstbühl umfasst der Rechtsextremismus „sämtliche neofaschistische, neonazistische und ultra-nationalistische Ideologien. Zentrales Merkmal ist die Überbetonung der ethnischen Zugehörigkeit, durch welche sich die Anhänger als Menschen einer ‚höheren Rasse‘ definieren. Andere Nationalitäten und Volksgemeinschaften werden degradiert und als Menschen von minderem Wert angesehen“.5
Jaschke versteht unter Rechtsextremisten diejenigen, „die von der rassisch oder ethnisch bedingten sozialen Ungleichheit der Menschen ausgehen, nach ethnischer Homogenität von Völkern verlangen und das Gleichheitsgebot der Menschenrechtsdeklaration ablehnen, die den Vorrang der Gemeinschaft vor dem Individuum betonen, von der Unterordnung des Bürgers unter die Staatsräson ausgehen und die den Wertepluralismus einer liberalen Demokratie ablehnen und die Demokratisierung rückgängig machen wollen“6.
Kreis wiederum definiert Rechtsextremismus als ein „Einstellungsmuster, dessen verbindendes Kennzeichen Ungleichwertigkeitsvorstellungen darstellen. Diese äußern sich im politischen Bereich in der Affinität zu diktatorischen Regierungsformen, chauvinistischen Einstellungen und einer Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des Nationalsozialismus. Im sozialen Bereich sind sie gekennzeichnet durch antisemitische, fremdenfeindliche und sozialdarwinistische Einstellungen“7.
Salzborn schreibt dem Rechtsextremismus folgende Einstellungen zu: „Völkisches Denken, Biologismus, Rassismus, Autoritarismus, Homogenitätsdenken, Elitismus, Sexismus, Antisemitismus, Antiamerikanismus, Geschichtsrevisionismus, Militarismus und Antirationalismus“. Als mögliche rechtsextremistische Verhaltensformen bzw. Radikalisierungsstufen beschreibt er „Protest/Provokation, Wahlverhalten, Mitgliedschaft, Gewalt bzw. Terrorismus“.8
Für die Zielgruppe dieses Buches, Auszubildende (mittlerer Dienst) und Studierende (gehobener und höherer Dienst) deutscher Polizeibehörden und Nachrichtendienste, soll Rechtsextremismus hier weniger sozialwissenschaftlich-theoretisch, dafür aber operativ-praktisch definiert und analysiert werden.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Verfassungsschutzbehörde des Bundes, definiert Rechtsextremismus wie folgt:
„Unter Rechtsextremismus werden Bestrebungen verstanden, die sich gegen die im Grundgesetz konkretisierte fundamentale Gleichheit der Menschen richten und die universelle Geltung der Menschenrechte ablehnen. Rechtsextremisten sind Feinde des demokratischen Verfassungsstaates, sie haben ein autoritäres Staatsverständnis, das bis hin zur Forderung nach einem nach dem Führerprinzip aufgebauten Staatswesen ausgeprägt ist. Das rechtsextremistische Weltbild ist geprägt von einer Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit, aus der u.a. Fremdenfeindlichkeit resultiert. Dabei herrscht die Auffassung vor, die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder ‚Rasse‘ bestimme den Wert eines Menschen. Offener oder immanenter Bestandteil aller rechtsextremistischen Bestrebungen ist zudem der Antisemitismus. Individuelle Rechte und gesellschaftliche Interessenvertretungen treten zugunsten kollektivistischer ‚volksgemeinschaftlicher‘ Konstrukte zurück (Antipluralismus)“.9
Diese Definition des Bundesamtes für Verfassungsschutz geht davon aus, dass sich Rechtsextremisten gegen die verfassungsmäßige Ordnung, das Grundgesetz und die freiheitliche demokratische Grundordnung (FdGO) wenden. Zur FdGO gehören nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts folgende Grundsätze:
•das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch Organe der Gesetzgebung und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
•die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
•das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
•die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
•die Unabhängigkeit der Gerichte,
•der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft
•sowie die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.10
Rechtsextremisten sind Feinde des demokratischen Verfassungsstaates, richten sich gegen die fundamentale Gleichheit der Menschen und haben ein autoritäres Staatsverständnis. Rechtsextremisten lehnen die Staatsform der modernen Demokratie ab und überbewerten ethnische Zugehörigkeit, woraus Fremdenfeindlichkeit und ein Freund-Feind-Muster resultieren.
Analysemerkmale von Rechtsextremismus sind:
•Fremdenfeindlichkeit. Sie drückt eine feindselige Haltung gegenüber Menschen aus, die sich durch Herkunft, Nationalität, Religion oder Hautfarbe von der eigenen Umwelt unterscheiden. Die rechtsextremistische Ideologie ist geprägt von einer Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit.
•Nationalismus