Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in Deutschland. Stefan Goertz
Читать онлайн книгу.target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_038240f6-15a6-5e6a-80e9-9e89bb04aa79">11Vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, 2020c.
12Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, 2018, S. 53–54.
13Vgl. Gräfe, 2019, S. 235.
14Vgl. Pfahl-Traughber, 2010, S. 9–32.
3Rechtsextremistische Parteien in Deutschland
3.1Die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD)
3.1.1Aktuelle Situation
Die deutschen Verfassungsschutzbehörden analysieren aktuell, dass die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) trotz rückläufiger Mitgliederzahlen und schwacher Wahlergebnisse ein wichtiger Faktor im deutschen Rechtsextremismus ist.15 Im Jahr 2019 sank die Mitgliederzahl der NPD von 4.000 auf ca. 3.600. Im „Superwahljahr 2019“, als die Wahl zum Europäischen Parlament und drei Landtagswahlen stattfanden, verlor die NPD das einzige EU-Parlamentsmandat, über das der ehemalige Parteivorsitzende Udo Voigt verfügte. Neben dem Ausbleiben einer parlamentarischen Beteiligung der NPD hatten diese Wahlniederlagen zur Folge, dass die NPD finanzielle Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung verlor (die Ein-Prozent-Hürde berechtigt für die Teilnahme an der staatlichen Teilfinanzierung in Bezug auf Landtagswahlen). Trotz dieser folgenreichen Wahlniederlagen führen die deutschen Verfassungsschutzbehörden aus, dass die NPD auch im Jahr 2019 über eine grundsätzliche Handlungs- und Kampagnenfähigkeit verfügte.16
Im Bereich von Aktionen, Veranstaltungen und Kampagnen setzt die NPD seit 2018 u.a. auf die „Schild & Schwert“-Festivals in Ostritz/Sachsen und auf das Konzert „Zurück zu den Wurzeln – Skinheads Back To The Roots“. Daneben waren zahlreiche Mitglieder und Sympathisanten der NPD bei den seit Jahren durchgeführten Demonstrationen am 1. Mai in Dresden und Wismar/Mecklenburg-Vorpommern dabei. Eine seit 2017 wichtige Aktion der NPD ist die „Schutzzonen“-Kampagne, bei der Mitglieder der NPD versuchen, der Öffentlichkeit zu beweisen, dass sie durch ihre körperliche Präsenz an einzelnen öffentlichen Orten für „Sicherheit“, insbesondere vor vermeintlich kriminellen Migranten, sorgen. Diese „Schutzzonen“-Kampagne soll mediale Aufmerksamkeit generieren.17 Die deutschen Behörden sehen die Aktivitäten der selbsternannten „Bürgerwehren“ kritisch, doch sind ihnen die Hände gebunden, solange diese Bürgerwehren keine Tatverdächtigen festnehmen oder Gewalt anwenden, auch Westen dürfen diese „Bürgerwehren“ tragen.18 Nach Angaben der Bundesregierung besteht „ein fließender Übergang vom Aufruf zur Bildung von ‚Bürgerwehren‘ hin zu einem eigenmächtigen Eintreten für Sicherheit und Ordnung abseits des staatlichen Gewaltmonopols oder gar hin zu gewalttätigem Handeln“19.
Im Dezember 2019 beschloss die NPD auf ihrem Parteitag in Riesa, dass sie ihren Namen ändern möchte, um die Wahlchancen zu erhöhen. Ein erster Vorschlag war „Sozialistische Heimatpartei“ (SHP). Der im Dezember 2019 wiedergewählte NPD-Chef Frank Franz hatte seine Kandidatur von der Zustimmung zur neuen Namensgebung abhängig gemacht.20
Vor der Europawahl im Jahr 2019 ließ der Oberbürgermeister von Mönchengladbach Plakate der NPD abhängen, wogegen die NPD klagte. Auf den in Mönchengladbach aufgehängten Plakaten der NPD stand: „Stoppt die Invasion: Migration tötet!“. Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht befand, dass diese Parole volksverhetzend ist, und wies damit die Klage der NPD zurück, die bereits zuvor mit einem Eilantrag gescheitert war. Die aus dem Ausland nach Deutschland eingereisten Migranten würden von der NPD böswillig verächtlich gemacht, dies greife ihre Menschenwürde an und sei geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, argumentierte das Gericht. Migranten würden pauschal als gefährlich gebrandmarkt und mit Tötungsdelikten verknüpft. Dadurch könne das Vertrauen in die Rechtssicherheit erschüttert und die Gewaltschwelle herabgesetzt werden, hieß es in der Urteilsbegründung des Gerichts. Inhalt und Gestaltung der Plakate erfüllten nach Angaben des Verwaltungsgerichts den Straftatbestand der Volksverhetzung.21
3.1.2Programm, Ideologie und Strategien
Ein wesentliches Element der Ideologie der NPD ist die Idee einer ethnisch homogenen „Volksgemeinschaft“. Dieses „Volksgemeinschafts“-Dogma bestimmt die grundsätzliche Fremdenfeindlichkeit der Partei, die Deutsche mit Migrationshintergrund, Ausländer, Muslime und Asylbewerber pauschal mit Negativeigenschaften verbindet und diese als Bedrohung für die einheimische Bevölkerung diffamiert.22 Auch Antisemitismus ist ein wichtiger ideologischer Bestandteil der NPD, der oftmals mit einer positiven Bezugnahme auf den historischen Nationalsozialismus und geschichtsrevisionistischen Standpunkten verbunden wird. Als politisches Ziel beschreibt die NPD einen fundamentalen „Systemwechsel“ in Deutschland. Mit der „Vier-Säulen-Strategie“, namentlich dem „Kampf um die Köpfe“, dem „Kampf um die Straße“, dem „Kampf um die Parlamente“ und dem „Kampf um den organisierten Willen“, will die NPD seit Jahren die deutsche Demokratie bekämpfen.23
Die NPD setzt mit ihrer Säulenstrategie auf Graswurzelarbeit anstatt auf kurzfristige Wahlerfolge. Beim „Kampf um die Köpfe“ geht es darum, ihr völkisch-nationalistisches Programm zu schärfen und zu einer größtmöglichen Verbreitung zu verhelfen. Die ideologischen Gegenpole dazu sind Humanismus und Universalismus, sodass die NPD das „Gleichheitsdogma“ überwinden will. Sie möchte für die „Unzufriedenen und Enttäuschten“ offen sein.24 Die NPD-Säulenstrategie „Kampf um die Straße“ setzt auf eine intensive Demonstrationspolitik, sodass die NPD-Inhalte öffentlichkeitswirksam verbreitet werden. Jugendkulturell geprägte Rechtsextremisten sollen über das identitätsstiftende Erlebnis von Demonstrationen näher an die NPD gebracht werden.25 Wahlteilnahmen sind eine weitere Säule der NPD-Strategie, der „Kampf um die Parlamente“. Der „Kampf um den organisierten Willen“ wurde 2005 formuliert und dient der Annäherung an das „nationale Lager einer Volksfront“, also an die rechtsextremistischen „Kameradschaften“.26
In der Analyse der Wahlkämpfe der NPD der vergangenen Jahre wird deutlich, dass die Partei verschiedene soziale Schichten anspricht und ihre Wahlkämpfe stark auf Jung- und Erstwähler ausrichtet. Daneben konzentriert sie sich bei ihrer Mobilisierung von Anhängern, Sympathisanten und Wählern auf die rechtsextremistische Jugendszene und die „Kameradschaften“27. Sie versucht aber auch, verschiedene Wählerschichten anzusprechen und sich als Partei zu präsentieren, die sich weder von den jeweiligen Regierungsparteien noch von der Opposition repräsentiert fühlen. So will sich die NPD als Partei für „Protestwähler“ präsentieren, der „Unmut gegen die da oben“ soll mobilisiert werden.
3.2Die Partei „Die Rechte“
3.2.1Aktuelle Situation
Die rechtsextremistische Partei „Die Rechte“ wurde im Jahr 2012 nach Unstimmigkeiten über eine Fusion der beiden rechtsextremistischen Parteien DVU und NPD gegründet, wobei ehemalige DVU-Mitglieder maßgeblich an der Parteineugründung mitwirkten. „Die Rechte“ hatte im Jahr 2019 noch 550 Mitglieder, gegenüber 600 im Jahr zuvor. Diese Partei kommuniziert ihr rechtsextremistisches Weltbild mit Demonstrationen, Infoständen, Flugblattverteilungen sowie Internetveröffentlichungen. Verbunden damit sind fremdenfeindliche und rassistische Agitation, geschichtsrevisionistische Thesen sowie Antisemitismus. Das politische Ziel dieser rechtsextremistischen Partei ist ein „fundamentaler Systemwechsel“28.
Der Vorsitzende der rechtsextremistischen