Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in Deutschland. Stefan Goertz
Читать онлайн книгу.den Vorsitzenden einer Jüdischen Gemeinde als „frechen Juden-Funktionär“ beschimpft und gedroht, seine Partei würde den „Einfluss jüdischer Lobbyorganisationen auf die deutsche Politik in allerkürzester Zeit auf Null reduzieren“. Das Bundesverfassungsgericht führte aus, dass die Bezeichnung „frecher Juden-Funktionär“ den Tatbestand der Volksverhetzung erfülle und es wichtig sei, die deutsche Geschichte zu berücksichtigen. Die Bezeichnung „frecher Jude“ sei eine Wortwahl, die die Nationalsozialisten bei ihrer Propaganda verwendet hätten. Wer sich solche Begriffe zu eigen mache, stachele zum Hass gegen die jüdische Bevölkerung auf und gefährde damit den öffentlichen Frieden in Deutschland, so die Verfassungsrichter.29
Bei der Europawahl 2019 trat „Die Rechte“ mit einer Kandidatenliste an, welche die inhaftierte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel als Spitzenkandidatin anführte und sich ansonsten überwiegend aus Neonazis zusammensetzte, die wegen rechtsextremistischer Delikte bereits Haftstrafen verbüßt hatten. Daneben organisierte „Die Rechte“ viele Solidaritätsveranstaltungen für Haverbeck-Wetzel, die sie als „politische Gefangene“, „Dissidentin“ und „Streiterin für Meinungsfreiheit“ heroisierte. Diese uneingeschränkte Solidarisierung spiegelt nach Auffassung der deutschen Verfassungsschutzbehörden ihren unverhohlenen Antisemitismus und die fundamental ablehnende Haltung der Partei gegenüber der Werteordnung des deutschen Grundgesetzes wider.30 Im Europawahlkampf 2019 nutzte „Die Rechte“ ein an eine NS-Parole angelehntes Plakat mit der Aufschrift „Zionismus stoppen: Israel ist unser Unglück! Schluss damit!“. Daneben stellte sie sich als „die einzige konsequent antiisraelische Partei auf dem Stimmzettel“ dar.31 „Die Rechte“ arbeitet aktuell an Kontakten ins Ausland, so wurde im April 2019 im Rahmen eines Treffens europäischer Rechtsextremisten in Sofia/Bulgarien das internationale Bündnis „Festung Europa“ von Parteimitgliedern gegründet. Die Gründung dieses Bündnisses steht im Zusammenhang mit der 2017 von ihr initiierten Anti-EU-Kampagne „Europa erwache! Unser Europa ist nicht eure Union!“.32
3.2.2Programm, Ideologie und Strategien
Die deutschen Verfassungsschutzbehörden analysieren, dass die ideologischen Schwerpunkte der Partei „Die Rechte“ Neonationalsozialismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sind. Dabei wenden sich zahlreiche Kundgebungen und Internetverlautbarungen gegen „staatliche Repression“ und Migration nach Deutschland. Bei ihren propagandistischen Aktionen nutzen Parteimitglieder häufiger Provokationen des politischen Gegners und der Polizei. „Die Rechte“ lehnt nach Einschätzung der deutschen Verfassungsschutzbehörden den deutschen Parlamentarismus ab und betrachtet die Organisationsform einer politischen Partei nur als Mittel zum Zweck für ihren Kampf gegen „das System“. Verschiedene Unterorganisationen der Partei haben sich in den letzten Monaten und Jahren nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu Auffangbecken für Neonazis entwickelt und Funktionen verbotener Neonazi-Gruppierungen übernommen.33
Die zentralen Themen der Partei haben einen völkisch-nationalistischen Hintergrund und wollen vor allem die Asylpolitik ändern, wie bspw. die Duldung von Ausländern aufheben oder Abschiebungen beschleunigen. „Die Rechte“ votiert gegen Parlamentarismus und fordert mehr direktdemokratische Elemente sowie eine Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde. In der Familienpolitik spricht sie sich für Beschränkungen von Abtreibungen und ein Adoptionsverbot für homosexuelle Paare aus. In der Bildungspolitik soll u.a. die Rückkehr zur Diplom-Regelung erfolgen und Studiengebühren für ausländische Studenten erhoben werden.34
3.3Die Partei „Der III. Weg“
3.3.1Aktuelle Situation
Die Partei „Der III. Weg“ wurde im Jahr 2013 durch ehemalige Anhänger der seit 2014 verbotenen rechtsextremistischen Organisation „Freies Netz Süd“ gegründet. Sie hatte im Jahr 2019 580 Mitglieder. Diese treten häufig bei Demonstrationen gegen Asylbewerberheime und bei NS-Gedenkmärschen in Erscheinung. Diese Partei wird aufgrund ihrer rechtsextremistischen, neonazistischen Ausrichtung durch die Verfassungsschutzbehörden beobachtet.35 „Der III. Weg“ ist überwiegend in den Bundesländern Bayern, Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen aktiv, agiert aber auch in anderen Bundesländern. Diese rechtsextremistische Partei dient nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz nach wie vor als Auffangbecken von Neonazis. Begrifflich-ideologisch lehnt sie sich in ihrem Programm zum Teil an Vertreter eines „linken“ Nationalsozialismus an, zugleich vertritt sie ein völkisch-antipluralistisches Menschen- und Gesellschaftsbild. Hierbei werden u.a. die Erhaltung und Entwicklung der „biologischen Volkssubstanz“ und die Schaffung eines „Deutschen Sozialismus“ propagiert. Weiter stellen die deutschen Verfassungsschutzbehörden fest, dass „Der III. Weg“ antisemitisch, ausländerfeindlich und revisionistisch agitiert.36
3.3.2Programm, Ideologie und Strategien
Die drei strategischen Betätigungsfelder dieser Partei lauten „Politischer Kampf“, „Kultureller Kampf“ und „Kampf um die Gemeinschaft“. Zum „politischen Kampf“ gehören u.a. Demonstrationen, Kundgebungen, Verteilaktionen sowie der „Antritt als wahlpolitische Initiative“. Der „kulturelle Kampf“ bezieht sich auf die Brauchtumspflege, der „Kampf um die Gemeinschaft“ beinhaltet die Aspekte „Nachbarschaftshilfe“, „gelebte Gemeinschaft“, „gemeinsame Freizeitgestaltung“ und „sportliche Zusammenkünfte“, bei denen vor allem Kampfsport eine wichtige Rolle spielt.37
Die regionalen „Stützpunkte“ dieser Partei führten 2019 regelmäßig „Nationale Streifen“ durch, sprich: Sie betätigten sich als Bürgerwehr. Mit diesen Bürgerwehren will „Der III. Weg“ suggerieren, dass er der Bevölkerung das „verloren gegangene Sicherheitsgefühl“ zurückgebe und sie durch Präsenz vor vermeintlich kriminellen Ausländern schützen wolle. Mit diesen „Nationalen Streifen“ will „Der III. Weg“ sich als „Kümmerer-Partei“ und vermeintliche Brücke zur Mitte der Gesellschaft inszenieren. Damit möchte diese Partei auf das Thema „Anti-Asyl“ aufmerksam machen und in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Ein weiterer strategischer Schwerpunkt waren im Jahr 2019 Aktionen wie die „Deutsche Winterhilfe“ oder die „Volksküche“, also die Sammlung von Kleidung oder Bereitstellung von Lebensmitteln für Bedürftige mit ausschließlich ethnisch deutscher Herkunft. Diese Aktionen sollen dem Zweck dienen, gegen die vermeintlich bevorzugte Behandlung von Asylbewerbern durch staatliche Stellen zu protestieren und zumindest lokal oder regional Akzeptanz über den engen Kreis der eigenen Klientel hinaus zu finden. Ähnlich agiert diese Partei bei der Verteilung von Schulbedarf und Süßigkeiten an deutsche Schulkinder anlässlich ihres ersten Schultags.38
Innerhalb ihres „Zehn-Punkte-Programms“ sind vor allem völkische und geschichtsrevisionistische Forderungen wie die „Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches“ vertreten, aufgrund derer die Partei Ansprüche auf Gebiete in Osteuropa erhebt. „Der III. Weg“ ist antiparlamentarisch und antidemokratisch eingestellt und will eine Präsidialdemokratie installieren, bei der ein vom Volk gewählter Präsident mit „weitreichenden Befugnissen“ ausgestattet werden soll. In wirtschaftlicher Hinsicht sollen Schlüsselindustrien und Banken im Sinne eines „Deutschen Sozialismus“ verstaatlicht werden. Ein weiteres zentrales Thema der Partei ist die Migrationspolitik, hier sollen die Asylgesetze verschärft, „dauerhaft erwerbslose Ausländer“ abgeschoben und die Grenzen geschlossen werden.39 Diese rechtsextremistische Partei lehnt die Europäische Union und das Europaparlament ab, aber die Grenzen sollen mit einer gemeinsamen europäischen Armee bewacht werden, um Einwanderung zu verhindern. Zudem soll Deutschland aus der NATO austreten und im gesamten Europa keine US-Militäreinrichtungen mehr geduldet werden. Daneben äußert sich die Partei offen antisemitisch und unterstellt den europäischen Staaten, „Handlanger“ für Israel zu