Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation. Christine Becker

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Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation - Christine Becker


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können Erwartungen von Lernenden dafür sorgen, dass Lehrende der Rolle des Lernbegleiters nur begrenzt gerecht werden können. Diese Feststellung wird vor allem in Kapitel 5.9 eine Rolle spielen.

      Zugleich hat die knappe Beschreibung der Aufgaben von Lehrenden in Blended-Learning-Szenarien gezeigt, dass gewisse Besonderheiten festzustellen sind. Zwar haben Lehrende sowohl im Online- als auch im Präsenzmodus die Aufgabe, Lernprozesse anzuregen und zu moderieren, Rückmeldungen auf Lernleistungen zu geben und, wenn Lernende zusammenarbeiten, die Kooperation zu stärken (vgl. Meister 2012, 45), doch müssen im Online-Modus zudem technische Hilfestellungen gegeben werden, Aufgabenstellungen müssen besonders durchdacht formuliert werden und im Zuge der Tutorierung muss aufgrund der Kanalreduktion auf andere Mittel zurückgegriffen werden, um eine lernfreundliche Atmosphäre herzustellen.

      2.1.5 Zusammenfassung

      Dieses Kapitel zu digitalen Medien und asynchroner computervermittelter Kommunikation im Fremdsprachenunterricht hat gezeigt, dass Fremdsprachenunterricht durch digitale Medien auf vielfältige Art und Weise modifiziert werden kann und dass die Wahl eines bestimmten Werkzeuges oder eines bestimmten Modus vor allem vom Kontext und den Lernzielen bestimmt wird. Im Hinblick auf das untersuchte Setting sollen im Folgenden die wichtigsten Erkenntnisse und Annahmen zusammengefasst werden.

      Der Einsatz von asynchroner computervermittelte Kommunikation im Landeskundeunterricht ist aus allgemeindidaktischen Gründen sinnvoll sowie aus Gründen, die speziell das Fremdsprachenlernen betreffen. Der wichtigste Grund ist die Möglichkeit zur tieferen Reflexion: Aufgrund der relativen zeitlichen Flexibilität haben die Lernenden die Möglichkeit, auch außerhalb des Präsenzunterrichts zu interagieren sowie länger über ihre Beiträge nachzudenken, was sowohl die inhaltliche Tiefe der Beiträge als auch die sprachliche Ausarbeitung positiv beeinflussen kann. Zugleich können jedoch durch diese Flexibilität die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Beiträgen so groß werden, dass die Interaktion zwischen den Lernenden erschwert wird.

      Verschiedene Studien legen nahe, dass sich asynchrone computervermittelte Diskussion positiv auf das Fremdsprachenlernen auswirkt. Die relative zeitliche Flexibilität kann darüber hinaus zu einer gleichberechtigteren Teilnahme aller sorgen: Die Diskussion kann nicht von Lernern, die sich auf einem höheren Sprachniveau befinden als die anderen Lerner, oder von besonders lauten oder extrovertierten Lernern dominiert werden. Schüchterne Lerner können an der Diskussion teilhaben, ohne dass sich alle Blicke auf sie richten. Zugleich werden die Beiträge der Studierenden im Diskussionsforum gespeichert und sind somit zu späteren Zeitpunkten zugänglich. Die anderen Lernenden können sie mehrmals lesen und das Verständnis sichern.

      Zudem besitzen asynchrone Online-Diskussionen ein Potenzial für die gemeinsame Wissenskonstruktion, was durch die zeitliche Flexibilität unterstützt wird. Die Lerner posten nach relativ sorgfältiger Reflexion ihre Beiträge, die ihre Perspektive auf ein Thema beinhalten, so dass verschiedene Perspektiven auf den Lerngegenstand in der Diskussion sichtbar werden. So können multiperspektivische Diskussionen entstehen, die den Lernenden andere Sichtweisen aufzeigen, die sie mit ihren eigenen vergleichen und welche sie unter Umständen im Anschluss revidieren können. Die Lehrerin/der Lehrer nimmt in diesem Kontext die Rolle eines Lernbegleiters ein, der die Diskussion affektiv durch eine hohe Präsenz und Lob unterstützt, ohne selbst in eine dozierende Rolle zu verfallen.

      Dreh- und Angelpunkt des Unterrichtsgeschehens, so auch in asynchronen Online-Diskussionen, sind Aufgaben, und damit viele verschiedene Sichtweisen auf das jeweils diskutierte Thema sichtbar werden, müssen die Aufgaben, die die Lerner online bearbeiten, entsprechend formuliert sein. Es wurden einige Gütekriterien präsentiert, die zur Beurteilung der Aufgabenstellungen und des Potenzials für landeskundliches Lernen herangezogen werden sollen. Für die Analyse der Aufgaben im untersuchten Szenario werden vor allem die Kriterien Offenheit und Lebensweltbezug relevant sein. Um aber das Potenzial asynchroner Online-Diskussionen für landeskundliches Lernen auf eine Weise herauszuarbeiten, die über die Nennung von Multiperspektivität hinausgeht, muss zunächst dargestellt werden, welche Ziele landeskundliches Lernen im Allgemeinen und im hier untersuchten Setting hat.

      2.2 Kulturbezogenes Lernen

      2.2.1 Landeskunde: Geschichte, Begriffe und Probleme

      Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Sprache und Kultur untrennbar miteinander verwoben sind und Fremdsprachenlernen daher im Grunde immer mit kulturbezogenem Lernen einhergeht.1 Die Frage, was Kultur in diesem Zusammenhang bedeutet, wird sehr unterschiedlich beantwortet, wie auch ein Blick auf die historische Entwicklung der Zielsetzungen von Landeskundeunterricht zeigt. Im folgenden Kapitel soll daher zunächst einleitend auf dessen Geschichte, (Kultur-)Begriffe und Probleme eingegangen werden, um daran anschließend aktuelle Entwicklungen in der Landeskundedidaktik darzulegen, die die theoretische Grundlage für das Seminar bilden, das im Rahmen dieser Arbeit untersucht wird.

      Neben der Verortung von Landeskunde als Teil des Fremdsprachenunterrichts wird gewöhnlich auch von Landeskunde als Forschungsgegenstand und als einer politisch eingeforderten Kompetenz gesprochen.2 Landeskunde im Fremdsprachenunterricht wird anhand ihres jeweiligen didaktischen Ortes unterschieden, denn zwischen Landeskunde als (explizit und/oder implizit vermitteltem) integrativem Teil des Fremdsprachenunterrichts und Landeskunde als, wie im vorliegenden Fall, eigenständigem Fachseminar im Rahmen von Lehrerausbildung oder Germanistikstudiengängen im nicht-deutschsprachigen Ausland bestehen große Unterschiede hinsichtlich sowohl der Lehr- und Lernziele, der didaktischen Aufbereitung als auch der Erwartungen der Lernenden. Im Rahmen des Germanistik-Studiums an ausländischen Universitäten hat die Landeskunde als eigenständiges Unterrichtsfach beispielsweise eine andere Stellung als ein eher kommunikativ ausgerichteter Unterricht an Sprachschulen in den deutschsprachigen Ländern, an denen die Alltagskommunikation im Mittelpunkt steht.

      Landeskunde hatte lange aus verschiedenen Gründen in der deutschsprachigen fachdidaktischen Diskussion einen schwierigen Status. Hackl, Langner und Simon-Pelander beispielsweise fassen in der Landeskundediskussion gefallene Urteile wie „Unfach“, „ominös“ und „Faktenhuberei“ zusammen und weisen darauf hin, dass die Landeskunde sogar als „überflüssig“ bezeichnet wurde (vgl. Hackl/Langner/Simon-Pelander 1998, 5). So wurde und wird kritisiert, dass im Landeskundeunterricht – sei er nun integrativer Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts oder eigenständiges Fachseminar – die Vermittlung von willkürlichen, von subjektiven Präferenzen der Lehrenden abhängigen Inhalten stattfindet.3 Um dem entgegenzuwirken, wurde immer wieder die wissenschaftliche Verankerung in Bezugsdisziplinen wie Politikwissenschaften, Geschichte, Sozialwissenschaften etc. gefordert, die jedoch „letztlich immer ungeklärt und in einzelnen Studien stecken geblieben ist“ (Altmayer/Koreik 2010a, 1378). Hinzu kommt, dass selbst wenn die Landeskunde stärker wissenschaftlich verankert ist, wie es z.B. innerhalb von französischen LEA-Studiengängen4 der Fall ist, auch dort die Unterrichtsinhalte von den Vorlieben der Lehrenden abhängen und es an qualifizierten Lehrkräften fehlt:

      Aujourd’hui encore, l’enseignement de la civilisation est dans chaque université davantage le produit de situations et de qualifications locales, des intérêts propres aux enseignants sur place […]. Un observateur soulignait, en 1989, que la civilisation était reconnue comme le troisième pilier de la germanistique française, ‚l’un des problèmes majeur semble rester la qualification des enseignants, car il n’y a que très peu d’enseignants essentiellement civilisationnistes‘. (Martens 2006, 10)

      Für den Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht und die sogenannte Auslandsgermanistik stellt Hille Ähnliches fest, da „gerade die Integration sozialwissenschaftlicher Aspekte in Lehre und Forschung im Fach Deutsch als Fremdsprache oft Schwierigkeiten bereitet, was bereits in der größtenteils eher geisteswissenschaftlich orientierten Ausbildung der Lehrenden begründet liegt“ (Hille 2009, 9).

      Seitdem der cultural turn in den Geisteswissenschaften auch die Fremdsprachendidaktik erreicht hat und die Landeskunde in der Theorie und teilweise auch in der Praxis von kulturwissenschaftlich orientierten Ansätzen geprägt ist,5 hat sich das Problem auf eine andere Ebene verschoben, nämlich dass es in der Unterrichtspraxis schwerfällt, den fundierten kulturtheoretischen Überlegungen


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