Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation. Christine Becker

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Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation - Christine Becker


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erwiesen, doch ist weiterhin festzustellen, dass auf den Niveaus A1 bis A2/B1 des GER die Umsetzung der Prämissen einer kulturwissenschaftlich orientierten Landeskunde problematisch ist (vgl. Kapitel 2.2.2).

      Ein Blick auf die Geschichte des Landeskundeunterrichts zeigt, dass die Auffassung, was sinnvolle Inhalte und Ziele sind, stets im Zusammenhang mit übergreifenden Ansätzen in der Fremdsprachenvermittlung steht und unter Berücksichtigung der jeweiligen übergreifenden Zielvorstellungen von Fremdsprachenunterricht betrachtet werden müssen.6 Folgende landeskundlichen Ansätze lassen sich seit den 1950er Jahren ausmachen: der kognitive, der kommunikative und der interkulturellen Landeskundeansatz.7 In den letzten Jahren spricht man zudem von transkultureller und kulturwissenschaftlich orientierter Landeskundedidaktik (vgl. z.B. Koreik/Pietzuch 2010, 1449f, Laurien 2010).8

      Der kognitiv ausgerichtete Landeskundeansatz wird in der Regel zur Grammatik-Übersetzungs-Methode gezählt, deren übergreifendes Ziel formale Bildung und die Bekanntmachung der Lernenden mit fremden ‚Kulturen‘ ist (vgl. Christ 2010, 17f, Rösler 2012a, 68f). Die Kritik am Zahlen und Daten vermittelnden Landeskundeunterricht richtet sich vor allem gegen eine Unterrichtspraxis, in der Inhalte gelernt werden sollen, die für die Lernenden mitunter keine hohe Relevanz haben und für die Kommunikation in der Fremdsprache keine große Rolle spielen. Hinzu kommt, dass diese scheinbar objektiven Fakten unter Umständen, wie beispielsweise solche, die in Lehrwerken eingeführt werden, veraltet sein können.9 Darüber hinaus handelt es sich oftmals um Wissen, das auch L1-Sprecher nicht besitzen. Zwar könnte man meinen, dass letzteres Argument in Zeiten, in denen die Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts an muttersprachlichen Kompetenzen als nicht mehr zeitgemäß angesehen wird, an Argumentationskraft verloren hat, doch richtet sich die Kritik vor allem gegen kontextloses Faktenwissen, wie es z.B. in Lehrwerken für Integrationskurse (vgl. z.B. Schote 2011) behandelt wird. Auf die Frage, inwieweit die Vermittlung von Sachwissen im hier untersuchten Seminar sinnvoll ist, wird in Kapitel 6.2 näher eingegangen.

      Von der Vermittlung von Fakten- bzw. Sachwissen wird im kommunikativen Ansatz Abstand genommen, der von Piepho (1974) angestoßen wurde. Landeskundliche Inhalte sind bestimmt von ‚Alltagskultur‘ und der Frage, welches landeskundliche Wissen der Lernende benötigt, um in der Alltagskommunikation ‚adäquat‘ kommunizieren zu können. Damit geht auch einher, dass die Thematisierung der sogenannten Hochkultur ersetzt wird durch eine Beschäftigung mit kulturellen Äußerungen, die mit dem sogenannten erweiterten Kulturbegriff beschrieben werden. Kritisiert wird am kommunikativen Ansatz die in der Unterrichtspraxis einseitige Orientierung an der Alltagskommunikation, die das ursprünglich hohe politische Ziel der Diskursfähigkeit, d.h. „die Fähigkeit von Menschen, an mehrsprachigen und komplexen gesellschaftlichen Prozessen teilzuhaben, sie mitbestimmen und mitgestalten zu können“ (Legutke 2010, 73), mit der Zeit ersetzt (vgl. Rösler 2012a, 77).

      Im Zuge des interkulturellen Paradigmas des Fremdsprachenunterrichts, dessen Lehr- und Lernziel interkulturelle Kompetenz ist, rückte der Fokus auf die Vermittlung von Strategien im Umgang mit ‚fremden‘ Kulturen; Voraussetzung dafür sei nicht nur die Kenntnis des ‚Fremden‘, sondern zugleich auch die Auseinandersetzung mit dem ‚Eigenen‘. In den letzten Jahren entwickelte transkulturelle und kulturwissenschaftlich orientierte Ansätze können als eine Reaktion auf das Interkulturalitätsparadigma verstanden werden, da sie die primäre Zielvorstellung vertreten, der in Zeiten von Globalisierung und weltweiten Vernetzungen verstärkt erlebten Heterogenität von ‚Kulturen‘ eher gerecht zu werden als der interkulturelle Ansatz. Dieser wird

      als eine die Realität verschleiernde Ideologie [betrachtet], die die tatsächlich herrschende Ungleichheit zwischen Minderheiten und Mehrheiten verdecke, faktische Diskriminierung kompensiere und somit rassistische Einwanderungspolitik unterstütze. (Hu 1999, 279)

      Interkulturellen Ansätzen wird also in dieser Argumentation vorgeworfen, anstatt für die Überbrückung von ‚kulturellen Unterschieden‘ zu sorgen, diese zu verfestigen.10

      Mit neueren, kulturwissenschaftlich orientierten Ansätzen liegen Versuche vor, die im Zuge der Globalisierung veränderten Ziele von Fremdsprachenunterricht im Allgemeinen und die daraus resultierenden Veränderungen im landeskundlichen Unterricht zu berücksichtigen. Den verschiedenen Ansätzen gemein ist, dass sie – meist implizit – von Landeskunde als integrativem Teil des Fremdsprachenunterrichts ausgehen. Landeskunde als eigenständiges, faktenvermittelndes Fach ist mittlerweile „verpönt“ (Koreik 2010a, 28), obwohl es an ausländischen Universitäten oft zum Curriculum gehört und daher eigentlich stärker in der fachdidaktischen Diskussion berücksichtigt werden sollte.

      Beide Problembereiche der Landeskundedidaktik – sowohl die Frage nach den Inhalten als auch die nach der Wissenschaftlichkeit – finden ihren Ausdruck auch in dem Ringen um die Bezeichnung des Faches. An dieser Stelle sollen weder die unterschiedlichen Bezeichnungen aufgelistet werden, dies ist schon andernorts oft getan worden (siehe z.B. Maijala 2008, 15f), noch die (manchmal fundamentalen) Unterschiede zwischen den einzelnen Ausrichtungen behandelt werden. Zusammenfassend lässt sich indes feststellen, dass die Frage nach den Inhalten sich z.B. in Begriffen wie Länderkunde (versus Landeskunde – hier also als ein plurinational verstandenes Konzept), Realia oder Kulturkunskap niederschlägt und die nach wissenschaftlichen Ansprüchen in Landesstudien, Kulturstudien oder German studies.

      Im Folgenden soll, wenn von dem Unterrichtsfach die Rede ist, mit dem Begriff Landeskunde operiert werden, Lernprozesse werden als ‚landeskundliches Lernen‘ oder synonym als ‚kulturbezogene Lernprozesse‘ bezeichnet. Der Begriff der Landeskunde kann zum einen als neutral betrachtet werden, der sich „obwohl er immer wieder in Frage gestellt wurde und noch wird, durchgesetzt hat“ (Maijala 2008, 16), gleichzeitig kann er als ein Oberbegriff für die verschiedenen Ansätze gelten, wie sich z.B. in dem 2010 erschienen internationalen Handbuch Deutsch als Fremd- und Zweitsprache zeigt, das verschiedene Ansätze unter der Überschrift „Landeskunde“ summiert (vgl. Krumm et al. 2010, 1441).

      2.2.2 Kulturwissenschaftlich orientierte Landeskunde

      Der cultural turn in den Geisteswissenschaften hatte mit einiger Verspätung auch Einfluss auf die Fremdsprachenwissenschaften, vor allem die Landeskundedidaktik.1 Zwar war die Beschäftigung mit der ‚Kultur‘ eines Zielsprachenlandes, wie die verschiedenen Ansätze der Landeskundedidaktik zeigen, immer für Fremdsprachenunterricht von Belang, doch die

      Hinwendung der Kulturwissenschaften zu Materialität, Medialität und Tätigkeitsformen des Kulturellen, um genauer zu erkennen, wie und in welchen Prozessen und kulturspezifischen Ausprägungen Geistiges und Kulturelles in einer jeweiligen Gesellschaft überhaupt produziert werden[,] (Bachmann-Medick 2010, 99)

      hatte grundsätzliche Auswirkungen auf die Bestimmung von Inhalten und didaktischen Vorgehensweisen von Landeskundeunterricht und lieferte zudem ein Gerüst für die gewünschte wissenschaftliche Fundierung. Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass ‚kulturwissenschaftlich orientierte Landeskunde‘ weder eine abgeschlossene Entwicklung noch einen homogenen Ansatz bezeichnet. Laurien beispielsweise stellt fest, dass die verstärkte Positionierung der Landeskunde in den Kulturwissenschaften

      zwar nicht zur Etablierung eines eindeutig definierten und in einem Gegenstand fest umrissenen wissenschaftlichen oder didaktischen Fach geführt [hat], aber doch zu einer eingehenden Reflexion und eine [sic] Neufassung des Kulturbegriffs, die für den Landeskunde- und Sprachunterricht nicht ohne Konsequenzen bleibt. (Laurien 2010, 105)

      Am einflussreichsten für die kulturwissenschaftliche Orientierung der Landeskunde war die Berücksichtigung der Diskussionen um verschiedene Konzepte von Kultur. Die damit einhergehende Hinwendung zu einem bedeutungs- und wissensorientierten Kulturbegriff blieb nicht ohne Folgen für Inhalte und didaktische Vorgehensweisen und stellt auch den theoretischen Ausgangspunkt für den in dieser Arbeit untersuchten Unterricht dar. Zum einen sollen die Lernenden nun über geteiltes Wissen und geteilte Überzeugungen einen Zugang zu den fremdsprachlichen Lebenswelten erhalten. Zum anderen erlaubt diese Vorstellung von Kultur, in der eine Wirklichkeit nicht mehr einfach objektiv gegeben ist, sondern erst von Akteuren selbst konstruiert wird, eine differenziertere Betrachtungsweise der Lebenswelt, so dass Brüche und Widersprüchlichkeiten nicht


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