Kommunikationswissenschaft. Wolfgang Sucharowski
Читать онлайн книгу.Typen von RepräsentantenIndicesGrundsätzlich werden drei verschiedene Typen von Repräsentamen unterschieden. Es gibt Indices, sie werden auch als Indikatoren bezeichnet, die einen konkreten Bezug zu einem singulären Objekt organisieren. Der Index bzw. Indikator verweist darauf, ohne dabei einen Effekt, z.B. die Ähnlichkeit des Zeichens zum Objekt, zuhilfe zu nehmen. Der Hinweis erfolgt unvermittelt. Wenn wir Rauch sehen, vermuten wir, dass es ein Feuer gibt, und so verweist der Rauch indirekt auf das Feuer. Eine Geste mithilfe des ausgestreckten Fingers wird als Zeigen auf etwas verstanden. Wir können dem Finger in die angezeigte Richtung bis hin zu einem Objekt folgen und sehen in der Menge möglicher Bezugsobjekte das, worauf der Finger zeigt.
Von den Indikatoren unterscheidet PeircePeirce solche Bezugnahmen, in denen das Zeichen eine Ähnlichkeit simuliert. Er spricht dann von Ikonen.Ikon Typisch dafür sind Bilder. Wir erkennen im Abgebildeten aufgrund seiner Gestalt etwas, was wir durch unser Wissen über die Welt als Objekt identifizieren können. Auf diesen Zeichentyp wird gerne zurückgegriffen, wenn sprachunabhängig Informationen gegeben werden sollen. Bei den olympischen Spielen 1972 in München wurden solche Ikonen entwickelt, welche Hinweise auf die verschiedenen Sportarten boten sowie zur Orientierung an öffentlichen Plätzen genutzt wurden. Ganz selbstverständlich ist dort das Bildzeichen für den Fluchtweg geworden.
Piktogramm/Ikon
Der „Leser“ erschließt sich aufgrund der erkannten Gestalt und der Zuordnung eines mitgedachten Handlungszusammenhangs, was gemeint sein könnte. Die Grenzen dieses Zeichentyps wurden bei den Symbolzeichen der Windows-Programme erkennbar, wo die Ikonen nicht mehr ohne weiteres Handlungszusammenhänge ausdrücken konnten, weil die anzuzeigenden Inhalte zu spezifisch sind. Ein Ikon zur Wahl der Sprache oder zum Abzählen der Wörter funktioniert nur, wenn es sprachlich ergänzt wird.
SymbolDie arbiträr angelegten Zeichen klassifiziert Peirce als Symbole. Sie können nur funktionieren, wenn der Benutzer aufgrund speziellen Wissens über den Gebrauch des Zeichens von der Zeichengestalt her eine Beziehung über das vorgestellte zum vorfindlichen Objekt herstellen kann. Das setzt einen konventionell angelegten Gebrauch voraus, so dass Nutzer aufgrund des Zeichens auf dasselbe Objekt schließen können, wenn sie die Konventionen kennen, die an den Zeichengebrauch geknüpft sind. Sprache ist dafür das typische Beispiel und die verschiedenen Buchstaben oder Buchstabiersysteme als Morse- oder Flaggenalphabet.
Erklärung
Zeichen leben von der Interpretationsleistung ihrer Benutzer. Diese müssen über Wissen und Erfahrungen im Umgang mit kommunikativen Situationen verfügen, welche ihnen erst die Möglichkeiten geben, aus Datenkonstellationen auf mögliche damit verbundene Zeichen schließen zu lernen. Wissenschaftlich ist der Zugang schwierig, weil faktisch sehr viele Daten mit unterschiedlicher Qualität im Spiel sind, die keineswegs in ihren Details und ihrer Wirkung erklärt werden können, vorausgesetzt sie werden überhaupt bewusst wahrgenommen. Die Herausforderung besteht zu klären, wie aus der vielfältigen Varietät kommunikativ gemeinsames Handeln arrangiert wird.
Der Gebrauch der ZeichenZeichenGebrauch
Das Besondere an Peirce ZeichendarstellungPeirce ist, dass er Zeichen nicht als etwas für sich Gegebenes begreift. Er entwickelte einen dynamischen Zeichenbegriff: Der Nutzer von Zeichen muss Daten, die er vorfindet, in ihrem Zeichencharakter erkennen. Geschwärzte Stellen auf einem Blatt müssen als Buchstaben, Buchstaben als Wörter, Wörter als Sätze und Sätze als Text interpretiert werden. Das Zeichen ist dabei immer ein Ergebnis eines Adaptionsprozesses, bei dem auf dem Hintergrund von Index, Ikon oder Symbol nach passenden Kontexten des Gebrauchs gesucht worden ist. Findet der Akteur einen solchen, kann er die Zeichen lesen und deuten, wobei er ständig herausgefordert ist zu prüfen, ob die gefundene Lesart und Deutung dem erarbeiteten Kontext standhält. Der Akteur wird so permanent mit dem Problem konfrontiert, die sich ihm auftuenden Ordnungen und möglichen Kontexte zu harmonisieren und zu koordinieren. Denn die Offenheit dessen, was als Zeichen erkannt wird, sichert einerseits die Dynamik und Flexibilität im Umgang mit Zeichen, schafft aber andererseits Unsicherheitspotential. Ein gutes Beispiel dafür ist der Umgang mit individuellen Handschriften.
RepräsentamenDer Zeichennutzer kann nach PeircePeirce das Repräsentamen als Rhema, Dicent und als Argument gebrauchen. Auf diese Weise versucht Peirce, Ordnungen zu charakterisieren, wie sie vor allem durch das Zeichensystem der Sprache nahegelegt werden. Deren Wirkmächtigkeit besteht darin, dass sie Objekte, oder allgemeiner formuliert, Entitäten der tatsächlichen oder gedachten Wirklichkeit benennen kann. Dafür werden in der Regel Wortphrasen benutzt. Die Sprache stellt ferner verbale Mittel zur Verfügung, mit denen Eigenschaften und Relationen bezeichnet werden können. So ist es möglich, Objekte zu klassifizieren, zueinander in Beziehung zu setzen und auf diese Weise Ereignisse und Sachverhalte zu besprechen.
Referenz und PrädikationReferenzPrädikationWir können mit sprachlichen Ausdrücken direkt auf Gegenstände hinweisen, sie zeigen und sie uns so verfügbar machen. Sprache erlaubt eine Referenzialisierung und eine Prädikation. Die Prädikation ist ein Akt der Zuschreibung von Eigenschaften, mit denen die Gegenstände charakterisiert werden. Prädikationen können nun aber von den Sprachnutzern aufgrund ihrer Sicht auf die Dinge unterschiedlich bewertet werden, sodass es die Möglichkeit zu ihrer Überprüfung geben muss.
RhemaRhema bezeichnet im Griechischen das Wort. Das Repräsentamen tritt dann als das einzelne Wort in Erscheinung. Es wird gebraucht, um den Bezug zu Objekten zu arrangieren, das geschieht oft durch Nominalphrasen, um Hinweise auf Referenzpunkte in der vorzustellenden Wirklichkeit zu geben. Peter schenkt seiner Schwester eine Blume. Die Wörter Peter, Schwester, Blume lösen Suchvorgänge aus, wir versuchen in einer vorfindlichen oder gedachten Welt Referenzpunkte für sie zu finden.
DicentDer Begriff Dicent leitet sich vom Verb dicere her und bezeichnet Reden. Peirce charakterisiert damit den Umstand, dass durch Äußerungen ein Reden über etwas tatsächlich Existierendes möglich ist. Die Referenzpunkte gewinnen für die Akteure erst Bedeutung, wenn sie auf etwas hin ausgerichtet für die Akteure Sinn erzeugen. Das Dicent oft als Verb realisiert erfüllt diesen Zweck, indem es tatsächliche oder gedachte Objekte in einen bestimmten Zusammenhang rückt und einen Wirklichkeitsanspruch damit verbindet. Der Satz Peter schenkt seiner Schwester Blumen. beinhaltet: Es gibt Peter und er hat eine Schwester und verfügt zum Zeitpunkt der Äußerung über Blumen, und die Blumen werden von Peter an die Schwester gereicht, so dass diese in den Besitz von Peters Schwester gelangen.
ArgumentArgumentMit dem Einbezug der argumentativen Ordnung geht Peirce über die Prädikation hinaus, denn einer Prädikation kann widersprochen werden. Geschieht das, bedarf es einer Bewertungsmöglichkeit. Mit dem Argument wird das Repräsentamen zur Möglichkeit, die dann die innere Logik und verknüpfte WahrheitsansprücheWahrheitsanspruch verbindet. Wenn eine Prädikation als Argument gedeutet wird, folgt sie einer neuen Ordnung. Betrachten wir die Äußerung: Peter schenkt seiner Schwester Blumen. Sie war so unglücklich. In ihr ist Peter jemand, der seiner Schwester etwas schenkt, und es gibt die Schwester von Peter, die zu diesem Zeitpunkt unglücklich ist. Beide Prädikationen können in ein logisches Verhältnis zueinander gebracht werden. Peter schenkt etwas, weil die andere Person unglücklich ist oder er schenkt etwas, damit die Beschenkte glücklich wird.
Erklärung
Um über Dinge miteinander reden zu können, nutzen wir Sprache. Sie erlaubt Aussagen über Gedachtes oder Vorfindliches und stellt dafür sprachliche Mittel zur Verfügung. Kommunikation wird sichtbar, wenn gegen die Aussagen Einspruch erhoben wird. Ein Dialog eröffnet sich und schafft einen Raum gegenseitiger Erfahrung.
Selbstvergewisserung des ZeichengebrauchsPeirceDie Ideen der Zeichentheorie von Peirce stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entwicklung von Kommunikationstheorien. Im Zuge der Aufarbeitung seiner Schriften wurde aber die Dialogizität von Zeichen als ein wichtiges Element für eine Kommunikationstheorie erkannt. Dialogizität beginnt nämlich nicht erst mit der Kommunikation