PLATON - Gesammelte Werke. Platon
Читать онлайн книгу.So laß uns denn sehen, worin denn solche Leute sich rühmen Andere streitbar zu machen im Gespräch. Unsere Untersuchung gehe aber von Anfang an so. Zuerst über göttliche Dinge, wie sie den Meisten verborgen sind, setzen sie sie doch in Stand sich zu streiten?
Theaitetos: Gesagt wird das ja von ihnen.
Fremder: Und was offenbar ist auf der Erde und am Himmel, auch darüber?
Theaitetos: Allerdings.
Fremder: Aber auch in geselligen Versammlungen, wenn vom Werden und Sein im Allgemeinen gesprochen wird, wissen wir doch daß sie selbst gewaltig sind im Widersprechen, und daß sie auch die Andern tüchtig machen in dem was sie selbst sind.
Theaitetos: Auf alle Weise.
Fremder: Und über Gesetze und alle Staatsangelegenheiten versprechen sie nicht sie streitbar zu machen?
Theaitetos: Niemand würde ja wohl, daß ich es gerade heraussage, mit ihnen reden, wenn sie dies nicht versprächen.
Fremder: Und wiederum in allen und jeden einzelnen Künsten, wie man jedem Meister darin widersprechen muß, das liegt öffentlich bekannt gemacht und niedergeschrieben da, für jeden der es lernen will.
Theaitetos: Du meinst wohl die Protagoreischen Sachen über das Ringen und die andern Künste.
Fremder: Und ähnliches, o Trefflicher, von vielen Andern. Aber scheint nun nicht diese Kunst des Widerspruchs im Allgemeinen über Alles hinreichendes Geschick zu besitzen zum Streit?
Theaitetos: Man sieht ja fast nicht daß sie etwas übrig ließe.
Fremder: Du aber Kind, bei den Göttern, hältst du das für möglich? denn vielleicht seht ihr Jüngeren hierin schärfer und wir stumpfer!
(233) Theaitetos: Was doch, und worin meinst du? Denn ich verstehe noch nicht was du jetzt fragst.
Fremder: Ob es wohl möglich ist, daß irgend ein Mensch alles weiß.
Theaitetos: Glückselig, o Fremdling, wäre dann unser Geschlecht.
Fremder: Wie könnte also wohl je im Widerspruch gegen den Kundigen ein selbst Unkundiger etwas Gesundes vorbringen?
Theaitetos: Auf keine Weise.
Fremder: Was wäre also eigentlich das Geheimnis in diesem sophistischen Kunststück?
Theaitetos: In welchem doch?
Fremder: Auf welche Weise sie wohl im Stande sind den Jünglingen die Meinung beizubringen, daß in allen Dingen unter Allen sie die kundigsten wären? Denn offenbar, wenn sie weder bündig widersprächen, noch jenen es zu tun schienen, oder auch wenn sie es schienen, aber wegen dieses Streitens um nichts mehr für weise gehalten würden: dann könnten sie, wie du vorher sagtest, warten bis ihnen jemand Geld gäbe um eben hierin ihr Schüler zu werden.
Theaitetos: Gewiß, sie könnten warten.
Fremder: Nun aber werden sie es doch?
Theaitetos: Gar sehr.
Fremder: Also haben sie, denke ich, den Schein dessen kundig zu sein worüber sie sich streiten?
Theaitetos: Wie sollten sie nicht!
Fremder: Sie tun das aber über alles. Sagen wir so?
Theaitetos: Ja wohl.
Fremder: In allen Dingen also scheinen sie ihren Schülern weise zu sein.
Theaitetos: Unbedenklich.
Fremder: Ohne es doch zu sein; denn das hatte sich als unmöglich gezeigt.
Theaitetos: Wie sollte es auch nicht unmöglich sein!
Fremder: Eine scheinbare Erkenntnis also von allen Dingen, nicht aber die Wahrheit besitzend zeigt sich der Sophist.
Theaitetos: Auf alle Weise, und das jetzt von ihm gesagte scheint unter allem das richtigste zu sein.
Fremder: Laß uns nur ein noch anschaulicheres Beispiel hiezu vorzeichnen.
Theaitetos: Was für eines?
Fremder: Dieses. Suche aber ja wohl Acht zu geben und zu antworten.
Theaitetos: Was nur?
Fremder: Wenn jemand weder das Sprechen noch das Widersprechen behauptet zu verstehen, wohl aber durch Eine Kunst alle Dinge insgesamt zu machen und hervorzubringen.
Theaitetos: Wie meinst du Alle?
Fremder: Also gleich den Anfang des Gesagten verstehst du uns nicht. Wie es scheint nämlich weißt du nicht das alle insgesamt?
Theaitetos: Freilich nicht.
Fremder: Ich meine eben dich und mich unter dem alles insgesamt, und außer uns noch alle Tiere und Pflanzen.
Theaitetos: Wie meinst du das?
Fremder: Wenn jemand dich und mich und alles was lebt und wächst machen zu wollen behauptete.
Theaitetos: Was für ein Machen soll das doch sein? Du meinst doch wohl nicht die Landleute irgend, denn du sagtest ja, jener brächte auch die Tiere hervor.
(234) Fremder: Das sage ich, und dazu noch Meer und Erde und Himmel und Götter und alles insgesamt. Und wenn er in der Geschwindigkeit dies alles verfertigt hat, gibt er es für ein geringes Geld weg.
Theaitetos: Du meinst irgend einen Scherz.
Fremder: Und wie, wenn einer sagt, er wisse Alles und wolle dies auch Andern um ein Weniges in weniger Zeit lehren, soll man das nicht für Scherz halten?
Theaitetos: Freilich wohl.
Fremder: Und kennst du vom Scherz eine kunstreichere und anmutigere Art als die nachahmende?
Theaitetos: Keinesweges. Denn gar vieles hast du hiermit ausgesprochen, alles zusammenfassend in eine und wohl die reichhaltigste Gattung.
Fremder: Von dem nun, welcher verheißt im Stande zu sein durch eine Kunst alles zu machen, wissen wir doch daß er durch Verfertigung gleichnamiger Nachbildungen des wirklichen vermittelst der Malerkunst im Stande sein wird unnachdenkliche junge Knaben, wenn er ihnen von fern das Gemalte vorzeigt, zu täuschen, als ob er, was er nur machen wollte, vollkommen geschickt wäre auch wirklich und in der Tat hervorzubringen.
Theaitetos: Das freilich.
Fremder: Wie nun aber können wir nicht erwarten, daß es auch in Worten eine andere ähnliche Kunst gebe, vermöge deren es möglich wäre Jünglinge und solche die noch in weiter Ferne stehen von dem wahren Wesen der Dinge, durch die Ohren mit Worten zu bezaubern, indem man gesprochene Schattenbilder von allem vorzeigt, so daß man sie glauben macht, es sei etwas wahres gesagt, und der welcher es sagt der weiseste unter Allen in allen Dingen?
Theaitetos: Wie sollte es nicht eine andere solche Kunst geben!
Fremder: Werden aber nicht die Meisten, o Theaitetos, von denen, welche dies einst hörten, wenn ihnen hinlängliche Zeit darüber vergangen ist, und sie bei reiferem Alter in der Nähe mit den Dingen zusammentreffen, so daß sie durch unmittelbare Einwirkungen gezwungen werden sich offenkundig in Berührung mit den Dingen zu setzen, alsdenn notwendig