PLATON - Gesammelte Werke. Platon
Читать онлайн книгу.er lächerlich. Und wiederum wo gelobt und in prächtigen Worten geredet werden soll von Andern, gibt sich kund, daß er lacht, nicht nur verstellter Weise, sondern ganz ordentlich, und so erscheint er albern. Denn wo er einen Tyrannen oder König lobpreisen hört, kommt es ihm vor, als hörte er irgend einen Hirten, der Schweine oder Schafe oder einen Rinderhirten glücklich preisen, weil er viel melkt; nur glaubt er, daß jener ein unlenksameres und boshafteres Tier hütet und melkt als diese; und daß doch ungesittet und ungebildet ein solcher aus Mangel an Muße nicht minder sein muß als andre Hirten, eingezwängt in seine Mauern eben wie jene in die Hürden auf den Bergen. Hört er aber von tausend Morgen Landes oder noch mehr, als hätte wer sie besitzt ein ungeheuer großes Besitztum: so dünkt ihn, er höre einer großen Kleinigkeit erwähnen, gewohnt wie er ist über die ganze Erde zu schauen. Und wenn sie gar die Geschlechter besingen, wie irgend ein Edler sieben reiche Ahnherren habe aufzuweisen: so dünkt ihn, ein sehr kurzsichtiges Lob zu hören von solchen, die nur auf das Kleine merken, und aus Unwissenheit nicht vermögen (175) immer auf das Ganze zu blicken, noch zu berechnen, daß Großvater und Vorfahren unzählige Tausende ein Jeder gehabt hat, worunter Reiche und Arme, Könige und Knechte, Ausländer und Hellenen oftmals zehntausend können gewesen sein bei dem ersten besten. Aber ein Verzeichnis von Fünf und zwanzig Vorfahren für etwas Großes ausgeben, die etwa auf Herakles, den Sohn des Amphitryon, zurückgehn, das gilt ihm für das ungereimteste in der Kleinlichkeit; und er lacht, daß sie, wie nun hinaufwärts vom Amphitryon der fünf und zwanzigste doch wieder einer war, wie es sich eben traf, und der fünfzigste von ihm, daß sie dies nicht einmal vermögen sich vorzurechnen, und sich dadurch das aufgeblasene Wesen einer törichten Seele zu vertreiben. Wegen alles dessen nun wird ein solcher von der Menge verlacht, indem er hier sich stolz zeigt, wie es ihnen dünkt, dort aber wieder unwissend in dem, was vor seinen Füßen liegt, und ratlos in allem einzelnen.
Theodoros: Genau wie es geschieht stellst du es dar, Sokrates.
Sokrates: Zieht er selbst aber Einen zu sich hinauf, Lieber, und will sich einer ihm versteigen von dem »Ob ich dir hierin Unrecht tue oder du mir« zur Untersuchung der Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit selbst, was jede von ihnen ist, und wodurch sie unter sich und von allem übrigen unterschieden sind, oder von dem »Glücklich ist ein König, der viel Goldes besitzt« zu der Frage vom Königtum selbst und überhaupt von menschlicher Glückseligkeit und Elend, worin beides besteht, und auf welche Weise es der menschlichen Natur zukommt die eine zu erlangen und dem andern zu entgehen, sobald über eins von diesen Dingen ein solcher Kleingeistiger, Scharfsinniger, in Rechtsstreiten Gewandter Rede stehen soll, dann bezahlt wiederum er das Gleiche; schwindelnd wie er von der Höhe herüberhängt, und von oben herabschauend aus Ungewohnheit der Sache ängstlich und unbeholfen, der Sprache nicht mächtiger als ein ausländischer Knecht, erregt er den Thrakierinnen zwar nicht Gelächter, auch sonst den Ununterrichteten nicht, denn sie bemerken es nicht, wohl aber Allen, welche nicht wie Leibeigene, sondern auf die entgegengesetzte Art aufgewachsen sind. Dies nun, o Theodoros, ist die Weise eines jeden von beiden, die eine dessen der wahrhaft in Freiheit und Muße auferzogen ist, den du einen Philosophen nennst, und dem es ungestraft hingehen mag, daß er einfältig erscheint, und nichts gilt wo es auf knechtische Dienstleistungen ankommt, daß er etwa nicht versteht das Bündel zu schnüren, das nachgetragen werden soll, oder eine Speise schmackhaft zu bereiten, oder auch schmeichlerische Worte; die andere dessen, der alles dieses zwar zierlich und behende zu beschicken weiß, dagegen aber nicht einmal seinen Mantel wie ein freier Mann zu tragen versteht, viel weniger in Wohlklang der Rede eingreifend würdig zu preisen das wahrhafte (176) Leben der seligen Götter und Menschen.
Theodoros: Wenn du, o Sokrates, Alle wie mich überzeugtest von dem was du sagst: so würde mehr Friede und des Bösen viel weniger sein unter den Menschen.
Sokrates: Das Böse, o Theodoros, kann weder ausgerottet werden, denn es muß immer etwas dem Guten entgegengesetztes geben, noch auch bei den Göttern seinen Sitz haben. Unter der sterblichen Natur aber, und in dieser Gegend zieht es umher jener Notwendigkeit gemäß. Deshalb muß man auch trachten, von hier dorthin zu entfliehen aufs schleunigste. Der Weg dazu ist Verähnlichung mit Gott so weit als möglich; und diese Verähnlichung, daß man gerecht und fromm sei mit Einsicht. Allein, o Bester, es ist gar nicht leicht deutlich zu machen, daß nicht aus der Ursache, weshalb die Meisten sagen, daß man die Schlechtigkeit fliehen und der Tugend nachstreben solle, die eine zu suchen ist und die andere nicht, damit man nämlich nicht böse, sondern gut zu sein scheine. Denn dies ist nur, was man nennt der alten Weiber Geschwätz, wie es mir scheint; das Wahre aber wollen wir so vortragen. Gott ist niemals auf keine Weise ungerecht, sondern im höchsten Sinne vollkommen gerecht, und nichts ist ihm ähnlicher, als wer unter uns ebenfalls der gerechteste ist. Und hierauf geht auch die wahre Meisterschaft eines Mannes, so wie seine Nichtigkeit und Unmännlichkeit. Denn die Erkenntnis hievon ist wahre Weisheit und Tugend, und die Unwissenheit hierin die offenbare Torheit und Schlechtigkeit. Jegliche andere dafür geltende Meisterschaft und Einsicht aber ist, wenn sie in der bürgerlichen Verwaltung sich zeigt, nur etwas Gemeines, wenn in den Künsten, etwas Unfreies und Niedriges. Wer also ungerechtes und gottloses redet und tut, dem ist es bei weitem am besten, man gebe ihm nicht zu, er habe es zur Meisterschaft gebracht mit arglistigem Wesen; denn sie freuen sich über den Vorwurf, und glauben zu hören, daß sie nicht Toren sind, unnütze Lasten der Erde, sondern Männer, wie die sein müssen, denen es im Staate wohl gehn soll. So muß man ihnen demnach die Wahrheit sagen, daß sie nur um desto mehr solche sind, wie sie nicht glauben, weil sie es nicht glauben. Denn unbekannt ist ihnen, was am wenigsten Jemanden unbekannt sein sollte, die Strafe der Ungerechtigkeit, nämlich nicht was sie dafür halten, Leibesstrafe und Tod, wovon ihnen oft nichts widerfährt beim Unrechttun, sondern eine, welcher es unmöglich ist zu entfliehen.
Theodoros: Welche meinst du denn?
Sokrates: Zwei Vorbilder, o Freund, sind aufgestellt in der Welt, das göttliche der größten Glückseligkeit, und das ungöttliche des Elendes; sie aber sehen nicht, daß es sich so verhält, und werden aus Torheit und höchstem Unverstande unvermerkt um der ungerechten Handlungen willen diesem ähnlich, immer unähnlicher aber jenem. Wofür sie dann die Strafe leiden, indem sie ein Leben führen, dem angemessen (177) welchem sie ähnlich geworden. Sagen wir ihnen nun, daß wenn sie von jener Meisterschaft nicht ablassen, dann auch nach geendetem Leben jener von allen Übeln gereinigte Ort sie nicht aufnehmen werde, sondern sie immer hier ein ihnen wie sie sind ähnliches Leben führen werden, als Böse im Bösen lebend: so hören sie das alles doch nur an wie Weise und Überkluge, wenn armselige Toren etwas sagen.
Theodoros: Ganz gewiß, Sokrates.
Sokrates: Ich weiß es, Freund. Eines aber begegnet ihnen doch, daß wenn sie einzeln Rede stehen und Antwort geben sollen von dem was sie tadeln, und sie wirklich tapfer lange genug aushalten und nicht unmännlich fliehen, dann, mein Guter, endet es wunderlich mit ihnen, daß sie sich selbst nicht gefallen in dem was sie sagen, und daß ihre Redekunst gleichsam ganz zusammenschrumpft, und sie nicht besser erscheinen als Kinder.
Doch laß uns hievon, da es ohnedies nur beiläufig gesagt war, nun abstehen; wo nicht, so möchte uns immer neu zuströmendes die erste Rede ganz verschütten. Laß uns aber zu dem vorigen zurückkehren, wenn es dir so gelegen ist.
Theodoros: Mir, o Sokrates, war nicht minder angenehm, dieses zu hören, dem auch in meinen Jahren leichter ist nachzufolgen. Gefällt es dir jedoch, so laß uns wieder zurück gehen.
Sokrates: Waren wir nicht da bei unserer Rede, wo wir sagten, daß diejenigen, welche das bewegliche Sein annähmen, und daß, was Jedem jedesmal scheine, auch ihm, dem es scheint, wirklich so sei, daß diese von allem übrigen und so auch vorzüglich vom Recht behaupteten, was ein Staat feststellte als ihm annehmlich, das sei auch für ihn welcher es feststellt recht, so lange er es stehen ließe, daß aber was das Gute betrifft doch wohl keiner von ihnen so mutig wäre, daß er sich unterstände zu behaupten, auch was ein Staat, weil er es dafür hielte, als nützlich aufstellte, das wäre ihm auch, so lange er es gelten ließe, wirklich nützlich. Es müßte denn Jemand nur von dem Worte reden, und das wäre ja in Beziehung auf das, was wir meinen, nur ein Scherz. Nicht wahr?
Theodoros: