PLATON - Gesammelte Werke. Platon

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PLATON - Gesammelte Werke - Platon


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jetzt untersuchen. Denn wahrscheinlich hat er nicht dieses gemeint, sondern daß, wer gefragt wird, was jedes ist, dem Fragenden nach den Bestandteilen der Sache Rechenschaft geben könne.

      Theaitetos: Wie meinst du das, Sokrates?

      (207) Sokrates: Wie Hesiodos vom Wagen sagt, die Hundert Hölzer des Wagens, die ich freilich nicht zu nennen wüßte, und ich glaube auch du nicht, sondern wir würden uns begnügen, wenn wir gefragt würden was ein Wagen ist, daß wir zu antworten wüßten, Räder, Achsen, Obergestelle, Sitz, Joch.

      Theaitetos: Sehr zufrieden.

      Sokrates: Jener aber würde uns, als wenn wir nach deinem Namen gefragt würden und nur Silbenweise antworteten, auslachen, daß wir zwar richtig vorstellten und sagten was wir sagen, uns aber sehr mit Unrecht einbildeten, Sprachkundige zu sein und von dem Namen Theaitetos die sprachkundige Erklärung zu besitzen und zu geben. Mit Erkenntnis aber spreche man nicht eher über etwas, bis man im Stande sei, neben der richtigen Vorstellung alles nach seinen ersten Bestandteilen zu beschreiben, wie es auch schon oben irgendwo gesagt worden ist.

      Theaitetos: Das ist gesagt worden.

      Sokrates: So hätten auch wir zwar eine richtige Vorstellung vom Wagen, der aber das ganze Wesen desselben nach jenen hundert Hölzern beschreiben könne, der habe, eben weil er dies noch dazu habe, auch noch die Erklärung zu der richtigen Vorstellung, und sei anstatt eines bloß vorstellenden auch ein Kunstverständiger und Wissender in Beziehung auf das Wesen des Wagens, indem er das Ganze nach seinen Bestandteilen durchgehen könne.

      Theaitetos: Scheint dir dieses nun gut, Sokrates?

      Sokrates: Ob es dir so scheint, Freund, und du annimmst, daß die Beschreibung eines Dinges nach seinen einzelnen Bestandteilen Erklärung sei, die aber nach den nächsten oder nach größeren Verknüpfungen Unerklärtes, dies sage mir, damit wir es in Erwägung ziehen.

      Theaitetos: Ich nehme es gänzlich an.

      Sokrates: Und glaubst etwa, daß Jemand von etwas Erkenntnis habe, wenn dasselbe bald hiezu ihm zu gehören scheint, bald dazu, oder auch wenn er von demselben Dinge bald dieses vorstellt, bald jenes?

      Theaitetos: Beim Zeus, ich gewiß nicht.

      Sokrates: Und erinnerst dich nicht, daß dieses beim Lernen der Buchstaben dir und Andern im Anfange begegnet ist?

      Theaitetos: Meinst du, daß wir derselben Silbe bald diesen bald einen andern Buchstaben zugeschrieben, und denselben Buchstaben bald in die gehörige, bald in eine andere Silbe gesetzt haben?

      Sokrates: Eben dies meine ich.

      Theaitetos: Dessen erinnere ich mich sehr wohl, beim Zeus, und glaube, daß derjenige bei weitem noch nicht eigentlich weiß, mit dem es sich so verhält.

      Sokrates: Wie nun, wenn bei solcher Gelegenheit einer, indem er Theaitetos schreibt, ein Th und ein E schreiben zu müssen glaubt und auch wirklich schreibt; wenn er aber Theodoros (208) schreiben will, ein T und ein E schreiben zu müssen glaubt, und auch wirklich schreibt: soll man sagen, daß er die erste Silbe eures Namens wisse?

      Theaitetos: Wir haben ja nur eben eingestanden, daß der, mit welchem es sich so verhält, noch nicht wisse.

      Sokrates: Hindert nun etwas, daß es ihm bei der zweiten, dritten und vierten Silbe auf ähnliche Art gehe?

      Theaitetos: Nicht daß ich wüßte.

      Sokrates: Wird er nicht alsdann die Beschreibung nach den Bestandteilen inne habend den Namen Theaitetos mit richtiger Vorstellung schreiben, wenn er ihn in der gehörigen Ordnung schreibt?

      Theaitetos: Offenbar.

      Sokrates: Und dies ohne noch Erkenntnis zu haben, aber richtig vorstellend?

      Theaitetos: Ja.

      Sokrates: Er hat aber doch die Erklärung nebst richtiger Vorstellung; denn er hatte ja beim Schreiben die ganze Reihe der Bestandteile, welches wir eben Erkenntnis genannt haben.

      Theaitetos: Richtig.

      Sokrates: So gibt es also, Freund, eine mit der richtigen Vorstellung verbundene Erklärung, welche man noch nicht Erkenntnis nennen darf.

      Theaitetos: So scheint es.

      Sokrates: Nur im Traume sind wir also reicher geworden, indem wir glaubten, die richtigste Erklärung gefunden zu haben. Oder sollen wir noch nicht aburteilen? Denn vielleicht möchte einer die Erklärung nicht so verstehen, sondern nach der noch übrigen von jenen drei Bedeutungen, wovon eine, wie wir sagten, derjenige annehmen müsse, welcher die Erkenntnis beschriebe als eine richtige Vorstellung mit der Erklärung verbunden.

      Theaitetos: Ganz recht erinnerst du. Denn eine ist noch übrig; die erste war gleichsam Bildnis des Gedankens durch die Stimme; das eben durchgegangene war der Weg zum Ganzen durch die Bestandteile. Was meinst du aber mit der dritten?

      Sokrates: Was die Meisten sagen würden, daß man könne ein Merkmal angeben, wodurch sich das Gefragte von allen übrigen Dingen unterscheide.

      Theaitetos: Was für eine Erklärung kannst du mir in diesem Sinne von irgend etwas geben?

      Sokrates: Wie wenn du willst von der Sonne würde es dir, glaube ich, genügen anzunehmen, daß sie das glänzendste ist von allem, was am Himmel um die Erde geht.

      Theaitetos: Vollkommen.

      Sokrates: Merke auch recht weshalb es gesagt ist. Nämlich, wie wir eben sagten, wenn du das Unterscheidende eines Dinges auffassest, wodurch es von den übrigen verschieden ist, so behaupten Einige, du habest seine Erklärung aufgefaßt. So lange du aber nur noch etwas gemeinschaftliches triffst, so würde deine Erklärung auf dasjenige gehn, was zu dieser Gemeinschaftlichkeit gehört.

      Theaitetos: Ich verstehe, und es dünkt mich sehr richtig, dieses die Erklärung zu nennen.

      Sokrates: Wer also nun bei richtiger Vorstellung von irgend etwas auch seinen Unterschied von dem übrigen aufgefaßt hat, der wird dann Erkenntnis von demjenigen erlangt haben, wovon er vorher nur Vorstellung hatte.

      Theaitetos: So behaupten wir freilich.

      Sokrates: Jetzt aber, Theaitetos, nun ich zu dem Gesagten näher hinzutrete, verstehe ich wie bei den großen auf die Entfernung berechneten Gemälden auch nicht mehr das mindeste davon. So lange ich von ferne stand, schien mir etwas damit gesagt zu sein.

      Theaitetos: Wie so kommt das?

      Sokrates: Ich will es dir deutlich machen, wenn es mir gelingen (209) wird. Vorausgesetzt ich habe eine richtige Vorstellung von dir, so erkenne ich dich doch nur, wenn ich auch noch deine Erklärung dazu auffasse, wofern aber nicht, so stelle ich dich nur vor.

      Theaitetos: Ja.

      Sokrates: Deine Erklärung aber war die Bezeichnung deiner Verschiedenheit.

      Theaitetos: So war es.

      Sokrates: Als ich dich nun nur vorstellte, nicht wahr, so traf ich mit meinen Gedanken nichts von dem wodurch du dich von Andern unterscheidest?

      Theaitetos: Es scheint nicht.

      Sokrates: Ich dachte also nur etwas gemeinschaftliches, was du um nichts mehr an dir hast als irgend ein Anderer.

      Theaitetos: Notwendig.

      Sokrates:


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