Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil. Gustav Schwab

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Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil - Gustav  Schwab


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die griechischen Helden empfangen hatte, mit Mühe auf und erwiderte

       freundlich: »Eure Vorwürfe sind nicht gerecht, liebe Volksgenossen; durch eure eigene Schuld seid ihr

       aus Freunden und Blutsverwandten meine erbitterten Feinde geworden. Haben doch die

       Küstenwächter, meinem strengen Befehle gehorsam, euch wie alle Landenden geziemend nach

       Namen und Abkunft gefragt und nicht nach roher Barbarenweise, sondern nach dem Völkerrechte

       der Griechen mit euch gehandelt. Ihr aber seid in der Meinung, daß gegen Barbaren alles erlaubt sei,

       ans Land gesprungen ohne ihnen die verlangte Weisung zu geben, und habt meine Untertanen, ohne

       sie anzuhören, niedergemacht. Auch mir habt ihr« ‐ hier zeigte er auf seine Seite ‐ »ein Andenken

       hinterlassen, das mich, wohl fühle ich es, mein Leben lang an unser gestriges Zusammentreffen

       erinnern wird. Doch grolle ich euch darüber nicht und kann die Freude, Blutsverwandte und Griechen

       in meinem Reiche aufgenommen zu haben, nicht zu teuer erkaufen. Höret nun, was in Beziehung auf

       eure Anforderung mein Bescheid ist: Gegen Priamos zu Felde zu ziehen mutet mir nicht zu. Mein

       zweites Gemahl, Astyoche, ist seine Tochter; dazu ist er selbst ein frommer Greis, und seine übrigen

       Söhne sind edelmütig, er und sie haben keinen Anteil an dem Verbrechen des leichtsinnigen Paris.

       Sehet dort meinen Knaben Eurypylos; wie sollte ich ihm das Herzeleid antun und das Reich seines

       Großvaters zerstören helfen! Wie ich aber dem Priamos nichts zuleide tun will, so werde ich auch

       euch, meine Landsleute, auf keinerlei Weise schädigen. Nehmet Gastgeschenke von mir und fasset

       Mundvorrat, soviel euch nötig ist. Dann gehet hin und fechtet in der Götter Namen euren Handel

       aus, den ich nicht schlichten kann.«

       Mit dieser gütigen Antwort kamen die drei Fürsten vergnügt in das Lager der Argiver zurück und

       meldeten dem Agamemnon und den andern Fürsten, wie sie Freundschaft im Namen der Griechen

       mit Telephos geschlossen. Der Kriegsrat der Helden beschloß, den Ajax und Achill sofort an den König

       zu senden, daß sie das Bündnis mit ihm bestätigten und ihn wegen seiner Wunde trösteten. Diese

       fanden den Herakliden schwer an der Verletzung darniederliegen, und Achill warf sich weinend über

       sein Lager und bejammerte es, daß sein Speer unwissentlich einen Landsmann und edlen Sohn des

       Herakles getroffen. Der König aber vergaß seine Schmerzen und bedauerte nur, von der Ankunft so

       herrlicher Gäste nicht unterrichtet gewesen zu sein, um ihnen einen königlichen Empfang zu

       bereiten. Hierauf lud er die Atriden feierlich in seine Hofburg ein, bewirtete sie mit festlicher Pracht

       und erfreute sie mit köstlichen Geschenken. Diese brachten auf die Bitte Achills die beiden

       weltberühmten Ärzte Podaleirios und Machaon mit, die Wunde des Königes zu untersuchen und zu

       heilen. Das letztere gelang ihnen zwar nicht, denn der Speer des Göttersohnes hatte seine eigene

       Kraft, und die Wunden, die er schlug, widerstanden der Heilung; doch befreiten die Linderungsmittel,

       die sie auflegten, den König für den Augenblick von den unerträglichsten Schmerzen. Und nun

       erteilte er von seinem Krankenlager aus den Griechen allerlei heilsame Ratschläge, versah die Flotte

       mit Lebensmitteln und ließ sie nicht eher abziehen, als bis der Winter, der im Anzuge war, da sie

       landeten mit seinen härtesten Stürmen vorüber war. Darauf belehrte er sie über die Lage der Stadt

       Troja und über den Weg, den sie dahin zu machen hätten, und bezeichnete ihnen als einzigen

       Landungsplatz die Mündung des Flusses Skamander.

       Paris zurückgekehrt

       Obgleich in Troja noch nichts von der Abfahrt der großen griechischen Flotte bekannt war, herrschte

       doch seit der Abreise der griechischen Gesandten Schrecken und Furcht vor dem bevorstehenden

       Kriege in dieser Stadt. Paris war inzwischen mit der geraubten Fürstin, der herrlichen Beute und

       seiner ganzen Flotte zurückgekommen. Der König Priamos sah die unerbetene Schwiegertochter

       nicht mit Freuden in seinen Palast eintreten und versammelte auf der Stelle seine zahlreichen Söhne

       zu einer Fürstenversammlung. Diese ließen sich durch den Glanz der Schätze, die ihr Bruder unter sie

       zu verteilen bereit war, und die Schönheit der Griechinnen aus den edelsten Fürstengeschlechtern,

       welche er im Gefolge Helenas mitgebracht und denjenigen seiner Brüder, die noch keine Frauen

       hatten, zur Ehe zu geben bereit war, leicht betören; und weil ihrer viele noch jung und alle

       kampflustig waren, so fiel die Beratung dahin aus, daß die Fremde in den Schutz des Königshauses

       aufgenommen und den Griechen nicht ausgeliefert werden sollte. Ganz anders hatte freilich das Volk

       der Stadt, dem vor einem feindlichen Angriff und einer Belagerung gar bange war, die Ankunft des

       Königssohnes und seinen schönen Raub aufgenommen; mancher Fluch hatte ihn durch die Straßen

       verfolgt, und hier und da war selbst ein Stein nach ihm geflogen, als er die erbeutete Gemahlin in des

       Vaters Palast geleitete. Doch hielt die Ehrfurcht vor dem alten König und seinem Willen die Trojaner

       ab, sich der Aufnahme der neuen Bürgerin ernstlich zu widersetzen.

       Als nun im Rate des Priamos der Beschluß gefaßt war, die Fürstin nicht zu verstoßen, sandte der

       König seine eigene Gemahlin zu ihr in das Frauengemach, um sich zu überzeugen, daß sie freiwillig

       mit Paris nach Troja gekommen sei. Da erklärte Helena, daß sie durch ihre eigene Abstammung den

       Trojanern ebensosehr angehöre als den Griechen: denn Danaos und Agenor seien ebensowohl ihre

       eigenen Stammväter als die Stammhalter des trojanischen Königshauses. Unfreiwillig geraubt, sei sie

       jetzt doch durch langen Besitz und innige Liebe an ihren neuen Gemahl gefesselt und freiwillig die

       Seinige. Nach dem, was geschehen, könne sie von ihrem vorigen Gatten und ihrem Volke keine

       Verzeihung erwarten; nur Schande und Tod stände ihr bevor, wenn sie ausgeliefert würde.

       So sprach sie mit einem Strom von Tränen und warf sich der Königin Hekabe zu Füßen, welche die

       Schutzflehende liebreich aufrichtete und ihr den Willen des Königes und seiner Söhne verkündete,

       sie gegen jeden Angriff zu schirmen.

       Die Griechen vor Troja

       So lebte denn Helena ungefährdet am Königshofe von Troja und bezog darauf mit Paris einen

       eigenen Palast. Auch das Volk gewöhnte sich bald an ihre Lieblichkeit und griechische Holdseligkeit,

       und als nun endlich die fremde Flotte wirklich an der trojanischen Küste erschien, waren die

       Einwohner der Stadt minder verzagt denn zuvor.

       Sie zählten ihre Bürger und ihre Bundesgenossen, die sie schon vorher beschickt und deren

       wirksamer Hilfe sie sich versichert hatten, und sie fanden sich an Zahl und Kraft ihrer Helden und

       Streiter den Griechen gewachsen. So hofften sie mit dem


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