Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil. Gustav Schwab

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Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil - Gustav  Schwab


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Ilische Feld,

       das sich schon bergan zog und die unterste Stufe des waldigen Idagebirges bildete, dessen höchster

       Gipfel Gargaron hieß und dessen beide letzte Äste rechts und links von den Griechen das Sigeische

       und Rhöteische Vorgebirge bildeten.

       Noch ehe der Kampf zwischen beiden Völkern seinen Anfang nahm, wurden die Griechen durch die

       Ankunft eines werten Gastes überrascht. Der König Telephos von Mysien, der sie so großmütig

       unterstützt hatte, war seitdem an der Wunde, die ihm der Speer des Achill geschlagen, unheilbar

       krank gelegen, und die Mittel, die ihm Podaleirios und Machaon aufgelegt hatten, taten schon lange

       keine Wirkung mehr. Gequält von den unerträglichsten Schmerzen, hatte er ein Orakel des Phöbos

       Apollo, das in seinem Lande war, befragen lassen, und dieses hatte ihm die Antwort erteilt, nur der

       Speer, der ihn geschlagen, vermöge ihn zu heilen. So dunkel das Wort des Gottes lautete, so trieb ihn

       doch die Verzweiflung, sich einschiffen zu lassen und der griechischen Flotte zu folgen. So kam denn

       auch er bei der Mündung des Skamander an und ward in die Lagerhütte des Achill getragen. Der

       Anblick des leidenden Königes erneuerte den Schmerz des jungen Helden. Betrübt brachte er seinen

       Speer herbei und legte ihn dem Könige zu den Füßen seines Lagers, ohne Rat zu wissen, wie man sich

       desselben zur Heilung der eiternden Wunde bedienen sollte. Viele Helden umstanden ratlos das Bett

       des gepeinigten Wohltäters, bis es Odysseus einfiel, aufs neue die großen Ärzte des Heeres zu Rate

       zu ziehen. Podaleirios und Machaon eilten auf seinen Ruf herbei. Sobald sie das Orakel Apollos

       vernommen, verstanden sie als weise, vielerfahrene Söhne des Asklepios seinen Sinn, feilten ein

       wenig Rost vom Speere des Peliden ab und legten ihn sorgfältig verbreitet über die Wunde. Da war

       ein Wunder zu schauen: sowie die Feilspäne auf eine eiternde Stelle des Geschwüres gestreut

       wurden, fing diese vor den Augen des Helden zu heilen an, und in wenigen Stunden war der edle

       König Telephos dem Orakel zufolge durch den Speer des Achill von der Wunde desselben Speeres

       genesen. Jetzt erst war die Freude der Helden über den großmütigen Empfang, der ihnen in Mysien

       zuteil geworden war, vollkommen. Gesundet und froh ging Telephos wieder zu Schiffe, und wie

       jüngst die Griechen ihn, so verließ jetzt er sie unter Danksagungen und Segenswünschen, in sein

       Reich Mysien zurückkehrend. Er eilte aber, nicht Zeuge des Kampfes zu sein, den seine lieben

       Gastfreunde gegen den ebenso geliebten Schwäher beginnen würden.

       Zweites Buch

       Ausbruch des Kampfes. Protesilaos. Kyknos

       Die Griechen waren noch mit dem Geleite des Königes Telephos beschäftigst, als die Tore Trojas sich

       auftaten und die völlig gerüstete Heeresmacht der Trojaner unter Hektors Anführung sich über die

       Skamandrische Ebene ergoß und ohne Widerstand gegen die Schiffe der sorglosen Achiver anrückte.

       Die Äußersten im Schiffslager, die zuerst zerstreut zu den Waffen griffen und den heranziehenden

       Feinden entgegeneilten, wurden von der Übermacht erdrückt. Doch hielt das Gefecht mit ihnen die

       Heerschar der Trojaner so lange auf, daß die Griechen im Lager sich sammeln und auch ihrerseits in

       einem geordneten Heerhaufen den Feinden entgegentreten konnten. Da gestaltete sich nun die

       Schlacht ganz ungleich. Denn wo Hektor selbst zugegen war, gewannen die Trojaner die Oberhand, in

       die Schlachtreihen aber, die ferne von ihm fochten, drangen die Griechen siegreich ein. Der erste

       namhafte Held unter den Griechen, der von der Hand des trojanischen Fürsten Äneas in dieser

       Schlacht fiel, war Protesilaos, des Iphiklos Sohn. Als verlobter Jüngling war er gen Troja gezogen und

       der erste Grieche, der bei der Landung ans Ufer sprang: so sollte er auch als das erste Heldenopfer

       fallen, und seine Braut Laodameia, die holdselige Tochter des Argonauten Akastos, sollte den

       Bräutigam, den sie mit banger Sorge in den Krieg hatte ziehen lassen, nicht wieder erblicken.

       Noch war Achill vom Kampfplatz entfernt. Er hatte dem Mysier, den er einst mit dem Speere

       verwundet und jetzt mit dem Speere geheilt hatte, das Geleite ans Meer gegeben und sah

       nachdenklich dem Schiffe nach, das sich in die ferne Flut vertiefte. Da kam sein Freund und

       Kampfgeselle Patroklos auf ihn zugeeilt, faßte ihn bei der Schulter und rief. »Wo weilst du, Freund?

       Die Griechen bedürfen deiner. Der erste Kampf ist entbrannt: des Königes Priamos ältester Sohn

       Hektor rast an der Spitze der feindlichen Scharen wie ein Löwe, dessen Höhle Jäger umstellt haben.

       Äneas, der Eidam des Königes, hat aus der Mitte unserer Fürsten den edlen Protesilaos, der an

       Jugend und Mut dir glich, doch an Kraft dir nicht gleich war, erschlagen. Wenn du nicht kommst, so

       wird der Mord unter unsern Helden einreißen!« Aus seinen Träumen erwacht, blickte Achill hinter

       sich, sah den mahnenden Freund, und in diesem Augenblicke drang auch der Hall des

       Kampfgetümmels in sein Ohr. Da sprang er, ohne ein Wort zu erwidern, durch die Gassen des

       Schiffslagers seinem Zelte zu. Hier erst fand er die Sprache wieder, rief mit lauter Stimme seine

       Myrmidonen unter die Waffen und erschien mit ihnen wie ein donnerndes Wetter in der Schlacht.

       Seinem stürmischen Angriffe hielt selbst Hektor nicht stand. Zwei Söhne des Priamos erschlug er, und

       der Vater sah wehklagend von den Mauern herab den Tod seiner Kinder von des fürchterlichen

       Heldenjünglings Hand. Dicht an der Seite des Peliden kämpfte der Telamonier Ajax, dessen Riesenleib

       alle andern Danaer überragte; vor den Streichen der beiden Helden flohen die Trojaner wie eine

       Herde von Hirschen vor einer Hundekoppel daher; zuletzt wurde die Flucht der Feinde allgemein, und

       die Trojaner schlossen die Tore wieder hinter sich zu. Die Griechen aber begaben sich in Ruhe wieder

       zu ihren Schiffen und fuhren in Vollendung ihres Lagerbaues gemächlich fort. Achill und Ajax wurden

       von Agamemnon zu Wächtern der Schiffe bestimmt, und diese setzten wieder andere Helden zu

       Wächtern über einzelne Abteilungen der Flotte.

       Alsdann wandten sie sich zum Begräbnisse des Protesilaos, legten den Leichnam auf einen schön

       geschmückten und aufgetürmten Scheiterhaufen und begruben seine Gebeine auf einer Halbinsel

       des Strandes unter schönen hohen Ulmbäumen. Noch waren sie mit der Bestattung nicht ganz fertig,

       als ein zweiter Überfall die sorglos Feiernden erschreckte.

       In Kolonai bei Troja herrschte der König Kyknos, der, von einer Nymphe dem Meeresgotte Poseidon

       geboren, auf der Insel Tenedos wunderbarerweise von einem Schwan großgezogen worden war,

       daher er auch seinen Namen Kyknos, das heißt Schwan, bekommen hatte. Dieser war den Trojanern

       verbündet, und ohne besonders dazu von Priamos aufgefordert zu sein, hielt er sich


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