Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil. Gustav Schwab

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Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil - Gustav  Schwab


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       herrlicher Gestalt war, als Kriegsbeute mit sich fort. Doch ward sie ihm bald wegen ihrer Schönheit

       und ihres Edelsinnes lieb; er hielt sie hoch wie eine Gemahlin und hätte sich feierlich mit ihr

       vermählt, wenn es Griechengebrauch gewesen wäre, eine Barbarin zu freien.

       Achill und der Telamonier trafen von ihren glücklichen Streifzügen, ihre Lastschiffe voll Beute, zu

       gleicher Zeit im griechischen Schiffslager vor Troja wieder ein. Alle Danaer gingen ihnen unter

       Lobgesängen entgegen; bald umringte sie eine ganze Versammlung von Streitern; man stellte die

       Helden in die Mitte, und unter jubelndem Zuruf wurde ihnen als Lohn der Siege ein Olivenkranz aufs

       Haupt gesetzt. Alsdann hielten die Helden einen Rat, um über die mitgebrachte Beute, die von den

       Griechen als Gemeingut angesehen wurde, einen Beschluß zu fassen. Da wurden denn auch die

       gefangenen Frauen vorgeführt, und alle Danaer staunten über ihre Schönheit. Das Anrecht auf die

       holde Brisestochter wurde dem Achill, dem Helden Ajax der Besitz der königlichen Tekmessa

       bestätigt. Überdies durfte der Pelide auch die Gespielin seiner Geliebten, die holde Jungfrau

       Diomedea, behalten, welche sich von der Königstochter nicht trennen wollte, mit der sie von zarter

       Kindheit an im Hause des Brises aufgewachsen war; sie hatte sich, vor die griechischen Helden

       geführt, zu Achills Füßen geworfen und flehte ihn unter Tränen an, sie nicht von ihrer lieben Herrin

       trennen zu lassen. Nur Astynome, die Tochter des Priesters Chryses, wurde dem Völkerhirten

       Agamemnon, seine Königswürde zu ehren, zugesprochen und von Achill auch willig abgetreten. Die

       andre Kriegsbeute an Gefangenen und Mundvorrat ward Mann für Mann unter das griechische Heer

       verteilt.

      Kapitel 3

      Dann brachte Ajax, von Odysseus und Diomedes aufgefordert, die Schätze des Königes Polymnestor

       aus seinen Schiffen herbei, und es wurde auch davon dem Könige Agamemnon ein schöner Teil an

       Gold und Silber zugeschieden.

       Polydoros

       Endlich berieten sich die Helden über den allerkostbarsten Teil der Beute, über den Knaben

       Polydoros, den Sohn des Königes Priamos, und nach kurzer Ratschlagung wurde einstimmig

       beschlossen, daß Odysseus und Diomedes als Gesandte zu König Priamos abgeordnet werden und

       ihm die Übergabe seines jungen Sohnes anbieten sollten, sobald Helena den Gesandten

       Griechenlands ausgeliefert sein würde. Den beiden Helden wurde der Gemahl der geraubten Fürstin,

       Menelaos, als dritter Gesandter beigegeben, und so machten sich alle drei mit dem jungen Polydoros

       auf den Weg und wurden unter dem Schutze des Völkerrechts als heilige Gesandte von den

       Trojanern ohne Widerspruch in ihre Mauern aufgenommen.

       Priamos und seine Söhne in ihrem Königspalaste, der fern auf der Burg der Stadt gelegen war,

       wußten noch nicht, was zu ihren Füßen vorging, als schon die Gesandtschaft auf dem Marktplatze

       Trojas stillehielt und, vom trojanischen Volk umgeben, Menelaos das Wort ergriff und sich mit

       herzzerschneidenden Worten über die frevelhafte Verletzung des Völkerrechts beklagte, die sich

       Paris an seinem heiligsten und teuersten Besitztum durch den frechen Raub seiner Gemahlin hätte

       zuschulden kommen lassen. Er sprach so beredt und eindringlich, daß die umstehenden Trojaner alle,

       und darunter die ältesten Häupter des Volkes, von seinen Worten ergriffen wurden und unter Tränen

       des Mitleids ihm recht geben mußten. Als Odysseus ihre Rührung bemerkte, nahm auch er das Wort

       und sprach: »Mir deucht, ihr sollet wissen, Häupter und andre Bewohner von Troja, daß die Griechen

       ein Volk sind, die nichts unüberlegterweise unternehmen und daß sie schon von ihren Vorfahren her

       bei allen ihren Taten darauf bedacht sind, Lob und nicht Schmach davonzutragen. So wisset ihr denn

       auch, daß nach der unerhörten Beleidigung, die uns allen eures Königes Sohn Paris durch die

       Entführung der Fürstin Helena angetan hat, wir, bevor wir die Waffen gegen euch erhoben, zur

       gütlichen Beilegung dieses Handels eine friedliche Gesandtschaft an euch geschickt haben. Erst als

       dies vergebens war, ist der Krieg, und zwar noch dazu durch einen Überfall von eurer Seite,

       begonnen worden. Auch jetzt, nachdem ihr unsern Arm gefühlt habt und alle euch unterworfene

       oder mit euch verbündete Städte ringsumher in Trümmern liegen, ihr selbst aber nach vieljähriger

       Belagerung in mannigfaltige Not geraten seid, liegt ein glücklicher Ausgang unseres Streites immer

       noch in eurer Hand, ihr Trojaner! Gebet uns heraus, was ihr uns geraubt habt, und auf der Stelle

       brechen wir unsre Lagerhütten ab, steigen zu Schiffe, lichten die Anker und verlassen mit der

       furchtbaren Flotte, die euch so vielen Schaden getan hat, euren Strand für immer. Auch kommen wir

       nicht mit leeren Händen. Wir bringen eurem Könige einen Schatz, der ihm lieber sein sollte als die

       Fremde, die eure Stadt zu seinem und eurem eigenen Fluche beherbergen muß. Wir bringen ihm den

       Knaben Polydoros, sein jüngstes und geliebtestes Kind, den unser Held Ajax in Thrakien dem Könige

       Polymnestor entrissen hat und der hier gebunden vor euch steht und von eurem und eures Königes,

       seines Vaters, Entschlusse, seine Freiheit und sein Leben erwartet. Gebt ihr uns Helena heraus und

       liefert ihr sie heute noch in unsere Hände, so wird der Knabe seiner Fesseln ledig und bleibt im Hause

       seines Vaters. Wird uns Helena verweigert, so gehe eure Stadt zugrunde, und vorher noch wird euer

       König sehen müssen, was er für sein Leben nicht sehen möchte!«

       Ein tiefes Stillschweigen herrschte in der ihn umringenden Versammlung des trojanischen Volkes, als

       Odysseus aufgehört hatte zu sprechen. Endlich ergriff der weise und bejahrte Antenor das Wort und

       sprach: »Liebe Griechen und einst meine Gäste! Alles, was ihr uns saget, wissen wir selbst und

       müssen in unserm Herzen euch recht geben; auch fehlt uns der Wille, die Sache zu bessern, nicht,

       wohl aber die Gewalt. Wir leben in einem Staate, in welchem der Befehl des Königes alles gilt; ihm

       sich zu widersetzen, erlaubt die Verfassung unsers Reiches, der Glaube, den wir von den Vätern

       ererbt, und das Gewissen des Volkes keinem von uns. Wir dürfen in allen öffentlichen

       Angelegenheiten nur alsdann sprechen, wenn der König uns zu Rate zieht; und wenn wir gesprochen

       haben, so behält er noch immer freie Hand, zu tun, was er will; damit du aber erfahrest, was die

       Meinung der Besten im Volke über eure Angelegenheit ist, so werden sich die Ältesten unseres

       Volkes versammeln und vor euch ihre Meinung abgeben. Dies ist, was uns zu tun übrigbleibt und

       unser König selbst uns nicht verweigern kann.«

       Und


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