Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig Bechstein
Читать онлайн книгу.mag immerhin sein eigen sein, mein bleibt
doch der Platz, wo er quillt. Aber St. Gangolf ließ
sich einen kleinen hölzernen Brunnenkasten machen,
füllte den mit Wasser aus dem Brunnen, trug ihn eigenhändig
auf die Milseburg, stellte dort den Kasten
hin und durchstieß mit seinem Stabe den Boden.
Siehe, da quoll das Wasser fort und fort von unten
herauf in den Kasten, daß dieser überfloß, der Brunnen
des Bürgers drunten in Fulda aber versiegte. Der
Gangolfsbrunnen aber quillt noch unversiegbar fort
bis auf den heutigen Tag, sein Wasser, wohl ver-
stopft, soll sich jahrelang frisch erhalten, auch die
sondere Tugend haben, für Frauen ein Kindleinsbrunnen
werden zu können.
140. Die Isabellenfarbe
Es geschahe, daß die Spanier die Stadt Ostende belagerten,
welches aber die Holländer auf das allerhartnäckigste
verteidigten. Wenn jene auch ein Außenwerk
einnahmen, so warfen die Belagerten alsbald ein
neues Bollwerk auf. Isabella, die Gemahlin des Erzherzogs
Albert von Österreich, eine Infantin von Spanien,
die bei ihrem Gemahl im Lager war und kriegslustigen
Gemütes, tat einen Schwur und sagte: Ich
will nicht eher mein Hemde wechseln, bis daß Ostende
über und von uns genommen ist, und meinte, es
würde eine längste Zeit sein, wenn sie das Hemde
acht Tage ungewechselt auf dem Leibe trüge. Aber so
schnell ging es nicht, die Belagerung dauerte etwas
länger; siebenzigtausend Spanier ließen vor Ostende
das Leben, funfzigtausend Leben kostete die Verteidigung
den Staatengeneralen von Holland. Ostende
wurde darüber fast ein Steinhaufen, und Isabella blieb
ihrem Schwur getreu und trug das Hemde fort und
fort. Als die Belagerung begann (22. Juni 1601), war
die Jahreszahl in den Worten enthalten: OstenDe
nobIs paCeM: zeige uns den Frieden – und als sie
endlich endete, nachdem sie nicht weniger als drei
Jahre, zwei Monate und siebenzehn Tage gewährt, da
konnte man das Jahr in den Worten finden: Osten-
DaM paCIs InItIa: ich will euch zeigen des Friedens
Anfang.
Und da nun endlich die Frau Erzherzogin Isabella
ihr so lange getragenes Hemde auszog, so hatte das
ohne die Löcher, die hineingefallen waren, eine sehr
eigentümliche und unentschiedene Farbe, welche äußerst
in Mode kam und nach der Infantin benamt
wurde. Nie hat die Erfindung irgendeiner Farbe auf
der Welt so viel gekostet als die Isabellenfarbe.
141. Doktor Faust und sein Teufel Jost
Auch das Niederland hat seine eigne Sage vom weitberufenen
Doktor Faust. Selbiger war gar ein gelahrter
Mann und hatte seinen Wohnsitz auf dem Schlosse
Waerdenberg bei Bommel. Alldort laborierte und alchimisierte
er, suchte den Stein der Weisen und konnte
ihn nicht finden. Da dachte der Teufel, mit dem
Doktor sei wohl ein Fang zu tun, trat daher zu ihm
und sprach: Ohne mich wird dir nichts glücken, deine
Köcheleien, und was du braust und destillierst, das
alles taugt den Teufel nicht. Nimm mich zum Diener
an, so sollst du haben, was dein Herz begehrt, sieben
Jahre diene ich dir, und dann dienst du mir. Das war
dem Doktor Faust recht, daß ihm der Teufel dienen
wollte, denn er glaubte nicht an eine Ewigkeit und an
eine Strafe drüben, und verschrieb sich dem Teufel
mit seinem Blut. Und wie er das getan hatte, so war
nichts so schön auf der Welt, was Doktor Faust nicht
begehrt hätte; aus Paris mußten die besten Kleider
kommen, aus Amsterdam die besten Leckereien, aus
Harlem die schönsten und teuersten Tulpen, im Sommer
aß Faust Eis und im Winter süße Trauben, das
alles mußte der Teufel, sein Diener, der sich Jost
nannte, herbeischaffen, denn Faust hatte seine größte
Freude daran, den höllischen Knecht gehörig im
Trabe zu erhalten. Wenn Faust von Waerdenberg
nach Bommel fahren wollte, wozu er nicht länger Zeit
brauchte als nach Konstantinopel, als wohin er auch
zum öftern fuhr, so rief er seinen Teufel: Jost! Schlag
eine Brücke über die Schelde, und brich sie hinter mir
ab! Rasch! – Und in einem Augenblicke war die
Brücke da und auch da gewesen. Die Bommeler Straßen
hatten ein vorsündflutliches Pflaster, gerade wie
manche gute Stadt im lieben Thüringer- und im übrigen
Deutschland, da rief Faustus: Jost, pflastere
rasch, pflastere vor den Pferden her, und hinter dem
Wagen räume ab, ich kann die Bommeler nicht leiden
– sie können auch fernerweit im Drecke baden. –
In einem Keller zu Bommel hatten sie prächtiges
Bier aus Tiel, das schmeckte Faustum, und er bezechte
sich, und danach setzte er sich auf das Faß, wie er
dort zu Leipzig in Auerbachs Keller auch getan, und
Jost mußte das Faß samt Faustum aus dem Keller
schroten, während derselbe reitend daraufsaß, das
haben viele Gäste mit angesehen.
Da Faustus wahrnahm, daß der Teufel ihm nichts
zuliebe tat, sondern alles aus grimmem Haß, so ärgerte
er ihn, ließ ihm keinen Augenblick Ruhe, und wenn
der Teufel gedachte, es wäre genug getan, er wollte
nun auch ruhen und ausschnaufen, da war es weit gefehlt,
da säete sein schlimmer Herr einen Scheffel
Korn unter die Dornhecken, dann mußte Jost alles zu-
sammenlesen, da durfte kein Körnlein mangeln, oder
der Doktor schüttete einen Sack Mehl aus dem Fenster,
und Jost hatte es wieder aufzusammeln, daß ja
kein Stäublein fehle. Darüber wurde der arme Teufel
ganz mager, dünn und spinnebeinig, und er hatte es
dicksatt und sprach endlich zu Faust: Höre, mein werter
Doktor! Bei