Die Weltsicht einer ziemlich verrückten Puppenmacherin. Julianne Becker
Читать онлайн книгу.Erprobungs-Geist nun wie einen kleinen Hund vor, der eigentlich das Stöckchen holen sollte, aber nun unverrichteter Dinge zurück kam, und so sagte ich, sobald ich wieder über Schenken nachdachte, zu dem Feld:
"Ab, zurück, zu Elvira, versuche es erneut!"
Und scheuchte das Feld davon. Und als Test, ob das Feld gerade draußen rumlief und sich versuchte auf Elvira auszuwirken oder schon wieder zu mir zurückkam, legte ich mir zwei Polverones auf meinen Schreibtisch. Das war spanisches Weihnachtsgebäck ganz aus Mehl und Zucker, es zerfiel eigentlich meist schon, bevor es den Weg in den Mund schaffte und war wie große Bonbons verpackt. Und diese lagen ständig in meinem Blickfeld, und sollte ich Lust haben, sie zu essen, wollte ich erst den Hund zurück an seinen Auftrag schicken und dann vielleicht erst noch mal tief durchatmend über den Balkon laufen, bevor ich die Polverones vielleicht doch noch aß, denn Widerstand wäre ja Blödsinn, ein Feld musste sich ja auslaufen, und auch der Impuls zu essen war ja ein solches. Es fiel mir auch auf, dass diese Überlagerung vor allem abends nach mir griff, tagsüber war Elvira wohl mit sehr viel anderem beschäftigt. Und das war zufällig auch die Zeit, wenn ich Solitär spielte.
Welche Rolle spielten eigentlich die Gedanken und Gefühle bei diesem Elvira-Test? Ich war ja gewarnt worden: Wegen der Schwingungsunterschiede würde sich mein Elemental vielleicht nur auf mich selbst und überhaupt nicht auf Elvira auswirken können, und das, weil ich es mit ganz anderen Gefühlen und Gedanken geladen hatte, als die, die es in Elvira vorfand. So wie bei meinem Beispiel mit dem Schadenszauber von Klaus.
Waren dann die Gedanken, Gefühle und Drehbücher nichts anderes als die Türöffner – gleiche Schwingung zog sich an? St. Germain hatte über die Drehbücher gesprochen, die nicht mehr passten. Aber dabei handelte es sich doch nicht einfach um verstaubte Bücher, in ihnen waren alle beteiligten Gedanken und Gefühle ausdrücklich definiert.
Natürlich hatte ich es versucht, aber es fiel mir sehr schwer, noch ähnliche Gedanken und Gefühle zu erzeugen wie Elvira, denn die kritisierte und urteilte in einem fort und konnte so ganz viele Menschen auch nicht leiden.
Ich dagegen war ja mit Elvira in Frieden, wie mit jedem anderen auch, wünschte ihr nur Gutes und konnte sie ihr Leben leben lassen, nur eben weit weg von mir selber. Auch die Handkarden hatte ich eigentlich längst abgehakt. Und darum entschied ich, das Feld probeweise noch mit "nicht anders verdient" und "wurde ausgenutzt" nachzuladen. Aber das verschob ich auf die letzen Wochen des Experimentes, vorher wollte ich nur weiter beobachten. Drehbücher, das klang so harmlos und neutral. Dahinter verbargen sich wunderbare Filme bis hin zu Horrortrips mit all dem Zorn, Hass, der Angst, der Rührung, Liebe, Hoffnung, Erleichterung, eben alles. Auch mein erzeugtes Probe-Elemental war ein Drehbuch.
Zwei Geschenke
Nun, die Zeit verging und weder Handkarden noch Wolle lagen vor der Tür. Und ich hatte eine Routine entwickelt, die Gedanken von Helfen, Geben und Schenken sofort zu erkennen und zu verscheuchen und dachte nicht mehr weiter an das Experiment. Mit meiner Tochter hatte ich bei deren Besuch noch einige Male über meine Erfahrungen rund um Elvira gesprochen, ein paar Dinge mehr verstanden und einige heftige emotionale Ladungen ausgedampft, und nun war es gut. Dann tauchte eine Störung meines Rückzugs ganz unerwartet und von neuer Seite auf und erwischte mich frontal:
Meine Vermieterin kam gleich an drei Tagen hintereinander, brachte jede Menge Futter für die Tiere mit und machte sich stundenlang mit Putz- und Pflegearbeiten auf dem Balkon breit. Ich wurde sie einfach nicht los und kam innerlich völlig durcheinander, denn natürlich absorbierte ich wieder und wusste, das würde nun tagelang durchlaufen und mich auch nach dem Besuch noch ganz lange am Schreiben hindern.
Zum dritten und unabwendbaren Besuch, denn zwei Sittichjunge mussten einfach gerettet werden, da war nichts zu machen, hatte ich dann resigniert und ohne Widerstand auch noch die Mutter der Vermieterin mit eingeladen, und das auch, weil gerade mein Geburtstagskuchen aus Zucker und Mehl aus Deutschland angekommen war, den meine eigene Mutter mir sogar auf die Kanaren nachschickte, obwohl ich ihr ein paar Wochen vorher in einem Telefonat ausführlich beschrieben hatte, wie schmerzhaft der letzte Zuckerentzug für mich gewesen sei und dass ich nun wirklich keinen Zucker und auch kein Mehl mehr essen wolle.
Aber schon ein paar Tage vor dem Besuch meiner Vermieterin war ich zucker-rückfällig gewordenen und aß nun ergeben mit der Mutter meiner Vermieterin den Geburtstagskuchen. Sie nahm gottseidank auch die Reste mit und interessierte sich außerdem sehr für meinen Espressoautomaten. Ich wusste sofort, ich sollte dieser netten, älteren Dame mein Gerät schenken, denn Kaffee schmeckte mir längst auch nicht mehr. So verabschiedete ich am Ende erleichtert meine Vermieterin und deren Mutter mit Espressomaschine und den Kuchenresten. Und das letzte Stück Geburtstagskuchen brachte ich zu meinem Gemüsehändler und machte dem damit eine Freude.
Aber erst, nachdem noch drei Tage Zeugs bei mir durchgelaufen war, ich verwirrt und körperlich leidend bewegungsunfähig herumlag und in dieser Zeit natürlich auch nicht am Buch weiter schreiben konnte, erinnerte ich mich plötzlich an mein gefilztes Paket und ich verstand - endlich!
Ich holte den nadelgespickten Würfel hervor, der nun nicht mehr gebraucht wurde, und freute mich: Mein Probe-Elemental hatte gute Arbeit geleistet. Denn plötzlich erkannte ich: Da es Elvira nicht erreichen konnte, schickte es eben die Einzigen vorbei, die ich noch in die Wohnung lassen musste: Die Post und meine Vermieterin, und letztere überbrachte (neben dem Zeugs, das ich mir innerlich durch die Begegnung einfing und durchlaufen lassen musste, ganz viel Futter und putzte den Balkon und brachte den Müll weg. Meine eigene Mutter dagegen schickte den Kuchen und ich verschenkte auch noch die Kaffeemaschine. So viel Bringen und Schicken und Schenken!
Und es gab genau zwei echte Geschenke: Den Geburtstagskuchen und die Espressomaschine. Und auch das war interessant: Das Elemental verstand nicht meine konkreten Angaben zu Dingen wie Handkarden, Wolle und Tür, es orientierte sich nur an der Aktion, an der Tätigkeit. Na klar, es wurde erschaffen, um zu wirken, und Tun beschrieb man mit Verben. Und es orientierte sich dann außerdem noch an den Gefühlen, die in mir gerade vorlagen, als ich meine Absicht formulierte, denn so wie ich meine Inselbekanntschaft Elvira einfach weiter liebte und mit ihr in Frieden war, gab es eben auch Menschen, die mit mir ganz genau so in Frieden waren, denn meine Mama liebte ihre Tochter und wollte mir eine Freude machen, und die Vermieterin und deren Mutter waren ganz glücklich, dass ich mich so gut um die Tiere und den kleinen Garten kümmerte.
Bei diesem Bringen und Schicken und Schenken waren also auch die gleichen Gefühle beteiligt wie die, in denen es erschaffen wurde, mein Elemental war also absolut fleißig gewesen und hatte sich genau an mein Bewusstsein gehalten, das konnte man nicht anders sagen. Und hatte mich da kalt erwischt, wo ich es am wenigsten erwartet hatte. Und als ich das nach Tagen sehr berührt erkannte, bedankte ich mich sehr bei meinem hilfreichen Geist für seinen guten Dienst, dann zog ich die Nadeln aus dem Filzwürfel und gab ihn der Natur zurück, sprich, ich warf ihn in hohem Bogen in den Barranco. So machten das die Inselspanier übrigens mit ganz vielen Sachen. Ob die sich auch jedes Mal damit bei ihrem Elemental bedankten?
Und etwas in meinem Innern entspannte sich zusehends, war ich doch eigentlich auch froh, dass dieses Experiment ein Ende fand. Welch eine Schnapsidee! Mir eine solche Störung zu erschaffen, während ich sonst alle Störungen weit von mir hielt! Und ich entwickelte wieder Geduld und Zuckerfreiheit und Gedanken zum Buch. Ich hatte einfach auch keine Lust mehr, anderer Leute Aura zu quetschen und zu verdrehen. Und ich wollte selbst auch nicht, dass man über mich nachdachte oder gar etwas von mir wollte, so wie in meinem eigenen Bewusstseinsaltertum.
In dem alten Bewusstsein, und ich war immer noch unbewusst oder für die Dauer jeder Überlagerung dazu verführt, da wieder hinein zu rutschen, hätte ich keinen Zusammenhang mit meinen eigenen Gedanken erkannt.
Dann wäre meine eigene Mutter mir zum Beispiel nur ignorant und unmöglich vorgekommen und je nach Schwingungshöhe sogar böse oder ignorant, und ich hätte allen Grund gefunden sehr sauer auf sie zu sein. Und ich hätte mich in Zukunft viel mehr vor ihr schützen müssen. Durch meinen Kopf spukten dann auch tatsächlich noch solche Szenarien, wie ich mich bei meinem nächsten Besuch bei den Eltern vor Zucker und Mehl schützen würde.