Im Gang der Menschheit. Helmut Lauschke

Читать онлайн книгу.

Im Gang der Menschheit - Helmut Lauschke


Скачать книгу
Tisch. Wo bleibt die Erleuchtung, dass ich das Läuten versteh?

      [weiter im Selbstgespräch]

      Rat, du Rat, du törichter Rat, wo auf dem Berg ist der Grat, auf dem du gehen kannst, um den Geist der Erleuchtung zu sehn?

      Habe gelernt, bin doch studiert, wie meine Vorväter es waren; mühe mich nach Kräften ab, die Dinge im Wirken zu verstehn.

      Nun steh ich da mit meinem Wissen und kriege die Erleuchtung nicht; vor hohen Stapeln bleib ich sitzen, verflucht, wo ist das Licht?

      Berge sind geschrieben und gedruckt, viel rote Tinte ist geflossen; ich warte, dass es mich durchzuckt, im Mühen steh ich unverdrossen.

      Habe gelesen , Blätter und Hefte korrigiert, war mit dem Stift ganz ungeniert. Hat mich die Bildung denn verlassen, war es ein Gang durch dunkle Gassen?

      Die Frage stellt sich immer klarer, je dicker meine Brillengläser sind.

      Bei all dem Roten und dem Toten mit den Lagen aus Muff und Staub, ich warte auf den klopfenden Boten, doch hör ihn nicht. Bin ich denn taub?

      Witzbold.

      Stühle, Stühle! Wo sind die Gefühle? Gebrechlich auf den Beinen, verdrillt, verknotet an den Leinen, nicht anders ist’s bei denen, die sich drücken in die Lehnen.

      Wo alter Staub geschichtet liegt, noch aus Urväters Zeiten wiegt, Sinn mit Unsinn sich vermischt, als stünde Zukunft vor Gericht, sitzt und grübelt wie ein Tropf der Alte überm leeren Suppentopf.

      Klopf, Topf! Topf, klopf! Der weise Kopf mit grauem Schopf blickt trübe durch das Fenster, er sieht wohl schon Gespenster.

      Was ist das für ein Getriebe, in dem der Sand laut knirscht; immens ist das Stuhlgeschiebe, wenn der Lehrrat durch die Klasse pirscht.

      Nun geht er im Zimmer auf und ab, wartet, dass die Himmelskräfte kommen durchs offene Fenster bis zum Tisch, an den er sich setzt wie halb benommen.

      Das Klopfen gegen die verschlagene Tür, er hört es nicht, fern tragen ihn Gedanken, hoch schwebend über altem Staub beginnt das Schwanken, sind die Ohren taub.

      Lehrer.

      Was soll ich mit den Stößen von Papieren, soll ich bis ans Lebensende korrigieren, rumsortieren, ausprobieren, ob sich so das Richtige finden lässt.

      Wenn über Fehlern rote Tinte nässt, nichts anderes ist als ein Stagnieren, wenn ich wissend auf dem Trocknen sitze und mich blutleer schwitze?

      Das macht mein Leben trist und fad, besser wäre mir der andere Rat mit dem Leben und der frischen Tat, mit dem Wandern durch die Wiesen, mit dem Blick auf Berges Riesen, mit dem Windrad einer Mühle, mit allem ohne Tisch und Stühle.

      Himmelherrschaftszeiten! Schluss muss sein mit all den Wissenspleiten, die zum Leben doch nicht taugen als zum Zwicken blinder Hühneraugen.

      Der Begriff, dass ich nichts weiß flimmert vor mir glühend heiß; es ist der Topf, der auf dem Feuer steht, an den, weil ohne Henkel, keiner geht.

      Soll ich’s anders nun probieren mit der Zunge mehr als mit Studieren, damit ich den Geschmack become, der bislang mir ausgeblieben ist.

      Herr Simonis junior.

      Wär’s ein Schauspiel , ich wünschte mir ein größeres herbei, ein Spiel aus den Quellen jungen Lebens, wo es ausbricht, flutet, strömt, die Knospe sprosst, die Blüte duftet.

      Am Lauf des Flusses sollt er stehn, statt der Hefte eine rote Rose sehn; hier in der Enge bleibt’s vergebens, wo der verstaubte, vollgepackte Tisch mit alten, abgesessenen Stühlen steht, auf denen schon die Väter saßen und im Eifer des Korrigierens das Leben vergaßen.

      Zeitgeist – ein oft unbequemer Gast

      [Sprechstück für zwei Stimmen: Gelehrter, vor einem vollen Bücherregal stehend; Zeitgeist unsichtbar]

      Gelehrter.

      Habe gedacht und gelernt und wieder gedacht, das Lachen ist mir dabei längst vergangen beim Streben nach Wissen und dem Verlangen, vom Gelernten hab ich nur wenig verstanden.

      So stand ich Tage, Wochen, Jahre im Raum, im Zimmer der Bücher und zum Studieren, griff eins nach dem andern zum Philosophieren und brachte es nur bis nächsten Apfelbaum, von dem einst Eva die Weisheit pflückte und mit dem Pflückgut den Adam betörte.

      Ich hob mein Ohr weit hinaus und hörte, wie aus dem Apfel brach ein winzig Stück; ich sah das Stück auf dem Boden liegen und sah die schwarzen Wissensfliegen, die über dem Stück flogen, sich darauf setzten und sich im Sitzen an ihm ergötzten.

      Sie stahlen mir die Weisheit vor den Augen weg, das störte sie nicht mehr als einen Punkt Dreck; so griff ich auf die Bücher zurück und las und studierte sie Stück für Stück.

      Da standen die Regale, sie reichten bis unters Dach, waren gestopft mit Wissen aller Art; sicher hatte manches einen alten Bart, so saß ich mir die linke, dann die rechte Backe flach.

      Was rauskam beim emsigen Bücherlesen, ich las mir meine Augen wund, oft wurde es mir schwindelig, ja kunterbunt, da kam dann zwischendurch der Besen, um die Schnipsel vom Boden wegzufegen, um meine Bücher aufgeschlagen draufzulegen.

      Ich studierte mir den Steiß noch krümmer und wurde, wie ich war, noch dümmer, dass ich ans offne Fenster ging, wo mich die Morgenluft umfing, aus der ich frischen Atem nahm, bis der Wagen mit dem Milchmann kam.

      So ist Bücherlesen gut und schön, bei mir brachte es wenig oder nichts, es führte zur Abnahme des Gewichts, o Weisheit, könnt ich dich nur sehn!

      Ich sah sie nicht und sah sie niemals, betete sie herbei so vielmals; doch kam sie nicht und nicht zu mir, es kam die Frage Mensch ob Tier.

      So stecke ich jahrein, jahraus in dem Zimmer, diesem schmalen Loch und wünschte mir, ich wär ein Koch, kochte herbei einen leckeren Schmaus.

      Zeitgeist.

      Was willst du, du gelehrtes Haus, studierst dir das Gesäß noch wund, dabei ist die Welt doch groß und rund, und du versteckst dich wie ’ne Maus zwischen Büchern und Regalen, schlürfst auf und ab in den Sandalen.

      hat dich das Wissensfieber so ergriffen, dass es die Spatzen vom Fenster pfiffen? Versteif dich nicht so sehr aufs Wissen, das nicht frei ist von groben Rissen; lies dir die Dinge anders in den Sinn, dass sie dir bringen den Gewinn.

      Gelehrter.

      Was sprichst du von den Rissen, ich studiere mit Andacht und Gewissen, wie’s kommt, was ist und werden soll, du siehst, meine Regale sind büchervoll.

      Doch, das will ich nicht verneinen, was mir fehlt, ist die Dinge zu vereinen, dass sie nicht tot am Buchstaben kleben und sich aus den gelesenen Seiten erheben, damit Leben kommt und Leben wird, das in der vollen Einheit sichtbar wirkt.

      Zeitgeist.

      Wie stellst du’s an, das zu erreichen, wenn dir nicht vorher die Denkzellen erweichen mit denen du das Ziel erreichen willst und den Wissensdurst dir selber stillst?

      Ich denke anders von den Dingen, Hirnwindungen solltest du nicht wringen; Wissen sollte dir mehr Freude bringen, mit Gewalt lässt sich nichts erzwingen.

      Nimm’s Studieren doch mehr locker, nicht den ganzen Tag sitz auf dem Hocker; lass dir den Wind frisch um die Nase wehn, dann wirst du, wonach du suchst, schon sehn.

      Gelehrter.

      Zeig’s mir genauer mit deinem Zeichen, Wissen mit mehr Freude zu erreichen, dass ich dir den Glauben geben kann und nicht in der Luft rumschwebe dann, wenn ich mich kurz vor dem Ziele seh und doch wieder vor dem Elend steh, dass das Gewusste aus der Hand zerrinnt und alles, wie so oft, von vorn beginnt.

      Denn so leicht ist das Lernen nicht, oft geht’s aus beim Lesen das Licht, dann bricht Dunkelheit


Скачать книгу