Im Gang der Menschheit. Helmut Lauschke
Читать онлайн книгу.Das ist, was ich meine, dass Dunkelheit dein Denkgewebe verknüllt und dein Innerstes verdreht, verhüllt, dass du ein andrer bist und nicht der deine.
Löse dich vom Tisch mit den alten Büchern, wirf um den Hals helle Farben in neuen Tüchern, beweg dich leicht und frei und ohne Leine, wirf über Bord die angeschlagenen Wissenssteine.
Geh aus dem Zimmer, aus dir raus, sieh von draußen nach dem Haus, in dem du jahrelang gegrübelt und gesessen, nun ist’s Zeit, um andere Weiten durchzumessen.
Gelehrter.
Was sprichst du von anderen Weiten, zu andren Weiten gehören andre Zeiten!
Zeitgeist.
Das sagst du gerade recht wie der Baumhacker, jener bunte Specht, wenn er hämmernd an die Stämme klopft und sich die Würmer in den Schnabel stopft.
Was ich sagen will mit diesem Specht, auch du hast am Leben dein Recht, es aus vollen Zügen zu genießen, dich zu freun, wenn die Blumen sprießen, denn ein Leben geht nicht ewig, drum bleib nicht einsam und nicht ledig.
Wenn’s dir recht ist und dir’s passt, werd ich dir ein Mädchen schicken, dass du lernst, dich zu entzücken, dich im größeren Kreis die Schöpfung fasst.
Gelehrter.
Nun bringst du mich doch in Verlegenheit, denn mir fehlte die Gelegenheit, und was ich hörte aus der Damenwelt, waren Status, Wohlstand und das liebe Geld.
Dafür hab ich weder Sinn, noch das Talent, lauf eher zu Fuß bis nach Tarent, als mich auf ein Frauenzimmer einzulassen und mich dieser Wollust anzupassen.
Zeitgeist.
Du bist in deinem Kopf verbrettert, die Wahnidee, die sich windet, in dir klettert, führt zu nichts als einem öden Trauerspiel, davon gibt es in der Welt schon allzuviel, als dass auch du den Weg in die Wüste gehen solltest, anstatt das Leben zu genießen, wie du es wolltest. Merk dir eins: ohne Wollen keine Lust, deshalb nimm dir das Mädchen an die Brust.
Gelehrter.
Hast du mir andres nicht zu sagen als das mit dem Wollen nach der Lust, wo schon das Denken drüber führt zum Frust; es war ein Fehler, dich zu fragen, weil du Hergereister in den Tagen nichts andres im Sinn zu haben scheinst.
Was du dir da zusammenreimst, sind Dinge, die nicht in den Alltag passen, in dem die Bettler und die leeren Kassen sich wie Zwillinge gegenüberstehn; die einen gaffen, die andren öden, ein Anblick triste zum Verblöden. Da willst du mit dem Wollen kommen, wenn es um Lust und Mädchen geht?
Ich sag dir, hier weht noch der alte Geist, unreif ist die Zeit mit ihren Menschen, die sich rackern und sich mühen , da ist nichts mit Blumenblühen.
Dir rat ich deshalb zu Geduld, gib nicht mir allein die Schuld für das, was ich nicht verhindern kann; warte nur, denn irgendwann sollt der Mensch sich ändern, wenn sich nicht mehr rot die Augen rändern.
Zeitgeist.
Das mit den Augenrändern wird so bleiben, solange Menschen sind und sich beneiden; tiefer wird der Sand der Trauer reiben, solange Menschen in die Haut des andern schneiden.
Darum bin ich dieser Zeit vorausgeeilt, um den zu retten, der sich retten lässt, bevor der Schwerthieb die Kugel zerschlägt, was weder Mensch noch Tier erträgt.
So überdenk nochmal das Angebot aus dem vielen Wissen um die Seelennot, dich ins Sein der Freude zu begleiten, was sich mit Schwertern nicht erstreiten lässt.
Gelehrter.
Sieh mich an, wie erbärmlich ich vor dir steh mit schlotternden Knien und eingefallenen Wangen, sieh, wie die Finger das Tremolo zittern, es reißen die Gurte, es brechen die Stangen, unaufhaltsam klopft das Bangen, dass ich vorgealtert der Zeit nicht widersteh.
Denn dahin sind Jugend und Kraft, die mit neuen Ideen die Lösung schafft, die unverbraucht im festem Stand zurückgewinnt, was verloren ging.
Nein, Großes traue ich mir nicht mehr zu, ich fühle das Ende mit der langen Ruh; mögen große Kräfte auf und nieder steigen, die Zeit der goldenen Eimer ist vorbei.
Zeitgeist.
Dann will ich hier nicht länger bleiben, denn auch meine Zeit ist nicht von ewig; wenn du dich besinnst, du kannst mich rufen, dann siehst du mich auf deinen Stufen.
So grüss ich dich aus meiner Zeit…
Gelehrter.
Die meiner weit vorausgegangen ist.
Zeitgeist.
Denk nach, was dir das Wissen bringt, versuche und versuch es wieder, ob’s gelingt mit dem Wissen die Welt zu bewegen; wenn ja, dann bring ich dir den Applaus aus meiner Zeit dazu.
Gelehrter.
Manchen Geist hab ich herbeigezogen, es waren Geister dieser Erde; in Gedanken hab ich sie verwoben im Hinblick auf das ständig Werde.
Ob ich für die Menschen was bewirke, es ist die Hoffnung, ohne es zu wissen; denn weiter gehen Gedanken ihre eigenen Wege mitunter weit über das Meer hinaus.
Einige kehren von dort nicht mehr zurück, doch andere überleben. Sicher hätte es mehr sein können, nur dafür ist das Leben meist zu kurz und dann noch dicht und eng gerafft.
Die falsche Nonne
Nonne.
Entschuldigen Sie die frühe Störung, ich komme vom Orden der guten Frau, im Himmel ist es golden blau, so spricht das Nachtgebet der Erhörung.
Rein sind da oben die Seelen geläutert von Sünd und Schwere, wenn auf Erden die Querelen vom Vollen laufen hin zum Leeren.
Wie gesagt, es ist die frühe Morgenführung, der ich betend folge, ich hab den Klang im Ohr aus dem tausendfachen Engelschor, die nenn ich göttlich, diese Fühlung.
So führt mich mein früher Weg hierher, der mich an diese Türe klopfen last, erleuchtet vom heiligen Geist und mehr steh ich halb frierend, ganz durchnässt.
Alter Mann.
Fürwahr, eine Nonne hab ich nicht erwartet zu dieser späten Schlafenszeit, noch ist’s dunkel ohne alle Herrlichkeit, aus dem Schlaf gerissen bin ich, fehl gestartet.
Ich seh das Besondere dieser Tür nicht ein, an die sie laut und lange klopfen; kann es nicht eher ein Irrtum sein, ein Ding mit X, ein Sack zum Stopfen?
Dann mit weißer Haube ohne Überzug, was wollen Sie bei mir mit all den Sachen, durchnässt heisst vielmehr Feuer machen; ist das Ganze nicht ein heiliger Betrug?
Ich meine, wie sie klappern, weil sie frieren, kann es nicht eine verlassene Straßenecke sein, dass sie so, wie sie frieren, der Weg soll führen in ein trocknes Haus mit einem Wärmestein?
Nonne.
Ich sagte es, es war das Nachtgebet in der Kapelle zum Orden der guten Frau, kniete nieder auf der Bank und da genau sprach der Geist mir zu: So geht.
Geht im Glauben, führt Gutes im Schilde, seht nach den Brüchigen und den Alten; verbreitet Güte, Freude und Milde, wirkt, wo ihr seid, das Gute zu gestalten.
Alter Mann.
Der Gedanke kommt von der Straßenecke nicht los, sollte ich’s der weißen Haube wegen bloß? Dann kommt das irdisch Nasse noch dazu und mit ihm der Zweifel, doch nicht die Ruh.
Dennoch, kommen sie rein zu später Stunde, damit sich trocknet und wärmt die nasse Haut; sie nicht weiter frieren bis zur Wunde, wärmen sie sich, bis der Morgen graut.
Nonne.
Gelobt seist du, der Herr, o Jesus