Im Gang der Menschheit. Helmut Lauschke

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Im Gang der Menschheit - Helmut Lauschke


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Der alte Mann führte die “Nonne” in den geheizten Wohnraum, bot ihr die Couch zum Liegen an, zeigte ihr das Badezimmer, wo sie sich erfrischen könne, und brachte aus dem Schlafzimmer ein frisches Handtuch, ein frisch überzogenes Kopfkissen und eine Decke und legte die Sachen auf die Couch.

      Alter Mann.

      Du weiß behaubte Frau der späten Nacht, noch hat Dunkelheit über den Tag die Macht; wasch dir das Gesicht und deine Hände, ruhe dann im Raum der warmen Wände.

      Ich werde noch ein paar Stunden ruhn, bis der Tag vor dem Fenster sich erhebt, sich mit ihm die Hoffnung neu belebt, dann will ich meine neue Arbeit tun.

      Nonne.

      Alter Mann, dir zu Dank bin ich verpflichtet, nach den Taten wirst auch du gerichtet; dein Gutes wird dir tausendfach vergütet, das im Licht der Herrlichkeit erstrahlt.

      Dein Tun, mit dem du nicht geprahlt, es wird dir mit großer Seligkeit bezahlt, wenn du vor der großen Pforte stehst, hindurchtrittst, bis zum Höchsten gehst.

      Alter Mann.

      Die Zeit wird’s bringen wie sie ist, wir sollten ehrlich und bescheiden sein, uns nicht besser machen wollen bloß zum Schein, denn das sind wir Menschen alle nicht.

      Gib nun Ruhe, der Tag wird’s bringen mit seinen Sorgen, mit dem Ringen, wenn wir zahlen für unser täglich Brot, staunend stehen vor dem Leben mit dem Tod.

      [Der Tag war angebrochen. Der alte Mann hatte sich den Morgenrock angezogen, ging die Treppe runter zum Wohnraum und fand die Couch leer. Die Wolldecke war sauber zusammengelegt. Auf dem Kopfkissen lag ein Briefumschlag. Der alte Mann zog den Brief heraus und las.]

      “Lieber, alter Mann!

      Ich danke Dir für deine Güte, dass ich mich in deinem Wohnraum wärmen konnte. Wenn es nur die Straßenecke gewesen wäre, hätte ich das Problem allein gelöst.

      Mit deiner Vermutung hattest Du recht, als Du von der Nässe und dem Zweifel sprachst. Ich bin keine Nonne, auch mit der weißen Haube nicht, was ich bin, Du wirst es schwerlich glauben, ich bin eine Frau, die der Mann verstoßen hat.

      Dass ich im vierten Monat schwanger bin, das hat diesen Mann nicht abgehalten, mich zu schlagen und aus dem Haus zu jagen, um mit einer anderen Frau zu schlafen.

      Hätte ich nicht bei Dir Zuflucht und Wärme gefunden, wäre ich möglicherweise auf der Straße erfroren; doch das wollte ich meinem Kind nicht antun.

      Ob wir uns noch einmal begegnen werden, ich weiß es nicht, das steht in den Sternen, denn ich muss nach einer neuen Bleibe suchen, muss um das tägliche Brot hart ringen, damit mein Kind nicht schon im Leib verhungert.

      So bete ich in der Kapelle der guten Frau, dass sie mir beisteht in den Nöten und sie den Hunger nicht zu schmerzhaft werden last, dass sie mir die Mutterkraft gibt, mein Kind lebend zu gebären.

      Deine gute Tat wird Dir tausendfach vergolten werden.

      Es grüßt Dich in großer Dankbarkeit die falsche Nonne.”

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