Curriculum Prothetik. Jörg R. Strub
Читать онлайн книгу.Prozessen und manuellen Abschnitten. Das Ausarbeiten der Klammerprothese, die Feinaufpassung, die Politur und die Auf- und Fertigstellung mit Ersatzzähnen und rosafarbenen Kunststoff sind weiterhin konventionelle Arbeitsschritte. Die möglichen Kombinationen von Verfahren müssen individuell nach ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen sowie möglichen Risiken für den Patienten beurteilt werden. Ist das Design im CAD-Programm abgeschlossen, stehen drei unterschiedliche Möglichkeiten zur Umsetzung der 3D-Daten in eine Prothese zur Verfügung:
Die virtuelle Modellation wird subtraktiv aus Materialrohlingen herausgefräst. Hierbei steht der Gebrauch von alternativen neuen Werkstoffen gegenüber den bewährten CoCrMo-Legierungen im Vordergrund. Der Einsatz von CoCrMo-Legierungen ist im Fräsverfahren ebenfalls technisch möglich.
3D-Umsetzung der virtuellen Modellation mittels selektivem Laserschmelz-Prozesses (engl. Selective Laser Melting, SLM) aus CoCrMo-Legierungspulver (vgl. Kap. 25.3.1.4).
3D-Umsetzung der virtuellen Modellation in eine ausbrennbare Gussvorlage (subtraktiv mittels Frästechnik oder additiv mittels 3D-Drucktechnik) und spätere Umsetzung in eine CoCrMo-Legierung in konventioneller Gusstechnik.
Während aus werkstoffkundlicher Sicht eine Klammerprothese auf Basis einer maschinell hergestellten Gussvorlage mit der aus dem konventionellen Vorgehen vergleichbar ist, sind mittels-SLM-Verfahren hergestellte Klammerprothesen als eine grundlegend neue Lösung zu bewerten. Insbesondere die Elastizität der Legierung und das Federverhalten der Klammer müssen durch ein geeignetes Legierungsgefüge dauerhaft sichergestellt sein. Dies gilt auch für gefräste Klammerprothesen aus neuen alternativen Werkstoffen wie Polyetheretherketon (PEEK) oder Polyetherketonketon (PEKK) (Tannous et al. 2012). Es darf zu keinem Ermüdungsbruch der Klammer bzw. der kleinen- oder großen Verbinder kommen. Bei der SLM-Herstellungstechnik steht eine Bewertung der klinischen Bewährung noch aus. Bisher wird nur in einzelnen Kasuistiken über das Vorgehen und erste positive klinische Ergebnisse berichtet (Setz und Klar 2019).
Bei der Gerüstanprobe werden folgende Punkte überprüft:
Einsetzbarkeit des Gerüstes
richtige Endlage der okklusalen Auflagen und Klammerschultern
in der Endlage spalt- und spannungsfreier Sitz der Klammerarme (Patienten befragen, ob er ein starkes Spannungsgefühl verspürt)
im Unterkiefer: Lage des Lingualbügels; im Oberkiefer: Lage und Passung des großen Verbinders (Spaltfreiheit; Überprüfung mit Fließsilikon (Fit-Checker, GC, D-München; Xantopren VL, Kulzer, D-Hanau)
ausreichende Retention
parodontalfreundliche Gestaltung der kleinen Verbinder
keine statischen oder dynamischen Okklusionskontakte auf Klammeranteilen
Ausmaß der ästhetischen Einbußen aufgrund sichtbarer Klammeranteile
im Sattelbereich scharfkantiger Übergang zum späteren Kunststoffteil
34.12 Labor/Klinik: Kompressionsabformung bei vorhandenen Freiendsätteln (Altered-Cast-Technik)
Bei Kennedy-Klasse I und II empfiehlt sich die Durchführung einer speziellen (Kompressions- oder Sekundär-)Abformung der Sättel (sog. Altered-Cast-Abformung; [„altered cast“: angepasstes Modell]). Dem vermehrten Arbeitsaufwand steht dabei eine bessere Passung der gingivagetragenen Prothesenteile gegenüber (Graber 1992, Marinello 1987, Salenbauch und Langner 2017).
Dabei wird wie folgt vorgegangen:
Auf dem Meistermodell legen Zahnarzt oder Zahntechniker die wahrscheinliche Ausdehnung der Prothesensättel fest. In diesem Bereich werden die Gerüstretentionen mit einer Kunststoffbasis aus lichthärtendem Löffelmaterial versehen. Die Randbereiche dieser Kunststoffbasis werden wie ein individueller Abformlöffel gestaltet. Dieser Schritt kann bereits mit dem Gerüst vor der Einprobe vorbereitet werden und es wird eine Kompressionsabformung mit den Sätteln durchgeführt. Dieses Vorgehen bietet sich besonders dann an, wenn nach der Erstabformung noch Unsicherheiten bezüglich der Sattelausdehnung bestehen.
Anschließend erfolgt die Entfernung der Gipsanteile der Freiendsättel am Meistermodell. Es muss sichergestellt sein, dass eine Reponierung des Gerüsts mit der neuen Kompressionsabformung auf dem Modell möglich ist.
Am Patienten erfolgen bei der Kompressionsabformung eine Kerr-RandGestaltung und schließlich eine (Sekundär-)Abformung mit Silikonen (Coltex fine [niedrig viskös] im Ober-, Coltex medium [höher viskös] im Unterkiefer [Coltène, CH-Altstätten]) oder Zinkoxid-Eugenol-Paste (niedrigviskös im Oberkiefer: Kelly-Paste, Ubert, D-Berlin; höherviskös im Unterkiefer: SS-White, Ubert). Wichtig ist dabei, dass das Gerüst exakt platziert ist und dass der ausgeübte Druck auf die Auflagen und nicht auf den oder die Freiendsättel gerichtet wird.
Nach der Sekundärabformung wird das reduzierte Meistermodell der neuen Situation angepasst. Der Zahntechniker setzt die Abformung auf das Meistermodell zurück und bringt mit Ausnahme des dorsalen Bereichs zirkulär eine Wachsmanschette um den Sattelbereich an. Nun werden von dorsal her die Sättel mit Gips unterfüttert. Um einen guten Verbund des Gipses mit dem Restmodell zu erreichen, werden Retentionskerben angelegt und das Modell wird vor dem Unterfüttern gewässert. Nachdem Abbinden des ergänzten Gipses werden Wachsmanschette und Gerüst mit Abformung entfernt. Ergebnis der Prozedur ist das sog. Altered-Cast-Modell, ein angepasstes, geändertes Sekundärmodell, das die Freiendsättel in leicht komprimiertem Zustand optimal wiedergibt. Die bereits im Vorfeld hergestellte und einprobierte Zahnaufstellung in Wachs kann nun auf das Gerüst übertragen werden. Wurde dieser Schritt bisher übersprungen, folgt die Zahnaufstellung in Wachs.
34.13 Klinik/Patient: Gesamteinprobe der Modellgussprothese
Nach Aufstellung der Zähne in Wachs wird diese am Patienten anprobiert (Überprüfung von statischer und dynamischer Okklusion, Ästhetik, Phonetik). Das Okklusionskonzept (Front- bzw. reine Eckzahnführung, bei unbezahntem Gegenkiefer [Totalprothese] sequentielle Führung [Gruppenführung] oder eine bilateral balancierte Okklusion) werden hierbei überprüft. Gemeinsam mit dem Patienten werden ästhetische Aspekte betrachtet, eine Sprechprobe und ggf. letzte Korrekturen durchgeführt.
34.14 Labor: Fertigstellung der Modellgussprothese
Diesem Schritt schließt sich die Fertigstellung der Prothese an. Insbesondere muss auf einen glatten Übergang zwischen Metall und Kunststoff geachtet werden. Um einen spaltfreien Verbund in diesem Übergangsbereich zu erreichen, sollte ein mechano-chemisches Verbundsystem (z. B. Silikatisierung/Silanisierung oder spezielle Metallprimer) eingesetzt werden (vgl. Kap. 29.3). Die Retentionsgitter werden mit rosafarbenem Opaker farblich abgedeckt. Die Fertigstellung in Kunststoff kann mit Hilfe der Vorwalltechnik und Autopolymerisat erfolgen. Es ist darauf zu achten, dass untersichgehende Bereiche vor dem Anfließenlassen des flüssigen Kunststoffs in den Vorwall mit Wachs ausgeblockt werden. Dadurch wird verhindert, dass die Modellzähne beim Abheben des ausgehärteten Kunststoffs abbrechen und dass ein Einschub der fertiggestellten Prothese im Mund ermöglicht wird. Der Zugang für Hygieneinstrumente darf ebenfalls nicht durch den Kunststoff behindert werden. Die Arbeit wird am Patienten anprobiert, wobei die korrekte Endlage der Gerüstteile und der Klammern, die Passung, ein spannungsfreier Sitz, ausreichende Retention, parodontalfreundliche Gestaltung der Gerüstelemente,