Aus den Tiefen des Tages und der Geschichte. Helmut Lauschke

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Aus den Tiefen des Tages und der Geschichte - Helmut Lauschke


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      um die Bürde der politischen Verantwortungslast

      nach unten und zu den Seiten selbstbewusst-angeberisch zu demonstrieren.

      Die oberen Genossen sind die Genießer

      am Funktionärstisch des Sozialismus

      mit all den >übersozialistischen< Vorrechten der Nomenklatura.

      Tisch und Tafelrunde haben sich

      vom Volk mit seinen Mängeln und Nöten weit genug abgehoben,

      dass die Berührungsängste der Funktionäre vor dem Mann auf der Straße

      seit langem grundlos geworden sind.

      Der Staatskuchen, vom Volk mühsam erarbeitet und gebacken,

      wird von den Funktionären zum größten Teil vertilgt.

      Die Aufteilung ist also ungleich,

      hat mit dem theoretischen Sozialismus nichts,

      mit dem praktizierten Sozialismus dagegen alles zu tun.

      Es ist der Bärenhunger der Mächtigen und ihrer Wächter, der zuerst zu stillen ist.

      Allen gehört alles,

      aber dem Einzelnen gehört nichts.

      Die Habe des Volkseigentums wird vom ZK verwaltet.

      Dabei soll die Arbeitsmoral gehoben werden,

      denn Arbeitslosigkeit kennt der Sozialismus nicht.

      “Lieber Genosse Brigadeleiter, dann leck mich doch am Arsch!”

      Es sind Worte, die beim ständigen Anziehen der Leistungsschraube fielen

      unter den beschissenen Arbeitsbedingungen

      und der miesen Bezahlung.

      Für den Otto-Normalverbraucher war das Leben im Sozialismus

      so teuer geworden,

      dass die Frau mitarbeiten musste,

      damit mehr auf den Tisch

      und über die leerhängenden Kleiderbügel kam.

      Vom Luxus war keine Rede.

      Den leisteten sich nur die Funktionäre oben am Tisch der Macht.

      Diese machten von ihren selbstgenehmigten Privilegien den vollen Gebrauch.

      Wie die Väter so die Söhne,

      und der ausgehöhlte Sozialismus verrottete.

      Bald trockneten die Absichtsblätter an den Spruchleinen aus.

      Nicht, dass die Menschen, die nach gerechter Gleichheit verlangten,

      den Sozialismus von vornherein ablehnten.

      Was sie, wenn auch sehr verspätet, ablehnten,

      war der Alltag unter dem unersättlichen Moloch

      mit den Worten >Sozialismus für alle< auf der Stirn.

      Braunkohle und das Zeitungspapier.

      Die Nachkriegsepoche der Kälte und des großen Hungers,

      der Rüben- und Kartoffelnachlese,

      des Beeren-, Pilze-, und Holzsammelns,

      des allgemeinen Organisierens und der Würstchenklauerei.

      Es war einmal,

      wie es davor auch schon einige Male gewesen war.

      Es war kalt, und die Mägen knurrten so laut,

      dass man nicht unbemerkt blieb

      und der Bettnachbar nicht einschlafen konnte.

      Das Magendonnern röhrte kriegerisch durch die Nacht,

      dass am Morgen der Schlafmangel haften blieb.

      “Es war ja ein schweres Artilleriegefecht”,

      meinte der Nachbar mit den geröteten Augen

      im blassen Gesicht und den eingefallenen Wangen.

      “Nur fehlten die zuckenden Blitze,

      und das Unwetter wäre komplett gewesen.”

      Gelesen wurde nicht in Büchern,

      sondern auf abgeernteten Feldern.

      Eingesammelt wurde alles,

      was herumlag, ob Rüben,

      Kartoffeln und anderes Koch- und Essbare,

      ob Reisig oder weggebrochenes Ast- und Wurzelholz.

      Brom-, Preisel- und andere Beeren,

      Brennnesselblätter und Löwenzahn.

      Es wurde gepflückt und gesammelt,

      womit die Mägen gefüllt werden konnten.

      Braunkohle, später waren es Briketts,

      wurde von Lastern, die mit dem Holzvergaser bergauf stotterten, runtergeholt, auf die Straße geworfen, eingesackt und auf Leiterwagen und improvisierten Fahrrädern

      heimgefahren, um die Kachelöfen anzuheizen.

      Braunkohle wurde in Zeitungspapier eingewickelt

      und unter dem Arm zu Freunden getragen,

      wenn das Zimmer für den Abend angewärmt sein sollte.

      Die Versuchung war groß,

      Roggenbrötchen und Würstchen von der Theke zu nehmen,

      wenn die Verkäuferin, die oft die Geschäftsfrau selber war,

      mit dem Abschneiden der Brot- und Fleischmarken

      oder dem Wechseln des ersten Nachkriegsgeldes

      mit einer anderen Kundin beschäftigt war.

      Mundpropaganda hinter vorgehaltener Hand

      und Mundraub mit weniger vorgehaltener Hand

      gesellten sich früh zur tristen Nachkriegskultur.

      Wer überleben wollte, musste was dafür tun.

      Gebratene Tauben flogen nicht in die Münder,

      dafür war die Zeit nicht mundgerecht.

      Im späteren Leben gab es keine Phase,

      die so elementar und lehrreich war

      wie die Zeit der Nachlese und eingewickelten Braunkohle.

      Da muss Wasser sein,

      wenn es Enten gibt.

      Da muss noch mehr sein,

      wenn es in Strömen gießt.

      Der Sturm hat sich gelegt,

      da paddelt ein ganzer Verband friedlich einher.

      Die Schnäbel gehen auf und zu

      und lassen das Wasser einlaufen,

      das sie in sachten Wellen weiterträgt.

      Vorbei geht’s an nassen Wiesen

      in einen Morgen,

      über dem sich die Wolken zu lichten beginnen.

      Es wäre ein Lichtblick im neuen Tag,

      wenn das friedliche Einher

      in die Häuser und Etagen käme,

      dass


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