Siedend heiß. Rudi Kost

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Siedend heiß - Rudi Kost


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vermieden. Über die Sahnehauben hinweg taxierten wir uns gegenseitig. Es gab Klärungsbedarf, das spürten wir beide. Aber keiner wusste so recht, wie anfangen.

      Es war Karin, die das Schweigen brach. »Bist du schon lange mit Susan zusammen?«

      »Ein paar Wochen.«

      »Ist es was Ernstes?«

      Es klang wie beiläufig. Rein freundschaftliches Interesse ohne Hintergedanken? Oder ein Ausloten der Lage?

      Es wäre ganz einfach gewesen. Ein Ja oder ein Nein hätte genügt.

      Aber Dillinger, der feige Hund, drückte sich. Wollte alles offenlassen. Auf mehreren Hochzeiten tanzen. Sich nicht festlegen. Alle Eisen im Feuer behalten.

      Mist, ich merkte das selber und sagte trotzdem vage: »Das versuchen wir noch herauszufinden.« Das war nicht mal gelogen. Aber nichts war geklärt. »Und du?«

      Sie zuckte mit den Schultern. »Der eine geht, der andere kommt. Und manchmal kommt lange keiner.«

      »Kann ich mir nur schwer vorstellen, bei einer Frau wie dir.«

      »Mit der Zeit wird man etwas anspruchsvoller«, seufzte sie. »Vor allem, wenn man diesen Grundsatz zwischendurch aus lauter Verzweiflung mal wieder vergisst.«

      Wir zogen noch eine Weile schwitzend durch die Stadt, dann war es Zeit, Tante Olga vom Bahnhof abzuholen. Sie hätte ja auch ein Taxi nehmen können, aber das war ihr natürlich zu teuer.

      ***

      Ein Traktor mit Anhänger, der altersschwach durch die Stadt tuckerte, bremste mich aus. Tante Olga wartete schon vor dem Bahnhof in Hessental. Wer konnte auch damit rechnen, dass ein Zug einmal pünktlich ankam.

      »Herrschaft aber auch! Wie kannscht du bloß eine alte Frau so lang in dere Hitz warte lasse«, schimpfte Tante Olga in ihrem besten Honoratiorenschwäbisch. Ich schaute auf die Bahnhofsuhr. Gerade mal zwei Minuten zu spät.

      Tante Olgas Sommerkostüm musste etwa so alt sein wie ich. Als sparsame Schwäbin trug sie ihre Sachen auf, bis sie auseinanderfielen. Auf ihrem schlohweißen Haar saß ein kecker Strohhut. Die Sonnengläser ihrer Brille hatte sie hochgeklappt.

      Tantchen wirkte zart, zerbrechlich und liebenswürdig. Der Eindruck täuschte. Tantchen war achtundsiebzig, hatte eine offenbar nie ermüdende Energie und Haare auf den Zähnen. Ziemlich viele Haare. Sie war es gewohnt, ihren Willen durchzusetzen, da war sie nicht anders als Karin.

      »Und wie siehst du überhaupt aus? Wie ein Papagei! Hättest dir ruhig was Anständiges anziehen können, wenn ich dich schon einmal besuche. Können wir jetzt endlich gehen?«

      Ungeduldig stieß sie mit ihrem Stockschirm auf den Boden.

      Ich machte die Damen miteinander bekannt. Tantchen musterte Karin eingehend. Ihr Blick blieb auf Karins Oberteil hängen.

      »Ist das deine neue Freundin?«, fragte Tante Olga.

      »Nein, Tantchen, nur eine alte Bekannte.«

      »So?«, meinte Tantchen spitz. »Dafür zeigt sie aber viel Busen.«

      Ich verdrehte die Augen, Karin lachte.

      »Wird auch Zeit, dass du heiratest.«

      »Diesen Ausrutscher habe ich hinter mir.«

      »Dann probierst du es eben noch einmal mit einer Frau, die besser zu dir passt. Ihr jungen Leut habt ja offenbar kein Problem damit, andauernd zu heiraten. Von wegen Bund fürs Leben!«

      Mit verkniffener Miene schaute sie immer noch Karin an. Karin setzte ihr gewinnendstes Lächeln auf. Ein bisschen davon schenkte sie auch mir. Mir kribbelte es im Bauch. Tante Olgas Augen wanderten zwischen Karin und mir hin und her. Plötzlich strahlte sie.

      »Dieter, die könnte was sein für dich.«

      »Tantchen, wir sind nur Freunde!«

      »Papperlapapp! Ich bin doch nicht von gestern. Ich hab Augen im Kopf.«

      Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst. Tante Olga nahm kein Blatt vor den Mund, das hatte ich fast vergessen.

      »Die ist spitz wie Nachbars Lumpi«, flüsterte sie mir vernehmlich zu.

      Karin prustete los, was Tante Olga nicht im Mindesten beeindruckte.

      Ich bugsierte sie ins Auto. Für Karin wurde es etwas eng auf dem Rücksitz. Tante Olga drehte sich zu ihr hin, so gut es ging.

      »Dieses Auto müssen Sie ihm als Erstes ausreden. Das ist viel zu teuer. Außerdem fahren nur impotente alte Männer einen Porsche. Er ist doch nicht impotent, oder?«

      »Tante Olga!«, ermahnte ich sie.

      »Hätte ja sein können. Das soll auch bei jungen Männern vorkommen, habe ich gehört.«

      »Außerdem, liebe Tante, auch Frauen fahren Porsche. Zum Beispiel Gaby Hauptmann.«

      »So?« Das brachte Tante Olgas Weltbild etwas durcheinander. Aber nur kurzzeitig. »Und überhaupt kann man diese Sardinenbüchse nicht als Auto bezeichnen.«

      Ich muss mich nicht rechtfertigen dafür, dass ich einen zitronengelben Porsche fahre, nein, überhaupt nicht. Ich liebe dieses Auto, und ich schmelze jedes Mal dahin, wenn es mich mit seinen großen runden Augen treuherzig anschaut. So viel Seele kann keine Frau in ihren Blick legen.

      Tante Olga gab noch keine Ruhe.

      »Tut es nicht auch ein bescheidenerer Wagen? Ein Daimler vielleicht? Du musst ja nicht jedem zeigen, wie viel du verdienst.«

      Ja klar, ein richtiger Schwabe zieht Schonbezüge über seine Ledersitze, sonst könnte man auf den Gedanken kommen, er sei verschwendungssüchtig. Außerdem schont es das Leder. Aber wir waren hier ja nicht in Schwaben, sondern in Hohenlohe, »Schwäbisch« Hall zum Trotz.

      »Wissen Sie, junge Frau, unser Dieter geht viel zu locker mit seinem Geld um. Er braucht eine Frau, die ihr Sach’ zusammenhält, wenn er mal mein Vermögen erbt.«

      Ja, damit hatte sie schon öfter gedroht. Ich sollte ihr Alleinerbe werden, allerdings war daran eine Bedingung geknüpft: Ich musste bei ihrem Tod verheiratet sein. Ich hatte noch nicht entschieden, ob das Erbe diesen Preis wert war, zumal ich keine Ahnung hatte, wie viel es überhaupt war. Ich hatte mich noch nicht getraut, danach zu fragen, und ehrlich gesagt interessierte es mich auch nicht sonderlich.

      Karin hatte solche Hemmungen nicht.

      »Wie viel erbt er denn mal, unser Dieter?«, fragte sie.

      »Dieter, pass auf!«, rief Tante Olga. »Die Frau ist nur hinter deinem Geld her!«

      »Nein, Tantchen«, sagte ich entnervt, »Karin ist weder hinter mir noch hinter meinem Geld her. Und hinter deinem schon gar nicht.«

      Etwas an ihrem Ton machte mich stutzig. Ich schaute zu ihr hinüber, und in der Tat bemerkte ich ein spitzbübisches Lächeln. Ich war ihr auf den Leim gegangen.

      Tante Olga versuchte, sich erneut nach Karin umzudrehen, was in den Sitzen meines Porsches etwas mühselig war.

      »Sie gefallen mir. Sie sind direkt. Ich glaube, Sie sind die Richtige für ihn, Katrin.«

      »Karin«, verbesserte ich.

      »Weiß ich doch. Oder glaubst du, ich bin nicht mehr richtig im Oberstübchen? Aber Katrin passt besser zu ihr.«

      Himmel, hilf, was stand mir in den nächsten drei Tagen bevor!

      ***

      Kaum hatten wir meine Wohnung in der Gelbinger Gasse betreten, monierte Tante Olga eine himmelschreiende Unordnung. Ihr zuliebe hätte ich wenigstens aufräumen können, meinte sie. Hatte ich auch. Ich fand schon nichts mehr. Unsere Ansichten über Ordnung gingen etwas auseinander. Generationenkonflikt.

      Tante Olga trippelte durch die Zimmer und nahm sie mit Argusaugen unter die Lupe.

      »Hast du keine Putzfrau?«


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