Amsterdam. Uwe Hammer

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Amsterdam - Uwe Hammer


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wachte er in seinem realen Leben auf. Orientierungslos schaute er sich um.

      Nein er lag nicht in einem Zelt unter einer Eiche oder Buche oder was auch immer für einen verdammten Baum, nein er lag in diesem schmucklosen Krankenzimmer und betrachtet das Kreuz, das direkt gegenüber seinem Bett an der Wand befestigt war. Lange starrte er vor sich hin und versuchte seine Gedanken zu sortieren. Erst jetzt erinnerte es sich daran, dass er genau diese Vision, allerdings lag er in dieser unter einer Linde, da war er sich ziemlich sicher, direkt nach seinen Fahrradunfall schon einmal hatte. Dieter war sichtlich verwirrt, er konnte das Erlebte nicht einordnen, versuchte dem Ganzen einen Sinn zuzuordnen, was ihm aber nicht gelang. Also beschloss er, dass es einfach nur Unsinn war, ein Traum und sonst nichts. Ein Seltsamer zwar, aber eben doch nur ein Traum. Dennoch spürte er, dass ihn dieser Traum mit einer nie gekannten Zufriedenheit, ja fast könnte er von einem Glücksgefühl sprechen, erfüllte. Immer noch starrte Dieter unbewusst das Kreuz an der Wand gegenüber an, ohne es wirklich wahrzunehmen.

      „Jesus ist für Dich am Kreuz gestorben, aber er ist auch für Dich auferstanden“, riss ihn eine freundlich klingende Stimme aus seinen Gedanken.

      Dieter zuckte etwas zusammen als er völlig unerwartet eine Stimme hörte.

      „Oh entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken, mir ist nur aufgefallen, dass Sie das Kreuz so intensiv ansehen. Ich bin Schwester Margot und wollte nur kurz nach ihnen sehen“, erklang erneut die freundliche Stimme.

      Als Dieter sein Gesichtsfeld nach dem Ausgangspunkt des soeben Gehörten ausrichtet, blickt er unversehens in das freundliche Gesicht einer jungen Frau. Sie war nicht wirklich eine Schönheit und wird sicher niemals auf dem Titelblatt einer Zeitschrift zu sehen sein, die sowieso niemand liest. Dennoch verschlug ihm ihr Anblick kurzfristig die Sprache. Es war eine besondere Art von Lebensfreude eine tiefe Zufriedenheit mit sich und der Welt, die von ihr ausging, die ihm aus ihren Augen entgegen strahlte, die ihn in ihren Bann zog, und die sie auf ihre Art doch zu einer Schönheit machte.

      Eine Schönheit die eine Kamera nicht einzufangen vermochte, die nur in der Realität existierte, die man nur erkannte, wenn man in ihrer Nähe war und die sie wie eine Aura umgab. Wenn er an Engel glauben würde, dann wäre er wohl heute Einem begegnet. Dieter musst sich zwingen sie nicht anzustarren, er versuchte zwanghaft irgendetwas zu sagen, aber es fiel ihm nichts ein, dass es wert gewesen wäre einem Engel mitzuteilen. Und so kam es eher trotzig aus ihm heraus: „Ich habe nicht auf das Kreuz gestarrt. Es ist mir gar nicht aufgefallen, dass hier überhaupt eins hängt“. Gab es in einem jetzt fast verlegenen Ton von sich. Der eigentlich nicht existierende Engel sah ihn nur mit einem Lächeln welches die Freundlichkeit der ganzen Welt in sich zu vereinigen schien an. „Versuchen sie noch ein wenig zu Schlafen ich schaue später nochmal nach ihnen“ Dann verließ er das Zimmer. Dieter hatte das Gefühl, dass er etwas von seiner Aura zurückgelassen hatte, etwas dass ihn in eine innerer Unruhe versetze, dass ihn unweigerlich dazu zwang seine eigenes Leben reflektieren zu müssen. Lebensfreude war etwas das Dieter nicht kannte.

      Klar gab es Augenblick in denen es sich wohlfühlte, die er als schön empfand, die er manchmal sogar genießen konnte Aber eine wirkliche Freude zu empfinden einfach nur weil man lebte, eine Freude auf den nächsten Tag, obwohl das nur ein ganz gewöhnlicher Tag sein wird, war Dieter fremd. Nicht dass er unglücklich wäre. Nein das konnte man nun auch nicht sagen. Wenn er so recht überlegte, hatte er eigentlich überhaupt keine Gefühle bezüglich seiner Lebenssituation, die er im Stande gewesen wäre einzuordnen. Er lebte einfach so vor sich hin. Sein Leben hatte weder Höhepunkte noch Tiefpunkte. Es war weder heiß noch kalt, es war einfach lauwarm und hatte allenfalls kältere oder wärmer Strömungen, wie man sie vom Baden in einem See kannte. Sein Leben war eben sein Leben basta.

      Vor einiger Zeit hatte ihn Matthias einmal gefragt, was ihn an seinem Leben eigentlich gefiel und Dieter musste erschreckt feststellen, dass ihm nichts einfiel, nichts dass er aufführen konnte, weder spontan noch nach reiflicher Überlegung. Ausgerechnet Matthias stellte so bescheuerte Fragen dachte Dieter bei sich, der den ganzen Tag in seiner Werkstatt hängt und an irgendwelchen alten Autos herumbastelt, der nicht einmal verheiratet war, der so weit Dieter wusste auch niemals eine Beziehung zu einer Frau hatte, was wusste der schon vom Leben, ein Eremit, gefangen in einer Werkstatt umgeben von alten vor sich hin rostenden Autos.

      Und dennoch dachte Dieter bei sich, wenn es auch schwer vorstellbar war, Matthias machte eigentlich einen ausgeglichenen Eindruck, vielleicht war er sogar zufrieden so wie sein Leben war, vielleicht wollte er es genauso haben. Er hatte sein Dasein als Eremit selbst gewählt und schien sich damit arrangiert zu haben. Ob er wirklich glücklich damit war wusste Dieter nicht, genau genommen war er nicht einmal sicher ob er wusste was glücklich sein war. Gesprochen hatte er bisher mit Matthias nie über dessen Gefühle, über das was in ihn vorging. Er kannte Matthias schon so lange und wusste im Grunde nichts von ihm.

      Endlich erbarmte sich erneut der Schlaf und riss ihn aus seinen deprimierenden Gedanken. Lebensfreunde konnte so deprimierenden sein, vor allem wenn es die Lebensfreude anderer ist. Die raue Stimme seiner Beinahe-Freundin Schwester Sylvia riss ihn aus einem unruhigen Schlaf. Sie hatte endgültig die ihr eigene Robustheit wiedererlangt und die Vorkommnisse des gestrigen Abends wohl unbeschadet überstanden.

      „So Herr Frei, wie geht es uns denn heute?“

      „Wie es ihnen geht weiß ich nicht, mir geht es soweit ganz gut“, antwortete Dieter mit einem Grinsen auf dem Gesicht ob seines seiner Meinung nach recht gelungen Scherzes, insbesondere wenn man bedenkt, dass er gerade erst die Augen geöffnet hat.

      Schwester Sylvia teile die Begeisterung über seinen Scherz nicht und zog es vor, nicht näher darauf einzugehen. Stattdessen knallte Sie ihm das Tablett mit seinem Frühstück auf den neben dem Bett stehenden Tisch.

      „Ich nehme an sie können zum Essen aufstehen.“

      Ohne ein weiteres Wort, drehte sie sich um und verließ das Zimmer. Dieter musste an seine Begegnung am gestrigen Abend denken. War es möglich, dass sein Engel gar nicht existierte und gestern Abend auch Schwester Sylvia in sein Zimmer kam, um nach ihm zu sehen? Nein so sehr kann er nicht neben der Spur gewesen sein. Dieter stand auf und setze sich an den kleinen schmucklosen Tisch auf dem das Tablett mit seinem Frühstück stand, das aus zwei äußerst dünn geschnittenen Scheiben Brot bestand, die wohl nur so dünn geschnitten werden konnten da das Brot aufgrund seines bereits fortgeschrittenen Alters die erforderliche Schnittfestigkeit aufwies.

      Dazu wurde eine Scheibe Käse, und eine Scheibe Wurst gereicht, die ebenfalls eine erstaunliche Filigranität aufwiesen. Für Süßfrühstücker wurde noch ein kleines Schälchen Marmelade genau genommen Erdbeermarmelade dazugelegt. Der ebenfalls im Umfang des opulenten Frühstücks enthaltene Kaffee schaffte es geschickt, seine wahre Existenz zu verbergen und überließ es der Phantasie des Konsumenten einzuordnen um welche Art Heißgetränk es sich tatsächlich handelte.

      Der Anblick seines Frühstückes ließ in Dieter die Gewissheit reifen, dass die allgemeine Finanznot der Krankenkassen nicht durch die Verpflegung der Krankenhauspatienten verursacht wurde. Dieter nippte vorsichtig an der mit Heißgetränk gefüllten Tasse und war zumindest darüber erfreut, dass das servierte Getränk tatsächlich die Temperatur eines Kaffees aufwies, wobei sich hiermit die Übereinstimmungen mit einem ihn an Kaffee erinnerndes Getränk auch bereits erschöpft hatte, wie er nach dem ersten vorsichtigen Schluck angewidert feststellte. In diesem Augenblick betrat seine Frau Claudette bewusst, ohne anzuklopfen das Zimmer.

      „Was hast Du denn da?“ rief sie erschrocken aus, als sie das Tablett vor Dieter erblickte.

      „Soll wohl ein Frühstück sein“, gab Dieter zurück.

      „Das sehe ich auch, ich bin ja nicht blöd“

      „Ich dachte nur weil Du gefragt hast wäre es höflich zu antworten. Im Übrigen geht es mir ganz gut, nur um die Antwort auf deine zweite Frage vorweg zu nehmen“

      Claudette war indes mit weitaus wichtigeren Dingen befasst wie das Wohlergehen ihres Mannes

      „Das hat bestimmt Schwester Sylvia gebracht“, äußerte Claudette ihren Verdacht mit einem fast schon hasserfüllten Unterton. „Richtig“ „Das macht


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