Leben unter fremder Flagge. Thomas GAST

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Leben unter fremder Flagge - Thomas GAST


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versagt haben. Und man meint, die Legion würde im Verborgenen stets ihr eigenes Süppchen garen. Nun, all das ist falsch, zumindest zum größten Teil. Der Legionär ist und war als Soldat immer Teil der regulären Armee Frankreichs. Den Ruf, ein Söldner zu sein, verdankt er den Menschen, die das eben gerne so sehen möchten. Und das verdankt er auch der Tatsache, dass er hauptsächlich fernab des europäischen Festlandes eingesetzt wurde. Dort also, wo niemand ihm über die Schulter blicken, man nur spekulieren konnte, was er denn so trieb. Sein Wirken und Handeln sah man de facto nie, also war es per se schlecht. Je weiter weg von den Medien und vom „Vieille Europe“, vom alten Europa, umso besser war es für ihn. Söldner (namentliche Beispiele könnte ich ein Dutzend aufzählen) haben alle eines gemeinsam. Sie sind unmenschlich und brutal. Diese scheußlichen Attribute sind nicht die von professionellen Kämpfern. Ihnen fehlt jegliche Disziplin, die letztendlich einen guten Soldaten ausmacht. Verherrlicht und bewundert werden solche Männer von uns Legionären jedenfalls nicht. Im Gegenteil! Es gab und gibt zu viele angebliche Söldner, die in der Legion nie auch nur fähig gewesen wären, einen Trupp zum Reinigen der Toiletten zu führen, weil ihnen selbst dazu die natürliche Autorität fehlte. Gewalt ist keine Autorität, sondern Schwäche! Generell darf man einen Söldner nicht mit einem Fremdenlegionär vergleichen. Ein Soldat (so auch der Legionär) ist ein professioneller Fachmann, dessen Metier technische, intellektuelle und körperliche Kompetenz erfordert. Und das auf vielschichtigen Ebenen. Es genügt nicht, sich einen Titel zu verpassen, aus dem Hinterhalt Menschen zu erschießen, sich jeden Abend zu betrinken und dann, mit der Waffe in der Hand, die Welt neu zu erfinden. Viele Söldner, streng genommen die Mehrheit von ihnen, können eindeutig in den Topf „extrem rechts“ oder „Rassist“ geworfen werden. Von beiden Faktoren, Inkompetenz und Rassismus, nehmen wir, die echten Fremdenlegionäre, mit Verlaub, ganz großen Abstand. Wir sind Profis und kein schießwütiger Haufen oder gar eine Horde wilder Outlaws. Eine eiserne Disziplin, Honneur und Fidélité, das alles gibt es bei den Söldnern nicht wirklich. Genau auf diesen drei Werten aber basiert die Stärke der Fremdenlegion. Ich fühlte mich nie als Söldner. Die Fremdenlegion ist Teil der französischen Streitkräfte, basta. Ob jemand das wahrhaben will oder nicht. Die feine Nuance ist: „Wir aber sind Legionäre … auch basta!“

      Anm. d. Verf.: Wie immer, so gibt es auch hier Ausnahmen. Persönlich kannte ich durchaus Söldner, die exzellente Soldaten, gute Kameraden und, was man nie vermuten würde, auch humane Krieger waren (sofern humane Krieger existieren). Das trifft fast zu hundert Prozent auf all diejenigen zu, die vorher in der Legion eine harte Schule nach dem Ehrenkodex, dem Code d'honneur du légionnaire, durchlaufen haben.

      Was die Homosexualität anbelangt, so ist sie mir in all den Jahren nie begegnet. Mit Sicherheit kann ich aber sagen, dass es, wenn überhaupt, nur Einzelfälle gab und dass die Legion vermutlich weniger mit diesem Phänomen kämpfen musste als andere Einheiten. Tatsächlich, und jetzt kommen diese Nuancen, von denen ich sprach, unterscheidet sich die Legion sehr von anderen Truppenteilen. Traditionen spielen hier eine enorme Rolle. Die Lieder, les Chants Légion, mal tief, schwer und süß wie die Sünde, mal sarkastisch, dann wieder herzerfrischend, meist immer mit einer zweiten oder auch dritten Stimme. Der bedächtige Gleichschritt, achtundachtzig Pas (Schritt) pro Minute. Le Code d’honneur du légionnaire, der Ehrenkodex (siehe Anhang). La Ceinture bleue (blauer Gürtel der Parade- und Wachuniform). „La Cravate verte“ (grüne Krawatte) und das Képi Blanc (das weiße Käppi). „La Grenade à sept flammes“ (Granate mit sieben Flammen, übernommen vom Vorgängerregiment, dem Regiment Hohenlohe), „Camerone“ (siehe Anhang) sowie unzählige andere Besonderheiten machen die Legion aus. Die Art und Weise, zu rekrutieren, ist einzigartig auf dieser Welt. Beeindruckend ist der unerschütterliche Zusammenhalt der Truppe, diese „Cohésion“, die den Unterschied ausmacht, wenn es hart auf hart kommt. Die Legion kommt nicht und setzt sich ins gemachte Nest, sie verändert. Sie verändert zum Besseren! Ich habe es nie anders gesehen oder anders getan, und wenn es nur das Weiß-Anmalen einiger Steine mitten in der Wüste war, das auch seinen Sinn und Zweck erfüllte. Das Gefühl, angekommen zu sein, Mitglied einer Familie sein zu dürfen. … Legio Patria Nostra … (aus dem Lateinischen: Die Legion ist unser Vaterland). Das waren und sind nicht nur Worte. Und schrieb man nicht schon allzu oft, … wenn ein Legionär stirbt, wen kümmert das schon? Es ist schon mehr als nur ein bisschen Wahrheit an all dem. L’amour du travail bien fait? Das beste Beispiel, das mir spontan in den Sinn kommt, ist Folgendes. Im Mai 1997 in Kongo Brazzaville sagte unser Regimentskommandeur vor allen Offizieren und Unteroffizieren des Regiments einen Satz, der mich wieder einmal beeindruckte und auch bestätigte – und das, obwohl er fast obszön klingt.

      „Wenn Paris entscheidet, dass wir (das 2. REP) in den Krieg ziehen, sind wir die verdammt besten Soldaten der Welt. Und wenn sie (die in Paris) entscheiden, dass wir sämtliche Scheißhäuser von Paris putzen sollen … sind wir die verdammt besten Scheißhausputzer der Welt, und danach gibt es keine Stadt auf diesem Planeten mehr, deren Scheißhäuser sauberer sind.“

      Was er damit zur Sprache bringen wollte, das dürfte klar sein. Es ist unwesentlich, mit welchen Aufgaben man Einheiten der Fremdenlegion konfrontiert (zwischen wichtig oder unwichtig sollen Andere entscheiden). Die Legion derweil wird immer an ihre Grenzen gehen, um diese Aufgaben par excellence zu erfüllen. Jedem der an sie herangetragenen Aufträge schenkt sie höchste Aufmerksamkeit, und sicherlich trägt das dazu bei, sie von anderen Einheiten grundsätzlich zu unterscheiden. Es gibt weder niedere Aufgaben noch unwichtige Aufträge!

       Warum schrieb ich dieses Buch?

      Ausschlaggebend für mich war die unbestechliche Logik meiner Frau. Wir unterhielten uns über die Fremdenlegion – was Seltenheitswert hatte – und ihr fiel auf, wie extrem ich alles Erlebte banalisierte. Und dann kam ihr Satz: „Was dir banal erscheint, ist für andere ohne Zweifel außergewöhnlich spannend!“ Diese Aussage beschäftigte mich und bewirkte, was ich rundweg ausgeschlossen, ja für unmöglich gehalten hatte. Der Wunsch, meine Erfahrungen und Erlebnisse niederzuschreiben, wuchs von Minute zu Minute. Das Resultat liegt vor Ihnen. Zum Abschluss dieses Vorwortes noch eine Angelegenheit, die mir persönlich sehr am Herzen liegt. Im Jahr 2006 stieß ich im Internet zufälligerweise auf einen Artikel, der von einem UN-Beobachter verfasst wurde. Darin empörte sich dieser Unwissende über sogenannte Killereinheiten wie, ich zitiere: die 82. Airborne-Division und die französische Fremdenlegion. Es ging in dem Artikel um Missbrauch, Korruption, Vergewaltigungen oder Misshandlungen der Schutzbefohlenen und sogar um deren willkürliche Tötung im Rahmen humanitärer Einsätze. Ich zitiere weiter:

      Wenn ein Einsatz nicht der Kriegführung, sondern der humanitären Hilfe dienen soll, dann darf man keine „Killereinheiten“ entsenden. Die französische Fremdenlegion oder die 82. Luftlandedivision der USA sind harte bis brutale Kampftruppen, die in humanitärem Kontext völlig fehl am Platz sind.

      Wie von selbst versteht es sich, dass ich diesen Mann sofort per Mail kontaktierte. Ich schrieb Folgendes: Guten Tag, Herr Unbekannt (wobei mir sein Name natürlich geläufig war). Ich bin durch Zufall auf folgende Zeilen gestoßen (Text s.o.), die, soviel ich weiß, von Ihrer Hand stammen. Wer so etwas Absurdes schreibt, brilliert nicht durch Wissen um das Thema. Oder er ist sehr schlecht informiert. Wahrscheinlich beides. Humanitäre Einsätze hatten wir, die Sie uns unwissend Killereinheiten nennen, oft, ein Auflisten halte ich an dieser Stelle für überflüssig. Jeder dieser Einsätze wurde brillant gemeistert. Bei all diesen Interventionen hat die Fremdenlegion zahlreiche Leben gerettet. Sie half Menschen, die in Nöten waren. Sie bot ihnen Obdach, Nahrung, Medikamente und Schutz, stellte sich bravourös, vorbildlich und uneigennützig in den Dienst aller Leidtragenden. Keine andere Eliteeinheit – und ich kenne sie alle – hätte diesen humanitären Aufgaben besser und gleichzeitig effizienter gerecht werden können. Nie werden Sie eine Einheit finden, die disziplinierter und mit einer größeren Portion Altruismus ihren jeweiligen Auftrag wahrnimmt als die Fremdenlegion. Egal ob der Einsatz der Kriegsführung dient oder ob es ein humanitärer Einsatz ist, für uns war es immer selbstverständlich, dass wir unser Leben aufs Spiel setzten. So oder so! Ich habe andere Einheiten gesehen, die Geld annahmen, von Menschen in Not. Ich sah Einheiten, die für horrende Preise Armeerationen an hungernde Menschen verkauften, um sich zu bereichern. Ich sah Einheiten, die ganz gerne vernunftwidrige Kollateralschäden von großem Ausmaß hinnahmen,


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