Kiss and Cook in Schottland. Tanja Neise

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Kiss and Cook in Schottland - Tanja Neise


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Dame vor ihr sprach schottischer als Schottisch. Sie rechnete es der Wirtin hoch an, dass diese sie nicht genauso kritisch musterte, sondern mit einem amüsierten Funkeln in den Augen begrüßte.

      »Guten Tag, mein Name ist Fiona Baduhn. Ich bin auf der Suche nach einem Zimmer.« Sie quälte sich ebenfalls ein Lächeln heraus, schließlich konnte die Frau nichts für ihr persönliches Unglück.

      »Na dann, willkommen im Hause Reid. Ein Zimmer ist noch frei, da haben Sie Glück gehabt. Kommen Sie herein.« Das war relativ. Fiona hätte lieber das Glück gehabt, einen Job zu haben, anstatt ein Zimmer in einer Pension. »Fiona, das ist ein irischer Name, aber ihrem Akzent nach zu urteilen, kommen Sie nicht aus Irland.« Die unausgesprochene Frage hing zwischen ihnen.

      »Ja, das stimmt. Ich glaube, meine Mutter hatte mal ein Buch von einem irischen Schriftsteller gelesen, in dem die Hauptperson Fiona hieß. Deshalb der Name und sie haben recht, ich komme aus Deutschland.« Sie hoffte inständig, dass die gute Frau nicht noch nach dem Grund fragen würde, der sie dazu gebracht hatte, nach Schottland zu kommen. Im Moment war sie einfach zu wütend und konnte niemanden davon erzählen. Das musste sie erstmal sacken lassen.

      Als Mrs Reid noch breiter lächelte, fing die Maske in ihrem Gesicht an zu bröckeln, was Fionas Laune schlagartig verbesserte und sie zum Kichern brachte. »Huch, da fällt mir doch tatsächlich dieses Zeugs von der Backe. Entschuldigen Sie bitte mein lädiertes Aussehen. Im Normalfall sehe ich so nicht aus.« Mit diesen Worten machte sie den Weg frei und Fiona betrat neugierig das Haus.

      »Das dachte ich mir schon, dass das nicht Ihr Ausgeh-Make-up ist«, scherzte Fiona mit der älteren Frau und zwinkerte ihr zu. Mrs Reid war ihr schon jetzt sympathisch.

      Das Haus wirkte ein wenig überladen - Plüsch, Samt, Bilder und Nippes waren an jedem freien Platz allgegenwärtig. Man wurde regelrecht von dem ganzen Kram erschlagen. Dicke, dunkle Teppiche dämpften sämtliche Geräusche ab und ein himmlischer Geruch nach Tee und Gebäck hing in der Luft.

      »Wie lange wollen Sie in unserem schönen Örtchen verweilen?«

      »Eigentlich wollte ich recht lange bleiben, aber leider scheint sich das mit meinem Job erledigt zu haben.« Fiona zuckte traurig mit der Schulter und merkte, wie müde sie war. Der Flug, die Aufregung und nun die kolossale Enttäuschung, das alles nagte an ihr.

      Mrs Reid riss ihre Augenbrauen nach oben, wodurch sich eine erneute Schicht ihrer Gesichtsmaske löste und in Fetzen herabhing. »Das ist ja schrecklich. Wo wollten Sie denn arbeiten? Entschuldigen Sie bitte, wenn ich so neugierig bin, aber in unserem Dorf spricht sich so etwas normalerweise immer schnell herum. Bisher hab ich noch nichts davon gehört, dass wir Zuwachs bekommen werden.« Mit spitzen Fingern zog sie einen Teil der Peel-Off-Maske von ihrem Gesicht und packte das Zeugs in ein Taschentuch. Irgendwie war das alles sehr skurril. Gab es hier eine versteckte Kamera?

      Fiona gähnte ausgiebig, völlig unbeabsichtigt, aber es rettete sie davor, Mrs Reid eine Antwort geben zu müssen. Der Stachel der Enttäuschung saß recht tief und mittlerweile ging sie fest davon aus, einem richtig bösen Streich zum Opfer gefallen zu sein. Das war nichts, was sie einer ihr unbekannten Frau so einfach auf die Nase binden wollte.

      »Oh, Sie sind müde. Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer, dann können Sie sich ein wenig ausruhen und frischmachen. Reden können wir heute Abend bei unserem Dorffest.« Das Klimpern der Schlüssel an dem fetten Schlüsselbund lenkte Fiona von der Frage nach dem Dorffest ab. Erleichtert bemerkte sie, dass sich das Zimmer ganz offensichtlich nicht im ersten Stock befand, denn sie liefen an der extrem steilen Treppe vorbei. Den schweren Koffer hätte sie niemals dort hinauf bekommen. »Wenn Sie möchten, bringe ich Ihnen ein Kännchen Tee, das belebt die müden Geister. In etwa einer Stunde?«

      »Das wäre sehr nett von Ihnen.« So könnte sie sich wirklich ein paar Minuten aufs Ohr hauen und danach schauen, wie sie aus diesem Kuhkaff wieder herauskam. Erst einmal Kräfte sammeln. Die Bäckersfrau Mrs Wilson musste sie einfach vergessen. Selbst wenn sie die Frau finden würde, die Bäckerei war geschlossen und der Job definitiv verloren. Es würde nichts ändern und ihr vermutlich nur einen ordentlichen Wutanfall bescheren.

      »So, da wären wir. Hinein in die gute Stube.« Mrs Reid trat zur Seite und Fiona ging staunend in den kleinen Raum, der vollständig mit weißem Holz verkleidet war. Ein behaglicher Ohrensessel vor einem Kamin und ein kleines Tischchen rundeten die Einrichtung ab. An den Fenstern hingen Gardinen mit Blümchenmuster und auf dem Bett lag eine Tagesdecke in demselben Stil. Die Decke war wiederum aus dem gleichen Stoff gemacht, wie die Kittelschürze von Mrs Reid. Den gab es hier im Ort wahrscheinlich günstig zu erwerben, im Keller lagerte die ältere Dame bestimmt einen Hundert-Meter-Ballen. Fiona musste grinsen, angesichts ihrer Gedanken, riss sich dann aber zusammen und sah sich weiter um.

      Eine echte Puppenstube, dachte sie. Einfach zuckersüß!

      »Vielen Dank Mrs Reid. Es ist wunderschön und ich werde mich hier sicherlich wohlfühlen.« Lächelnd drehte sich Fiona im Kreis, was der Wirtin ein Lachen entlockte.

      »Sehr schön, dann sind wir uns einig. Allerdings ist das Zimmer nur für zwei Nächte frei, danach erwarte ich ein Paar, das hier einen Zwischenstopp einlegt. Sie wissen schon, Flitterwochen.« Ihr unterdrücktes Kichern ließ in Fiona den Verdacht aufkeimen, dass Mrs Reid eventuell eine Miss Reid war und in Sachen Männern keine Erfahrung vorwies.

      »Keine Sorge, bis dahin bin ich wieder verschwunden. Spätestens morgen werde ich mit dem Bus in die nächste Großstadt fahren. Wohl oder übel muss ich mich dort nach einem neuen Job umsehen.«

      »Das werden wir sehen«, sagte die Wirtin ernst. Was meinte sie damit? Ändern könnte sie das Geschehene sowieso nicht. Die Bäckerei war und blieb vermutlich geschlossen. »Schätzchen, ruhen Sie sich erst mal ein wenig aus. Ich komme nachher mit dem Tee und wecke Sie.« Sie steckte den Schlüssel von innen in das Schlüsselloch und schloss dann die Tür.

      Stille. Es war so still in dem Haus. So etwas hatte Fiona noch nie wahrgenommen. Sie fühlte sich wie in Watte verpackt. Ganz bestimmt lag das an ihrer Erschöpfung, schließlich war sie seit Stunden unterwegs. Es kam ihr eher so vor, als wären es Tage. Und leider war ihre Reise hier an diesem ruhigen Ort noch nicht zu Ende. Vielen Dank, Mrs Wilson!

      Mit einem lauten Gähnen setzte Fiona sich auf die Bettkante, kickte die Chucks von ihren Füßen, legte sich hin und versank tief in den Daunenfederkissen. Es war himmlisch, fast so als würde man auf einer Wolke liegen und es roch so herrlich nach frisch gewaschener Wäsche. Draußen plätscherte der Regen gegen das Fenster und der Himmel war so dunkel, dass man meinen könnte, es wäre schon später Abend.

      Sie atmete tief aus, schloss die Augen und war schneller eingeschlafen, als sie wieder einatmen konnte.

      KAPITEL 4

      Adam

      Nachdem er das halbe Dorf durchquert hatte, stellte Adam fest, dass hier absoluter Totentanz herrschte. Wo waren nur alle? Im nächsten Moment fiel ihm ein, dass heute das Dorffest stattfinden würde. Er konnte sich gerade noch ein amüsiertes Schnauben verkneifen. Ein solches Fest hatte in diesem Dorf einen höheren Stellenwert als ein gesetzlicher Feiertag. Dementsprechend waren sämtliche Geschäfte geschlossen - die Anwohner bereiteten sich auf die große Party vor. Immer wieder entlockte ihm die Dorfgemeinschaft ein Lächeln, so auch jetzt. Es war schön, dazuzugehören, ein Teil des Ganzen zu sein. Aber das konnte dennoch anstrengend werden, da jeder von jedem alles wissen wollte.

      Okay, also kein Einkauf heute. Notgedrungen musste er sich wohl in den Tiefen der Gefriertruhe etwas Essbares suchen.

      »Komm Tyler, wir werden mal bei Mr Thompson nachfragen, ob er noch Hilfe benötigt.« Er bekam ein kurzes Bellen zur Antwort und schon lief Tyler in die Richtung, in der das Rathaus lag - schlaues Kerlchen. Mr Thompson war der Bürgermeister und Organisator des kleinen Festes, das so groß aufgezogen wurde, als wäre es ein Staatsbesuch des Königs von Saba.

      So leer wie es auf den Straßen war, so voll war es im Rathaus, vor allem im Rathauskeller


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