Das Elfenbeinkind. Henry Rider Haggard

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Das Elfenbeinkind - Henry Rider Haggard


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zeigte auf eine der Federn, die noch immer in der Luft flatterten.

      »Wenn dieser Kerl hier nicht der Teufel in Stiefeln ist ...« murmelte Charles vor sich hin.

      Aber sein Herr schnitt ihm mit einem Blick das Wort ab, dann lüftete er vor mir den Hut und sagte:

      »Mein Herr, ich gratuliere Ihnen zu einer Geschicklichkeit, die fast an das Wunderbare grenzt, falls nicht Zufall – –« Er brach ab.

      »Es ist nur natürlich, daß Sie das annehmen,« antwortete ich, »aber falls noch mehr Tauben kommen und Mister Charles die Büchsen wirklich ladet, hoffe ich, Sie zu überzeugen.«

      In diesem Augenblick jedoch verscheuchte ein lauter Ruf von Scroope, der nach mir Ausschau hielt, jede Taube in einem Umkreis von einer halben Meile: eine Tatsache, über die ich nicht gerade ärgerlich war. Denn wer weiß, ob ich alle oder überhaupt noch eine einzige von den Tauben getroffen hätte.

      »Ich glaube, meine Freunde rufen mich, deshalb möchte ich Ihnen ›Guten Morgen‹ sagen«, sagte ich linkisch.

      »Einen Moment, mein Herr,« rief er aus, »dürfte ich Sie vorher um Ihren Namen bitten? Ich heiße Ragnall – Lord Ragnall.«

      »Ich bin Allan Quatermain«, sagte ich.

      »Oh!« antwortete er, »das erklärt die Sache. Charles, dies ist Herrn Scroopes Freund, eben derselbe Herr, von dem du sagtest, er schnitte auf. Ich glaube, du tätest besser, dich zu entschuldigen.«

      Aber Charles war weg. Ich nahm an, um die Tauben aufzulesen.

      In diesem Augenblick erschien Scroope mit Fräulein Manners. Sie hatten unsere Stimmen gehört. Eine allgemeine Aussprache folgte.

      »Herr Quatermain hat mir eine Lektion im Schießen von fliegenden Tauben mit kleinkalibrigen Gewehren gegeben«, sagte Lord Ragnall, indem er auf die herumliegenden toten Vögel zeigte.

      »Dafür ist er auch kompetent«, bemerkte Scroope.

      »Unerhört kompetent«, versetzte seine Lordschaft. »Falls Sie mir nicht glauben, fragen Sie den Heger.«

      »Es ist das einzige, was ich kann«, warf ich bescheiden dazwischen. »Schießen ist mein Handwerk, und ich habe viel Übung darin, Vögel im Fluge mit der Kugel herunterzuholen. Aber mit einer Schrotflinte würde ich ohne Zweifel gegen Eure Lordschaft sehr ins Hintertreffen geraten. Darin habe ich nur wenig Übung. Außer wenn ich in Afrika für den Kochtopf schoß.«

      »Ja,« unterbrach Scroope, »Sie würden überhaupt keine Chancen gegen einen der besten Schützen Englands haben, Allan.«

      »Ich bin dessen nun nicht ganz sicher«, sagte Lord Ragnall mit seinem angenehmen Lächeln. »Ich habe so ein Gefühl, als stecke Herr Quatermain voller Überraschungen. Wir könnten, wenn er einverstanden ist, einmal die Probe aufs Exempel machen. – Wenn Sie doch einen Tag opfern könnten, Herr Quatermain! Wir wollen morgen die Schutzgehölze abjagen, die bis jetzt unberührt sind, und ich hoffe, Sie tun mit.«

      Ich machte einige Ausflüchte; denn ich bedachte, daß der von mir glatt überzeugte Charles wohl alle möglichen Geschichten über mich in die Welt setzen würde, und ich wünschte nicht, vor einer Gesellschaft von großen Herren – die ohne Zweifel wegen ihrer ganz besonderen Geschicklichkeit in diesem Sport ausgesucht worden waren – unter Umständen beschämt dazustehen.

      Meine Einwendungen überzeugten jedoch weder Lord Ragnall noch Scroope, und so blieb mir nichts übrig, als die Einladung anzunehmen.

      2. Kapitel

       Allan macht eine Wette

      Am folgenden Morgen kamen wir, Scroope und ich, ungefähr um ein Viertel vor zehn auf Schloß Ragnall an.

      Als ich aus dem Gefährt herauskletterte, erschien mit der Würde eines Imperators eine pompös ausstaffierte Persönlichkeit, mit einem Samtmantel und einer scharlachroten Weste angetan, und begleitet von einem Individuum, in dem ich Charles erkannte. Unter jedem Arm trug er eine Flinte.

      »Das ist der Oberheger,« flüsterte Scroope, »behandeln Sie ihn ja respektvoll.«

      Voller Schrecken nahm ich meinen Hut ab und wartete.

      »Spreche ich mit Herrn Allan Quatermain?« sagte Seine Majestät mit tiefer, rollender Stimme, indem er mich mit kaltem, mißbilligendem Blick betrachtete.

      Ich bejahte.

      »Dann, mein Herr,« fuhr er fort – er machte eine kleine Pause hinter dem »mein Herr«, als betrachtete er mich in Wirklichkeit nur als so etwas wie einen afrikanischen Kollegen – »habe ich Ihnen im Namen Seiner Lordschaft diese Flinten zu übergeben. Ich hoffe, daß Sie mit ihnen vorsichtig umgehen, da sie zu Kauf oder Rücksendung hier sind. Charles, erkläre diesem ausländischen Herrn die Handhabung der Flinten und halte dabei die Mündung nach oben oder unten. Die Gewehre sind zwar nicht geladen, aber ein gutes Beispiel ist immer nützlich.«

      »Danke Ihnen, Herr Heger,« antwortete ich, und langsam stieg mir die Galle, »aber ich glaube, daß mir über Flinten alles Nötige schon bekannt ist.«

      »Es freut mich, das zu hören«, sagte Seine Majestät mit augenscheinlichem Mißtrauen. »Charles, Herr Scroope will für den Herrn laden, ich hoffe, er wird vorsichtig sein. Seine Lordschaft wünscht, daß du sie begleitest und die Patronen trägst. Und, Charles, zähle die Schüsse und die Strecke ohne Anrechnung alles Angeschossenen. Ich habe die Geschichten mit dem ewigen Anschießen satt.«

      Die letzten Anordnungen wurden mit majestätischer Würde und ein wenig abseits ausgesprochen, damit wir nur nichts hören sollten. Scroope quittierte sie mit einem Kichern, Charles mit einem Grinsen; in mir jedoch wuchs das Gefühl der Entrüstung.

      Ich nahm eine der Flinten und besah sie. Es war eine schöne, allermodernste Waffe, kostbare Präzisionsarbeit.

      »An dem Gewehr ist alles in Ordnung, mein Herr«, brummte die rote Weste. »Wenn Sie es nur richtig hinhalten, besorgt es alles übrige von selbst. Aber halten Sie die Mündung aufwärts, Herr, aufwärts! Und vielleicht nehmen Sie es mir auch nicht übel, wenn ich Ihnen sage, daß wir hier auf Ragnall einen niedrigen Fasanen hassen. Ich erwähne das nur deshalb, weil der letzte Herr, der aus dem Ausland kam – es war ein Franzose – den ganzen Tag nichts schoß außer einer Henne, die sich ihm fast auf die Mündung setzte, den Hüten zweier Treiber seiner Lordschaft und einem Star.«

      Bei diesem Punkte brach Scroope in ein brüllendes, närrisches Gelächter aus. Charles, dem ich offenbar schicksalsgemäß nicht entgehen sollte, drehte sich um und krümmte sich zusammen, als hätte er plötzlich Magenschmerzen bekommen. Ich aber wurde rasend.

      »Zum Donnerwetter noch einmal, Herr Heger,« rief ich, »was soll diese Schulmeistern heißen! Bekümmern Sie sich um Ihre Angelegenheiten, und ich werde mich um meine bekümmern.«

      In diesem Moment kam Lord Ragnall um die Ecke eines Hofgebäudes herum. Ich erkannte an seiner ärgerlichen Miene, daß er unsere Diskussion angehört hatte.

      »Jenkins,« sagte er, »tun Sie, was Ihnen Herr Quatermain gesagt hat, und kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten. Sie scheinen sich nicht darüber im klaren zu sein, daß dieser Herr mehr Löwen, Elefanten und anderes Großwild geschossen hat als Sie Katzen. Aber wenn dem auch nicht so wäre, wäre es noch lange nicht Ihre Aufgabe, Belehrungsversuche an ihm – oder irgendeinem andern meiner Gäste – vorzunehmen. Gehen Sie jetzt, und sehen Sie nach den Treibern.«

      »Bitte um Entschuldigung, Mylord«, stotterte Jenkins, und sein Gesicht, das so farbenfreudig wie seine Weste gewesen war, wurde mit einem Male ganz blaß. »Es war nicht böse gemeint, Mylord. Aber Elefanten und Löwen fliegen nicht, Mylord, und wer an solches Bodengewürm gewöhnt ist, neigt dazu, zu niedrig zu schießen, Mylord. Alle Treiber am Jagddickicht bereit, Mylord.«

      Mit Verbeugungen kam er außer Sicht. Lord Ragnall wartete sein Verschwinden ab, dann sagte er lachend:

      »Ich muß Sie um Entschuldigung bitten, Herr Quatermain. Diesen


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