Das Elfenbeinkind. Henry Rider Haggard
Читать онлайн книгу.ist wenig Hoffnung«, antwortete ich. »Denn wie ich Ihnen sagte, habe ich niemals vorher Fasanen geschossen. Immerhin will ich es versuchen.«
»Recht so. Und passen Sie auf, Herr Quatermain, halten Sie immer gut vor. Sie sehen, ich erlaube mir, Ihnen Ratschläge zu geben, so wie Sie gestern mir. Schrot hat nicht die Geschwindigkeit der Kugel, und der Fasan ist ein Vogel, der im allgemeinen viel schneller fliegt als man denkt. Also, hier sind wir. Charles wird Ihnen Ihren Stand zeigen. Viel Glück!«
Zehn Minuten später begann die Jagd. Alle sieben Schützen wurden am Rande einer langen Schonung in Sicht voneinander postiert. Ich war so in Beobachtung der Vorbereitungen versunken, die für mich völlig neu waren, daß ich erst einen Hasen und dann eine Fasanenhenne durchschlüpfen ließ, ohne auf sie zu schießen. Besagte Henne beschrieb einen Bogen und wurde dabei von van Koop, der von mir aus der dritte war, wunderschön heruntergeholt.
»Hören Sie mal, Allan,« sagte Scroope, »wenn Sie Ihren afrikanischen Freund schlagen wollen, wäre es besser, Sie wachten nun auf; Sie werden es weder durch Bewunderung der Landschaft noch jenes Eichhörnchens dort schaffen.«
So raffte ich mich auf. Gerade gellte ein Schrei: »Hahn voraus!« Ich dachte an einen Fasanenhahn und war erstaunt, als ich einen schönen braunen Vogel mit langem Schnabel auf mich zufliegen sah.
»Muß ich den auch schießen?« fragte ich.
»Selbstverständlich. Es ist eine Waldschnepfe«, antwortete Scroope.
In diesem Augenblick rüttelte der Vogel ungefähr zehn Meter hinter mir. Ich feuerte und traf ihn, und wo er soeben zu sehen gewesen war, stiebte nur noch eine Wolke von Federn. Es war ein schneller und geschickter Schuß – glaubte ich wenigstens. Aber als Charles nur einen Schnabel und einen Kopf auflas, lief ein Kichern die ganze Linie der Schützen und Jagdgehilfen entlang.
»Hallo, alter Junge,« sagte Scroope, »wenn Sie Ihre Sauposten weiter benutzen wollen, so täten Sie besser, Ihre Vögel ein bißchen mehr hinten zu treffen.«
Der Vorfall ärgerte mich so, daß ich unmittelbar darauf drei in einer Linie streichende, ganz leichte Fasanen verfehlte, während van Koop sich zwei neue gutschreiben konnte.
Scroope schüttelte den Kopf, und Charles murrte hörbar. Jetzt, da ich nicht mit seinem Meister im Wettbewerb stand, war er plötzlich nur darauf erpicht, daß ich gewinnen sollte. Denn auf geheimnisvolle Weise hatten sich Gerüchte von unserer Wette verbreitet, und mein Gegner war unter den Hegern nicht beliebt.
»Da, jetzt sind Sie wieder dran«, sagte Scroope, auf einen ankommenden Fasan zeigend.
Es war ein außerordentlich hoher Fasan, der wahrscheinlich von außerhalb der Schonung kam, so hoch, daß ihn weder van Koop noch zwei andere Schützen, die auf ihn anlegten, trafen. Dann feuerte ich, und eingedenk Lord Ragnalls Rat hielt ich weit vor. Sein Flug änderte sich. Er schoß, eine Kurve beschreibend, noch ein Stück vorwärts und fiel dann vierzig Meter rechts von mir tot nieder.
»Schon besser«, sagte Scroope, und Charles grinste über sein ganzes rundes Gesicht und brummte:
»Diesmal hat er die Augen ausgewischt.«
Dieser Schuß gab mir Vertrauen, und ich verbesserte mich von da ab beträchtlich, trotzdem ich komischerweise feststellte, daß es gerade die hohen und schwierigen Fasanen waren, die ich erwischte, und daß ich gerade die leichten öfters fehlte. Aber van Koop, der offensichtlich ein Künstler im Schießen war, bekam beide.
Lord Ragnall, der mir am nächsten stand, forderte mich auf, mit ihm hinter die anderen Schützen zurückzutreten.
»Ich sehe, die Schwierigen sind Ihre Spezialität, Herr Quatermain,« sagte er, »und hier werden Sie von dieser Sorte genug bekommen.«
Jetzt standen wir an einem Abhang zwischen zwei langgestreckten Gehölzen, die ungefähr zweihundert Meter auseinanderlagen. Eins wurde gerade abgetrieben. Es steckte voll von Fasanen; und die Leistungen der auserlesenen Schützen waren in der Tat sehenswert.
Ich kam hier ganz gut voran, fast so gut wie Lord Ragnall selber. Und das will viel heißen; denn er war ein brillanter Schütze.
»Bravo!« sagte er am Ende des Treibens. »Ich glaube, Sie haben jetzt Chance, Ihre fünf Pfund doch noch zu gewinnen.«
Als ich aber nach dem Frühstück feststellte, daß ich dreißig Fasanen weniger geschossen hatte als mein Gegner, schüttelte ich den Kopf. Und dasselbe taten alle übrigen. Dennoch schmeckte das Frühstück, das wir im Hause eines Hegers einnahmen, ausgezeichnet, trotzdem van Koop unaufhörlich in solch prahlerischer Weise schwatzte, daß ich sah, es ärgerte unseren Gastgeber und einige der anderen Herren. Schließlich wandte er sich gönnerhaft an mich und fragte, wie ich die letzten Jahre mit meinem »Elefanteneinkochen« vorwärtsgekommen wäre. Ich antwortete: »Recht gut.«
»Dann sollten Sie unseren Freunden einige Ihrer berühmten Geschichten erzählen, ich verpflichte mich, Ihnen nicht zu widersprechen«, sagte er und fügte hinzu:
»Die Herren haben ja, im Gegensatz zu uns, keine Erfahrung im Abschuß von Großwild.«
»Ich wußte nicht, daß Sie selber welche hatten, Sir Junius,« antwortete ich gereizt, »denn, wenn ich mich recht erinnere, sagten Sie mir einmal in Afrika, das einzige Großwild, das Sie jemals geschossen hätten, wäre ein an Rotwasser erkrankter Ochse gewesen. Immerhin, das Schießen ist für mich Handwerk, nicht Sport wie für Sie, und ich liebe es nicht, zu fachsimpeln.«
Das daraufhin ausbrechende Gelächter stopfte ihm den Mund. Dann fing Scroope, der entzückendste aller Freunde, an, Abenteuer von mir zu erzählen, bis mir die Ohren klangen und ich hinauslief, um nach dem Wetter zu sehen.
Das hatte sich unterdessen sehr verändert. Der Himmel war bedeckt, und ein böiger Wind, der von Minute zu Minute stärker wurde, trieb kleine Schneeschauer vor sich her.
»Auf mein Wort,« sagte Lord Ragnall, der mich begleitete, »das sieht wenig hoffnungsvoll aus. Wir wollten in der Schonung am See, unserm besten Stand hier, heute nachmittag siebenhundert Fasanen schießen, aber ich bezweifle, daß wir auf fünfhundert kommen. Ich möchte Sie, Herr Quatermain, und Sir Junius zuhinterst in der Schonung postieren. Hier haben Sie noch die meisten Aussichten, da viele der Fasanen gegen diesen Wind überhaupt nicht bis zum See herankommen. Wenn es Ihnen recht ist, leiste ich Ihnen Gesellschaft, da ich selbst heute nicht mehr zu schießen gedenke.«
»Ich fürchte, Sie werden enttäuscht sein«, sagte ich nervös.
»O nein, das werde ich nicht«, antwortete er. »Ich sage Ihnen frei heraus, daß Sie den besten Schützen der ganzen Gesellschaft abgeben würden, falls Sie Gelegenheit hätten, sich eine Saison hindurch zu üben. Augenblicklich sind Sie sich noch nicht ganz klar über den Flug dieser Vögel, und außerdem sind Ihnen auch diese Gewehre fremd. Nehmen Sie ein Glas Sherry Brandy, das wird Ihre Nerven beruhigen.«
Ich trank den Sherry Brandy, und gleich darauf zogen wir los. Die Schonung, in der wir schießen sollten, lag am Rande eines hufeisenförmigen Sees. Vier von den Schützen wurden an seiner Rundung, van Koop und ich an seiner geraden Seite postiert. Ich stellte mit Unbehagen fest, daß die anderen von der gegenüberliegenden Seite aus alles, was wir schossen, aber auch alles, was wir nicht schossen, sehen konnten, und daß uns außerdem noch ein Trupp von Zuschauern, unter denen ich den Büchsenmacher erkannte, beobachtete. Aber auf dem Wege zum Boot, das uns über den See setzen sollte, ereignete sich etwas, was mich in sehr gute Laune versetzte und mir auch Beifall einbrachte. Ich passierte eben mit Lord Ragnall, Scroope und Charles in einer Entfernung von etwa fünfzig Metern eine Gruppe großer Bäume, als von der anderen Seite her ein Schrei: »Rebhuhn hoch drüber!« aus der heiseren Kehle des rotwestigen Jenkins herüberscholl, der das Abtreiben eines Streifens von niedrigem Unterholz leitete.
»Passen Sie auf, Herr Quatermain, die kommen von dieser Richtung her«, sagte Lord Ragnall, während Charles mir eine geladene Flinte in die Hand drückte. Eine Sekunde später tauchten die Vögel über den Baumwipfeln auf; ein großer Schwarm in langer Zickzacklinie, von den wütenden Stößen des Windes getragen, kamen sie mit unwahrscheinlicher