Ein moderner Lederstrumpf. Robert Kraft

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Ein moderner Lederstrumpf - Robert Kraft


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geschickt, sie selbst fuhr mit der Eisenbahn voraus.

      Aber sie brachte den Schlauchmantel herab, wenn auch nicht ohne Schwierigkeit. Dem Kästchen lag eine Gebrauchsanweisung bei, sie wurde aufmerksam studirt; nun konnte sie es. Alles war vorhanden, sie kratzte, pinselte und klebte so, nun die Luftpumpe heraus, wozu erst der Widerstand der infamen Schnalle überwunden werden musste. Sie pumpte. War das fürchterlich heiss unter der Mittagshitze in diesem Engpass. Und dieser Durst! Sie pumpte und pumpte — wurde er denn noch immer nicht fest? Keine Spur. Die Zähne zusammengepresst, pumpte sie weiter, bis sie endlich merkte, dass die Luft ebenso schnell aus der Wunde wieder entwich, wie sie durch das Ventil hineinkam. Also nochmals die Anweisung gelesen, nochmals gekratzt, gepinselt und geklebt, nochmals gepumpt. Und das war heiss! Und dieser Durst! Aber nun hielt es auch, der Schlauch schwoll. Nicht allzufest, bei dieser Gluth könnte er leicht platzen. Ellen wäre sehr fröhlich gewesen, wenn nicht wieder die elende Schnalle an der Rahmentasche zu überwinden gewesen wäre.

      Diesen spitzen Steinen traute sie nicht mehr. Die schienen bald aufzuhören. Ellen nahm das Rad über die Schulter, und wenn es auch wie Feuer brannte, sie trug es wie ihr geliebtes, krankes Kind, wohl eine viertel Stunde lang.

      Wirklich, jetzt war der Weg wieder frei von den bösen Steinen.

      Ihre Liebe wurde belohnt. Nun aufgestiegen und frisch drauf ......

      Pfffhhhtsch — sagte das Hinterrad.

      Ellen hätte die ganze Maschine am liebsten gegen die Wand werfen mögen. Hatte sie das etwa verdient? Nein. Das war eine Niederträchtigkeit, besonders von dem Hinterrade.

      Aber Energie besass Ellen doch. Sie fing noch einmal an. Zunächst die verfl..... Schnalle, Ellen fluchte wirklich, und da gab die Schnalle klein bei. Also nochmals gekratzt, gepinselt, geklebt und gepumpt, wenn auch unter Thränen. Nein, dieser Durst, dieser Durst! Und der Pumpencylinder brannte wie glühendes Eisen in ihren Händen. Sie hatte es noch nicht für nöthig befunden, sich eine Korbflasche zuzulegen, unnützer Ballast hier mitten in der Cultur. Starke hatte immer eine grosse Lederflasche in der linken Jackentasche, und wenn der jetzt hier wäre, sie wollte trinken, trinken, trinken ..... Herr Gott, der Schlauch wollte schon wieder keine Luft annehmen!

      »Nein, das ist doch zu schändlich!« weinte Ellen. »Ach, lieber Gott, mach mir doch meinen Schlauch voll.«

      Das Gebet wurde nicht erhört, und ihre Seele dem Teufel zu verschreiben, daran dachte sie im Augenblicke nicht, sonst würde sie es vielleicht gethan haben.

      Gebrochen sank Ellen auf einen Stein. Sie trug sich mit Todesahnungen herum. Was sollte denn auch aus ihr werden? Den Weg von 8 Meilen zurück zu Fuss? Es graute ihr schrecklich davor. Bei dieser furchtbaren Hitze! Schliesslich aber blieb ihr wohl nichts anderes übrig. Zunächst wollte sie warten, ob Starke nicht käme. Es war zwar eine kühne Annahme, dass Starke ebenfalls diesen offenbar falschen Weg einschlagen würde, doch Ellen baute fest darauf, mindestens musste sein Hund ihrer Spur folgen können, wozu hatte er denn sonst einen Hund, wozu hatte denn dieser Hund sonst eine Nase, und Ellen hatte wohl Recht, wenn sie sich diesen Mann vorstellte, wie er sofort erkennen würde, aus irgend einem Anzeichen, dass sie nicht den richtigen Weg eingeschlagen habe; er war ja so ein halber Trapper, dann musste er auch Indianersinne besitzen, und es war wohl auch richtig, wenn sie sich vorstellte, wie der kluge Hund, die Nase am Boden, der Fährte des Gummireifen folgen würde.

      Zunächst glaubte Ellen, die ersten Qualen des Verschmachtungstodes durchzukosten. Schon sah sie in der öden Felsenwildniss grüne Oasen mit springenden Quellen, der glitzernde Spiegel eines See's winkt ihr — das heisst, sie bildete sich nur ein, schon solche Visionen zu haben, weil sie davon gelesen hatte; so weit war es doch noch nicht mit ihr. Was sie aber plötzlich veranlasste, mit einem Schmerzensschrei aufzuspringen, diese Empfindung war echt: der Stein, auf dem sie sass, war heiss wie eine glühende Ofenplatte, es ging nach und nach durch das Lodentuch.

      »Starke, so kommen Sie doch nur endlich!« jammerte sie.

      Das Echo verspottete sie.

      »Ach, mein lieber Starke, kommen Sie doch, ich will ja auch immer zu Ihnen gut sein!«

      »Gut sein — gut sein,« lachte das Echo, und Ellen empfand den Spott; Scham überkam sie.

      Lächerlich, es war ja nichts weiter als ein kleines Löchelchen in dem Gummischlauche, sollte denn das nicht zuzustopfen sein? Andere konnten es ja auch, und es war so einfach, wenn man zusah. Ellen kratzte und pinselte und brachte ihren ganzen Vorrath von Gummi darauf. Nun wieder gepumpt. Es hielt, es hielt! Sie legte sich schwer auf den Sattel — es hielt, er liess keine Luft mehr! Vorwärts, aufgesprungen, sie musste heraus aus diesem schrecklichen Felsenpass, sie musste doch hier, in einer bevölkerten Gegend, bald auf Menschen stossen, wenn sie nur fuhr, und wenn sie erst ihren Durst gelöscht hatte, dann wollte sie auch wieder den richtigen Weg finden.

      Sie hatte erst einige Radumdrehungen gemacht, als die Strasse abermals sehr steinig wurde, sie wollte den defecten Reifen lieber schonen .... Bhhh — sagte da dieser schon, diesmal ganz bescheiden.

      Nun freilich war es mit Ellen vorbei. Sie liess die Maschine fallen, wie sie fiel, und fiel selbst daneben, jetzt nicht mehr den heissem Boden achtend, der ihr auf die Haut wirkliche Blasen zog.

      Das ist mein Tod, dachte sie, hier wird man eine Leiche finden. Und das hat Judith nur gewollt. Fluch ihr, Fluch der ganzen Radlerei. Starke, Starke, du bist gerächt! — Und dann dachte sie trotzdem: ach, wenn er doch käme!

      Aber Starke kam nicht.

      ____________________

      7. Capitel.

       In der Prairie.

      Wie sie so langgestreckt auf dem glühenden Boden lag, das Gesicht in den Armen vergraben, alles Feuer, Lippen und Gaumen brennend, glaubte sie ein Geräusch wie von rieselndem Wasser zu vernehmen. Sie glaubte es nur, redete sich ein, es sei nur eine Hallucination.

      Es ist überhaupt manchmal nicht vortheilhaft, ein gebildeter, belesener Culturmensch zu sein, besonders wenn man noch einige Phantasie besitzt.

      Bei Ellen musste dieses Geräusch partout eine Gehörs-Hallucination sein. Merkwürdig nur, wie deutlich es klang, gerade als ob — Ellen hob den Kopf — gerade als ob es Wirklichkeit sei. Natürlich, das war auch wirkliches Wasserplätschern, dicht in der Nähe, und Ellen sprang auf.

      Zwischen der Strasse und der rechten Felswand befand sich ein tiefer Riss im Gestein, mit der Strasse parallel fortlaufend, und etwa 2 Meter unter Ellen's Füssen entsprang der Wand eine Quelle, in der noch etwas tieferen Spalte abwärts fliessend.

      Beim Anblick des Wassers kehrte Ellen's Lebensmuth und ruhige Ueberlegung zurück. Obgleich sie nicht hinabgelangen konnte, sah sie sich doch vom Verschmachtungstode gerettet; ihre ganze Verzweiflung fand sie mit einem Male komisch. Den Gummibecher besass sie nicht mehr, sie hatte nicht einmal einen Bindfaden bei sich. Nun, so zerschnitt sie einfach ihre Jacke oder auch ihr Hemd in Streifen und ließ ihre Mütze oder auch die Rahmentasche an dem so hergestellten Stricke hinab, zog sie mit Wasser gefüllt wieder herauf, und dann musste sie eben die acht Meilen rückwärts zu Fuss gehen, drei Stunden kräftigen Marschirens, wenn sie auf der Karte nicht mit Sicherheit feststellen konnte, einer anderen Ansiedlung näher zu sein.

      Im Nu hatte Ellen diesen Plan klar gefasst. Was war eigentlich mit ihr vorgegangen? Lächerlich. Wie kleinmüthig! Sie, welche die ganze Erde allein umradeln wollte, hatte gleich beim ersten bischen Durst die Flinte in's Korn geworfen! Weil sie den Pneumatic nicht dichtmachen konnte! In der nächsten Reparaturwerkstätte wollte sie es lernen, und dann immer mit Bindfaden versehen sein! Wieder um eine Erfahrung bereichert.

      Ehe sie ihre Bekleidung in Stücke schnitt, wollte sie doch nachsehen, ob das Wasser nicht an einer anderen Stelle erreichbar sei. Sie blickte nach der Uhr. Eine Viertelstunde wollte sie die Spalte verfolgen. So lange musste sie schlimmstenfalls ihren Durst noch ertragen, sie musste!

      Es steckte doch Energie in dem Mädchen. Ellen liess nicht einmal das Rad liegen, nahm die gewichtige Maschine über die Schulter, obgleich der Weg über die


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