Weihnachtsmärchen. Charles Dickens

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Weihnachtsmärchen - Charles Dickens


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      mir nichts mehr.«

      31

      Aber der erbarmungslose Geist hielt ihn mit beiden Händen fest

      und zwang ihn, zu betrachten, was als nächstes geschah.

      Sie befanden sich an einem andern Ort, in einem Zimmer, nicht

      sehr groß oder schön, aber voller Behaglichkeit. Neben dem

      Kamin saß ein schönes junges Mädchen, das der, die Scrooge

      soeben gesehen hatte, so ähnlich war, daß er glaubte, es sei

      dieselbe, bis er diese, jetzt eine stattliche Matrone, der Tochter

      gegenüber sitzen sah. In dem Zimmer war ein wahrer Aufruhr,

      denn es befanden sich mehr Kinder darin, als Scrooge in seiner

      Aufregung zählen konnte; und hier betrugen sich nicht vierzig

      Kinder wie eins, sondern jedes Kind wie vierzig. Die Folge

      davon war ein Lärm sondergleichen; aber niemand schien sich

      darüber aufzuregen. im Gegenteil, Mutter und Tochter lachten

      herzlich und freuten sich darüber, und die letztere, die sich bald in

      die Spiele mischte, wurde von den kleinen Schelmen gar

      grausam mitgenommen. Was hätte ich darum gegeben, eines

      grausam mitgenommen. Was hätte ich darum gegeben, eines

      dieser Kinder zu sein, obgleich ich nie so ungezogen gewesen

      wäre! Nein, nein! Für al e Schätze der Welt hätte ich nicht diese

      Locken zerdrückt und zerwühlt; und diesen lieben, kleinen Schuh

      hätte ich nicht entwendet, selbst um mein Leben zu retten. Im

      Scherz ihre Taille zu messen, wie die dreiste junge Brut tat, hätte

      ich nicht gewagt aus Furcht, mein Arm würde zur Strafe krumm

      und nie wieder gerade wachsen. Und doch, wie gern, ich gestehe

      es, hätte ich ihre Lippen berührt; wie gern sie ausgefragt, damit

      sie s ich geöffnet hätten; wie gern hätte ich die Wimpern dieser

      niedergeschlagenen Augen betrachtet, ohne ein Erröten

      hervorzurufen; wie gern dieses wogende Haar gelöst, von dem

      eine einzige Locke ein unschätzbares Andenken gewesen wäre:

      kurz, wie gern hätte ich das kleinste Vorrecht eines dieser

      Kinder gehabt, mit der Bedingung, Manns genug zu bleiben, um

      seinen Wert zu fühlen.

      Aber jetzt wurde ein Klopfen an der Tür laut, was einen so

      allgemeinen Ansturm hervorrief, daß sie mit lachendem Gesicht

      und zerknülltem Kleid in der Mitte eines lärmenden Haufens nach

      der Tür gedrängt wurde, dem Vater entgegen, der nach Hause

      kam in Begleitung eines mit Weihnachtsgeschenken beladenen

      Mannes. Aber nun das Geschrei und das Gedränge und der

      Sturm auf den verteidigungslosen Träger! Wie sie an ihm auf

      Stühlen hinaufstiegen, in seine Taschen guckten, die

      Papierpäckchen raubten, an seiner Halsbinde zupften, an seinem

      Halse hingen, ihm auf den Rücken trommelten oder an die Beine

      stießen - alles in unwiderstehlicher Freude! Dann die Ausrufe der

      stießen - alles in unwiderstehlicher Freude! Dann die Ausrufe der

      Verwunderung und des Frohlockens, mit denen der Inhalt jedes

      Päckchens begrüßt wurde! Die schreckliche Kunde, daß das

      Kleinste ertappt worden sei, wie es die Puppenbratpfanne in den

      Mund gesteckt und wohl gar das hölzerne Huhn samt der

      Schüssel hinuntergeschluckt habe! Die große Beruhigung, als

      man entdeckte, daß es falscher Alarm gewesen war! Die Freude

      und die Dankbarkeit und das Entzücken! Dies alles übertrifft alle

      Beschreibung. Es muß genügen, zu wissen, daß die Kinder und

      ihre Freunde endlich aus dem Zimmer kamen und über eine

      Treppe in den obersten Stock hinaufgingen, wo sie zu Bett

      gebracht wurden und blieben.

      32

      Und als Scrooge jetzt sah, wie sich der Herr des Hauses, die

      Tochter zärtlich an seine Seite geschmiegt, mit ihr und ihrer

      Mutter an seinem eigenen Herd niedersetzte; und wie er dachte,

      daß ihn ein solches Wesen ebenso lieblich und hoffnungsfroh

      hätte Vater nennen und wie der Frühling im öden Winter seines

      Lebens hätte sein können, da wurden seine Augen wirklich

      trübe.

      »Belle«, sagte der Mann, sich lächelnd zu seiner Gattin wendend,

      »ich sah heut nachmittag einen alten Freund von dir.«

      »Wer war es?«

      »Rate mal.«

      »Wie kann ich das? Ach, jetzt weiß ich schon«, fügte sie sogleich

      hinzu, lachend, und auch er lachte. »Mr. Scrooge.«

      »Ja, Mr. Scrooge. Ich ging an seinem Kontorfenster vorüber;

      und da kein Laden davor war und Licht brannte, mußte ich ihn

      sehen. Sein Kompagnon liegt im Sterben, hörte ich, und er war

      sehen. Sein Kompagnon liegt im Sterben, hörte ich, und er war

      allein. Ganz allein in der weiten Welt, glaube ich.«

      »Geist«, rief Scrooge mit bebender Stimme, »führe mich weg

      von diesem Ort.«

      »Ich sagte dir, daß dies Schatten gewesener Dinge sind«, sagte

      der Geist. »Gib nicht mir die Schuld, daß sie sind, wie sie sind.«

      »Führe mich weg«, rief Scrooge aus. »Ich kann es nicht

      ertragen.«

      Er wandte sich dem Geist zu, und wie er sah, daß er ihn mit

      einem Gesicht anblickte, in dem sich auf eine seltsame Weise all

      die Gesichter zeigten, die er bisher gesehen hatte, rang er mit

      ihm.

      »Verlaß mich, führ mich weg. Verfolge mich nicht länger.«

      In dem Kampf, wenn es ein Kampf genannt werden kann, wie

      der Geist, ohne sichtbaren Widerstand seinerseits, von den

      Angriffen seines Gegners unberührt blieb, bemerkte Scrooge,

      daß das Licht auf seinem Haupt hoch und hel brannte, und in

      einem dunklen instinktiven Gefühl jenes Licht sei mit des Geistes

      Einfluß auf ihn verbunden, ergriff er den Löschhut und stülpte ihn

      auf des Geistes Haupt.

      Der Geist sank zusammen, so daß der Löschhut seine ganze

      Gestalt bedeckte; aber obgleich


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