Weihnachtsmärchen. Charles Dickens

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Weihnachtsmärchen - Charles Dickens


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das 33

      Licht nicht ganz verbergen, das darunter hervor- und mit hellem

      Schimmer über den Boden floß.

      Er fühlte sich erschöpft und von einer unüberwindlichen

      Schläfrigkeit befallen und wußte, daß er in seinem eigenen

      Schlafzimmer war. Er gab dem Löschhut einen letzten Druck und

      fand kaum Zeit, in das Bett zu wanken, bevor er in tiefen Schlaf

      sank.

      34

      Dritte Strophe

      Der zweite Geist

      Scrooge erwachte mitten in einem tüchtigen Geschnarche und

      setzte sich im Bett auf; um seine Gedanken zu sammeln. Diesmal

      hatte niemand nötig, ihm zu sagen, daß es gerade eins sei. Er

      fühlte, daß er just zu der rechten Zeit und zu dem ausdrücklichen

      Zweck erwacht sei, um eine Zusammenkunft mit dem zweiten an

      ihn durch Jacob Marleys Vermittlung abgesandten Boten zu

      haben.

      Aber bei dem Gedanken, welche seiner Bettgardinen das neue

      Gespenst wohl zurückschlüge, wurde es ihm ganz unheimlich

      kalt, und so schlug er sie mit seinen eigenen Händen zurück.

      Dann legte er s ich wieder zurück und beschloß, genau

      aufzupassen, denn er wol te den Geist in dem Augenblick seiner

      Erscheinung anrufen und wünschte nicht überrascht und

      erschreckt zu werden.

      Leute von keckem Mut, die sich schmeicheln, es schon mit

      etwas aufnehmen zu können und immer an ihrem Platz zu sein,

      drücken den weiten Bereich ihrer Fähigkeiten mit den Worten

      aus: Sie wären gut für al es, vom Brotessen bis zum

      Menschenverschlingen, da zwischen beiden Extremen ohne

      Zweifel ziemlich viel Gelegenheit zur Betätigung ihrer Kräfte liegt.

      Zweifel ziemlich viel Gelegenheit zur Betätigung ihrer Kräfte liegt.

      Ohne gerade zu behaupten, daß es Scrooge so weit gebracht

      hätte, muß ich doch von dem Leser den Glauben fordern, daß er

      auf eine recht schöne Auswahl von Erscheinungen gefaßt war

      und daß ihn nichts zwischen einem Wickelkind und einem

      Rhinozeros al zusehr in Verwunderung gesetzt hätte.

      Eben weil er beinahe auf alles gefaßt war, war er nicht

      vorbereitet, nichts zu sehen; und daher überfiel ihn ein heftiges

      Zittern, als die Glocke eins schlug und keine Gestalt erschien.

      Fünf Minuten, zehn Minuten, eine Viertelstunde vergingen, aber

      es kam nichts. Die ganze Zeit über lag er auf seinem Bett, dem

      Kern und Mittelpunkt eines rötlichen Lichtes, das sich darüber

      ergoß, als die 35

      Glocke die Stunde verkündete, und das, weil es nur Licht war,

      viel beunruhigender als ein Dutzend Geister war, da es ihn

      unmöglich erraten ließ, was es bedeute oder was es wol e. Ja, er

      fürchtete zuweilen, er könnte in diesem Augenblick ein

      merkwürdiger Fall von Selbstentzündung sein, ohne den Trost zu

      haben, es zu wissen. Endlich jedoch fing er an zu begreifen, daß

      die Quelle dieses geisterhaften Lichtes wohl in dem anliegenden

      Zimmer sei, aus dem es bei näherer Betrachtung zu strömen

      schien. Wie dieser Gedanke die Herrschaft über seine Seele

      bekommen hatte, stand er leise auf und schlich in den Pantoffeln

      nach der Tür.

      In demselben Augenblick, wo sich Scrooges Hand auf die

      In demselben Augenblick, wo sich Scrooges Hand auf die

      Klinke legte, rief ihn eine fremde Stimme bei Namen und hieß ihn

      eintreten. Er gehorchte.

      Es war sein eigenes Zimmer. Daran ließ sich nicht zweifeln. Aber

      eine wunderbare Umwandlung war mit ihm vorgegangen. Wände

      und Decke waren ganz mit grünen Zweigen bedeckt, daß es

      aussah wie eine Laube, in der überall glänzende Beeren

      schimmerten. Die glänzenden, starren Blätter der Stechpalme,

      der Mistel und des Efeus warfen das Licht zurück und erschienen

      wie ebenso viele kleine Spiegel. Eine so gewaltige Flamme

      loderte die Esse hinauf, wie sie dieses Spottbild eines Kamines

      zu Scrooges oder Marleys Zeit seit vielen, vielen Wintern nicht

      gekannt hatte. Auf dem Fußboden waren zu einer Art von Thron

      Truthähne, Gänse, Wildbret, große Braten, Spanferkel, lange

      Reihen von Würsten, Pasteten, Plumpuddings, Austerfäßchen,

      glühende Kastanien, rotbäckige Äpfel, saftige Orangen,

      appetitliche Birnen, ungeheure Stollen und siedende

      Punschbowlen aufgehäuft, die das Zimmer mit köstlichem

      Geruch erfül ten. Auf diesem Thron saß behaglich und mit

      fröhlichem Angesicht ein Riese, gar herrlich anzuschauen. In der

      Hand trug er eine brennende Fackel, fast wie ein Füllhorn

      gestaltet, und hielt s ie steil in die Höhe, um Scrooge damit zu

      beleuchten, wie er in das Zimmer guckte.

      »Nur herein«, rief der Geist. »Nur herein, und lerne mich besser

      kennen.«

      Scrooge trat schüchtern ein und senkte das Haupt vor dem

      Geiste. - Er war nicht mehr der hartfühlende, nichtsscheuende

      Scrooge von früher, und obgleich des Geistes Augen hell und

      mild glänzten, wünschte er ihnen doch nicht zu begegnen.

      »Ich bin der Geist der diesjährigen Weihnachtsnacht«, sagte die

      Gestalt. »Sieh mich an.«

      Scrooge tat es mit ehrfurchtsvollem Blick. Der Geist war

      gekleidet in ein einfaches, dunkelgrünes Gewand, mit weißem

      Pelz verbrämt. Die breite Brust war entblößt, als verschmähe sie,

      sich zu verstecken. Auch die Füße waren bloß und schauten

      unter den weiten Falten des Gewandes hervor; und das Haupt

      hatte keine andere Bedeckung, als einen Stechpalmenkranz, in

      dem hie und da Eiszapfen glänzten. Seine dunkelbraunen Locken

      wallten fessel os auf die Schultern. Sein munteres Gesicht, sein

      glänzendes Auge, seine fröhliche Stimme, sein ungezwungenes

      Benehmen,


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