Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von Goethe

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Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen - Johann Wolfgang von Goethe


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      PRINZ. Warum mußt ich Törichter fragen, da ich nunmehr wider meinen Willen folgen oder der Götter Zorn auf mich laden muß!

      MERKULO. Bei dieser Gelegenheit, dächt ich, könnten Sie sich immer mit der Unwissenheit entschuldigen; denn ich sehe wenigstens nicht, wie das Orakel prätendieren kann, daß man's verstehen soll.

      PRINZ. Ich versteh es nur zu wohl! Nicht die Worte, aber den Sinn. Gegen die Laube gekehrt. Dich soll ich weggeben! Dich soll ich aufopfern! Als wenn ich Ruhe der Seele und Glück erwerben könnte, wenn ich mich ganz zugrunde richte!

      MERKULO. Freilich lassen sich allenfalls die Worte des Orakels dahin deuten.

      PRINZ.

      Es ist allzu grausam!

      Wegzugeben, was ich habe,

      Götter, ach! ist allzuviel.

      MERKULO.

      Nennen doch die hohe Gabe

      Götter selbst ein Kinderspiel!

      PRINZ.

      Ich verliere diese Freuden!

      Mir verschwindet dieses Licht!

      MERKULO für sich.

      O wahrhaftig! zu beneiden

      Sind die Seligkeiten nicht.

      PRINZ.

      Götter neiden dies Entzücken,

      Und sie nennen es ein Spiel.

      MERKULO.

      Uns weit besser zu erquicken,

      Gibt's doch andrer Sachen viel.

      PRINZ. Es ist ein entsetzlicher Entschluß, der in meiner Seele sich hin und her bewegt, und was für Empfindungen auf- und absteigen, die mir diesen Entschluß bald zu erleichtern, bald zu erschweren scheinen! – Laß mich allein, und sei bereit, auf meinen Wink alle meine Leute, alle Bewohner dieses Hauses zusammenzurufen: denn was ich tun will, ist eine große und männliche Tat und leidet den Anblick vieler Zeugen.

      MERKULO. Bester Herr, Sie machen mir bange.

      PRINZ. Erfülle deine Pflicht!

      MERKULO im Weggehen umkehrend. Noch eins! Andrason ist wieder hier; wollen Sie den auch zum Zeugen haben?

      PRINZ. Himmel! Andrason!

      MERKULO. Er selbst. Ich hab ihn, wie ich aufstand, mit seiner Schwester am Fenster gesehen.

      PRINZ. Laß mich allein! – Meine Sinnen verwirren sich; ich muß Luft haben, um die tausend Gedanken, die in mir durcheinandergehn, zurechtzulegen.

      Merkulo ab.

      PRINZ allein, nach einer Pause. Fasse dich! Entschließe dich: denn du mußt! – Weggeben sollst du das, was dein ganzes Glück macht; aufgeben, was die Götter wohl Spiel nennen dürfen, weil ihnen die ganze Menschheit ein Spiel zu sein scheint. Dich weggeben!

      Er macht die Laube auf. Mandandane mit einer Maske vor dem Gesicht sitzt drin.

      Es ist ganz unmöglich! Es ist, als griff' ich nach meinem eignen Herzen, um es herauszureißen! Und doch! – Er fährt zusammen und von der Laube weg. Was ist das in mir? Wie unbegreiflich! Wollen mir die Götter meinen Entschluß erleichtern? Soll ich mir's leugnen oder gestehn? Zum erstenmal fühl ich den Zug, der mich nach dieser himmlischen Gestalt zieht, sich verringern! Diese Gegenwart umfängt mich nicht mehr mit dem unendlichen Zauber, der mich sonst vor ihr mit himmlischen Nebeln bedeckte! Ist's möglich? In meinem Herzen entwickelt, bestimmt sich das Gefühl: du kannst, du willst sie weggeben! – Es ist mir unbegreiflich! Er geht auf sie los. Geliebteste! Er wendet kurz wieder um. Nein, ich belüge mich! Mein Herz ist nicht hier! In fremden Gegenden schwärmt's herum und sucht nach voriger Seligkeit – Mir ist's, als wenn du es nicht mehr wärest, als wenn eine Fremde mir untergeschoben wäre. O ihr Götter! die ihr so grausam seid, welche seltsame Gnade erzeigt ihr mir wieder, daß ihr mir das so erleichtert, was ich auf euern Befehl tue! – Ja, lebe wohl! Von ungefähr ist Andrason nicht hier. Ich hatte ihm die beste Hälfte seines Eigentums geraubt; hier nehme er sie wieder! Und ihr, himmlische Geister, gebt euerm folgsamen Sohn aus den Weiten der Welt neues unbekanntes Glück! Er ruft. Merkulo!

      Merkulo kommt.

      PRINZ. Bringe sie zusammen, die Meinigen, das Haus: könnt ich die Welt zusammenrufen, sie sollte Zeuge der wundervollen Tat sein!

      Merkulo ab.

      Der Prinz verschließt die Laube. Unter einer feierlichen Musik kommen der Oberste, die Wache, das ganze Gefolge, nach ihnen die Fräulein; alles stellt sich zu beiden Seiten, wie sie stehen müssen, um das Schlußballett anzufangen. Zuletzt kommen Feria und Andrason mit Merkulo. Die Musik hört

      auf.

      PRINZ. Tritt näher, Andrason, und höre mich einen Augenblick geruhig an. Bisher sind wir nicht die besten Freunde gewesen; nunmehr haben die Götter mir die Augen geöffnet. Das Unrecht, seh ich, war auf meiner Seite; ich raubte dir die beste Hälfte des Weibes, das du liebst. Auf Befehl der Unsterblichen geb ich dir sie zurück. Nimm als ein Heiligtum wieder, was ich als ein Heiligtum bewahrt habe; und verzeih das Vergangne meiner Not, meinem Irrtum, meiner Jugend und meiner Liebe!

      ANDRASON laut. Was soll das heißen? Für sich. Was wird das geben?

      PRINZ eröffnet die Laube, man sieht Mandandane sitzen. Hier, erkenne das Geheimnis und empfange sie zurück!

      ANDRASON. Meine Frau! Du entführst mir meine Frau? schleppst sie mit dir herum? beschimpfest mich öffentlich, da du sie mir vor den Augen aller Welt zurückgibst?

      PRINZ. Dies sei dir ein Beweis der Heiligkeit meiner Gesinnungen, daß ich jetzt das Licht nicht scheue!

      ANDRASON. Himmel und Hölle! Ich will es rächen. Er greift nach dem Schwert, Feria hält ihn, er spricht leise zu ihr. Laß sein! Ich muß ja so tun.

      PRINZ. Entrüste dich nicht! Mein Schwert hat auch eine Schärfe. Sei stille, gib der Vernunft Gehör! Du kannst nicht sagen: es ist mein Weib; und es ist doch dein Weib.

      ANDRASON. Ich hasse die Rätsel! Nach einem Augenblick, stille für sich. Ich erstaune! Wieder entbindet sich in meiner Seele ein neuer Verstand, eine Erklärung der letzten Worte des Orakels! Wär es möglich? O helft mir, gütige Götter! Laut: Verzeih! ich fühle, daß ich dir unrecht tue. Hierin ist Zauberei oder eine andere geheime Kraft, die der Menschen Sinne zwiespaltig mit sich selbsten macht. Was soll ich mit zwei Weibern tun? Ich verehre den Wink des Himmels und deinen Schwur. Diese nehm ich wieder an; aber gern geb ich dir jene dagegen, die ich gegenwärtig besitze.

      PRINZ. Wie?

      ANDRASON. Bringt sie her!

      Die Sklaven ab.

      PRINZ. Sollte ich nach so viel Leiden noch glücklich werden können?

      ANDRASON. Vielleicht tun hier die Himmlischen ein Wunder, um uns beide zur Ruhe zu bringen. Laß uns diese beiden als Schwestern betrachten, jeder darf eine besitzen, und jeder die Seinige ganz.

      PRINZ. Ich vergeh in Hoffnung!

      ANDRASON. Komm du auf mein Teil, immer gleich Geliebte!

      Die Mohren heben den Sessel aus der Laube und setzen ihn an die linke Seite des Grundes.

      MANDANDANE im Begriff, die Maske abzuwerfen, an Andrasons Hals. O Andrason!

      ANDRASON der sie nicht aufstehn noch die Maske abnehmen läßt. Still, Püppchen! Stille, Liebchen! Es naht der entscheidende Augenblick!

      Die Sklaven bringen die Puppe, der Prinz auf sie los und fällt vor ihr nieder.

      PRINZ. Himmel, sie ist's! Himmel, sie ist's! Seligkeit tauet herab!

      Die Puppe wird an die andere Seite des Theaters Mandandanen gegenübergesetzt. Hier muß die Ähnlichkeit beider dem Zuschauer


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