Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von Goethe
Читать онлайн книгу.gegensetzt und dräut,
Er bleibt zuletzt allein der Meister.
Kein Widerspruch! kein Widerstreben!
Ich kenne keine Schwierigkeit,
Und wenn umher die Länder beben,
Dann erst ist meine Wonnezeit.
Ein Reich mag nach dem andern stürzen,
Ich steh' allein und wirke frei;
Und will sich wo ein schneller Knoten schürzen,
Um desto schneller hau' ich ihn entzwei.
Kaum ist ein großes Werk getan,
Ein neues war schon ausgedacht;
Und wär' ich ja aufs Äußerste gebracht,
Da fängt erst meine Kühnheit an. –
Ein Schauder überläuft die Erde,
Ich ruf' ihr zu ein neues Werde.
Ein Brandschein verbreitet sich über das Theater.
Es werde Finsternis! – Ein brennend Meer
Soll allen Horizont umrauchen
Und sich der Sterne zitternd Heer
Im Blute meiner Flammen tauchen.
Die höchste Stunde bricht herein,
Wir wollen ihre Gunst erfassen:
Gleich unter dieser Ahnung Schein
Entfaltet euch, gedrängte Massen;
Vom Berg ins Land, flußab ans Meer
Verbreite dich, unüberwindlich Heer!
Und wenn der Erdkreis überzogen
Kaum noch den Atem heben mag,
Demütig seine Herrn bewirtet
Am Ufer schließet mir des Zwanges ehrnen Bogen:
Denn wie euch sonst das Meer umgürtet,
Umgürtet ihr die kühnen Wogen:
So Nacht für Nacht, so Tag für Tag;
Nur keine Worte – Schlag auf Schlag!
HEERESZUG sich entfernend.
So geht es kühn
Zur Welt hinein;
Was wir beziehn,
Wird unser sein:
Will einer das,
Verwehren wir's;
Hat einer was,
Verzehren wir's.
Hat einer gnug
Und will noch mehr,
Der wilde Zug
Macht alles leer.
Da sackt man auf,
Und brennt das Haus,
Da packt man auf
Und rennt heraus.
So zieht vom Ort
Mit festem Schritt
Der Erste fort
Den Zweiten mit;
Wenn Wahn und Bahn
Der Beste brach,
Kommt an und an
Der Letzte nach.
Sechster Auftritt
DÄMONEN DER LIST treten, in verschiedenen Gestalten, von derselben Seite, nach welcher das Kriegsheer abzieht, auf, schlingen sich durch die Kolonne durch, welche, in ihrem raschen Schritt gehindert, langsamer abzieht.
Wenn unser Sang
Gefällig lockt,
Der Siegesdrang,
Er schwankt und stockt;
Wenn unser Zug
Sich krümmt und schlingt,
Der Waffen Flug
Wird selbst bedingt.
Nur alle mit
Dahin! dahin!
Nur Schritt vor Schritt,
Gelassen kühn.
Wie's steht und fällt,
Ihr tretet ein;
Geschwind die Welt
Wird euer sein.
Wenn der Kriegszug das Theater verlassen hat, haben die Neuangekommenen dasselbe schon völlig
eingenommen, und indem der Dämon des Kriegs den Seinigen folgen will, treten ihm die Dämonen der List in den Weg.
Siebenter Auftritt
Dämonen der List.
ALLE.
Halt ein! Du rennst in dein Verderben!
DÄMON DES KRIEGS.
Wer also spricht, der müsse sterben.
PFAFFE.
Erkenn' ich doch, daß du unsterblich bist;
Doch auch unsterblich ist die Pfaffenlist.
DÄMON DES KRIEGS.
So sprecht!
JURIST.
Fürwahr, dein ungezähmter Mut
Läßt sich durch Güte nicht erbitten.
Du wirst mit einem Meer von Blut
Den ganzen Erdkreis überschütten.
DIPLOMAT.
Doch wandl' ich dir nicht still voran
Und folg' ich nicht den raschen Pfaden,
So hast du wenig nur getan
Und wirst dir immer selber schaden.
DAME.
Wer leise reizt und leise quält,
Erreicht zuletzt des Herrschers höchstes Ziel;
Und wie den Marmor selbst der Tropfen Folge höhlt,
So töt' ich endlich das Gefühl.
DIPLOMAT.
Du eilst uns vor, wir folgen still,
Und mußt uns noch am Ende schätzen:
Denn wer der List sich wohl noch fügen will,
Wird der Gewalt sich widersetzen.
DÄMON DES KRIEGS.
Verweilet ihr, ich eile fort!
Der Abschluß, der ist meine Sache.
Du wirkest hier, du wirkest dort,
Und wenn ich nicht ein Ende mache,
So hat ein jeder noch ein Wort.
Ich löse rasch mit einem Male
Die größten Zweifel Angesichts:
So legte Brennus in die Schale
Das Schwert statt goldenen Gewichts.
Du magst nur dein Gewerbe treiben,
In dem dich niemand übertrifft;
Ich kann nur mit dem Schwerte schreiben,
Mit blut'gen Zügen, meine Schrift.
Geht rasch ab.
Achter Auftritt
Dämonen