Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse , 1. Band. Walter Brendel

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Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse , 1. Band - Walter Brendel


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die reinste Wahrheit hingenommen. Auch heute gibt es noch viele Leute, die ähnliche Geschichten über Kinderschlachtungen und rituelle Opferung von Tieren glauben, meist in einem Atemzug mit sexuellem Missbrauch und satanischer Beeinflussung.

      Die Freudianer müssten ihre Freude daran haben, diese zählebigen Mythen über satanische Kreaturen mit Hörnern, langen roten Schwänzen und unersättlicher sexueller Gier, über entführte, sexuell missbrauchte, verstümmelte oder ermordete Kinder, über Frauen mit langen Stielen zwischen ihren Beinen und einer Zaubersalbe, die zu einem One-Night-Stand mit einem dämonischen Ziegenbock abheben, und über Kreaturen mit Superkräften wie etwa Verwandlung. Meine Vermutung ist, dass Hexerei und Zauberei zum größten Teil im dampfenden Kessel sexueller Unterdrückung gebraut wurden und eine Rechtfertigung für den öffentlichen Handel mit literarischer und bildlicher Pornographie bildeten, die von der Kirche geschaffen, abgesegnet und glorifiziert wurde.

      Sicherlich gab es auch eine Verfolgung derjenigen – besonders auf dem Lande – die eine Verbindung zu ihrer heidnischen Vergangenheit bewahrt hatten. Aber es ist schwer zu glauben, dass die Beschreibungen der Hexerei, die gefolterten und verstümmelten Opfern über Hunderte von Jahren entrissen wurden, nicht zum größten Teil in der Phantasie ihrer Folterer entstanden. Die Macht der Inquisitoren war so groß und ihre Foltermethoden so elaboriert und ausgesucht sadistisch, dass sie Tausende ihrer Opfer dazu bringen konnten, selbst zu glauben, sie seien besessen und verrucht. Diese Grausamkeiten und Wahnideen hielten mehrere Jahrhunderte durch an, und die Hexenjagd wurde in England erst 1682 abgeschafft. Sie wurde nach Amerika importiert und führte 1692 in Salem, Massachusetts, zu einem Prozess, in dessen Folge 19 Hexen gehängt wurden. Die letzte öffentliche Hinrichtung einer Hexe fand 1793 in Polen statt; der letzte Versuch, eine Hexe öffentlich hinzurichten, geschah 1900 in Irland, als zwei Bauern sich bemühten, eine Hexe über ihrem eigenen Feuer zu rösten.

      Wie auch immer die psychologische Grundlage für die Schaffung einer fiktiven Anti-Kirche mit Hexen und Zauberern im Verbund mit Satan zur Verspottung und Entweihung der kirchlichen Symbole gewesen sein mag, das praktische Ergebnis war eine stärkere und mächtigere Kirche. Niemand weiß, wie viele Hexen, Ketzer oder Zauberer von den Frommen gefoltert oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden, aber die Furcht, die von der mittelalterlichen und der spanischen Inquisition verbreitet wurde, muss nahezu jedermann im christlichen Abendland erfasst haben. Eine Beschuldigung als Hexe war so gut wie eine Verurteilung. Leugnete man, bestätige man die eigene Schuld: Natürlich wird eine Hexe behaupten, sie sei keine und sei glaube nicht an Hexerei. Werft sie in den Fluss! Wenn sie versinkt und ertrinkt, beweist dies, dass sie keine Hexe ist; schwimmt sie oben, wissen wir, dass der Teufel ihr beisteht. Zieht sie dann aus dem Wasser und verbrennt sie, denn die Kirche mag kein Blutvergießen!

      Tatsächlich führte die Kirche eine Schreckensherrschaft, die denen von Hitler oder Stalin in vielerlei Hinsicht etwas voraushatte. Hitlers und Stalins Terrormethoden hielten nur wenige Jahre vor und waren geographisch beschränkt; der kirchliche Terror dauerte Jahrhunderte und war überall in der Christenheit zu finden. Er war außerdem primär gegen Frauen gerichtet. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Religionen von heute, deren Mitglieder sich Hexen oder Zauberer nennen, antichristlich, heidnisch und frauenzentriert oder satanisch sind, und es sollte nicht überraschen, dass diese New Age-Religionen all das preisen, was die Kirche verdammte (wie etwa Egoismus und gesunde Sexualität jedweder Art) und das verdammen, was sie Kirche pries (wie etwa Selbstkasteiung und die untergeordnete Rolle der Frau). Wer will ihnen das vorwerfen?

      Die grauenhafte und tragische Geschichte des Hexenwahns beginnt also mit einem Übersetzungsfehler: Das hebräische Wort, das an dieser Stelle verwendet wird, ist wesentlich treffender mit „Giftmischerinnen“ zu übersetzen (ähnlich dem Fehler, der aus der „jungen Frau“ Maria die „Jungfrau“ Maria machte).

      Allerdings kann man davon ausgehen, dass es auch ohne explizite biblische Aufforderung eine Hexenverfolgung gegeben hätte.

      Man kann allerdings nicht sagen, dass Innozenz oder die Dominikanermönche die Hexenverfolgung eingeführt hätten; Hexengeschichten sind so alt wie die Menschheit. Was sie allerdings bewirkten, war eine Systematisierung der Verfolgung, die die ohnehin geringen Überlebenschancen der Angeklagten gegen Null streben ließ. Insbesondere der dritte Teil des Hexenhammers - die Prozessordnung - sollte sich als verheerend erweisen. Dennoch dauerte es noch beinahe hundert Jahre, ehe der Hexenwahn zu einer wahren Epidemie wurde; bis dahin waren Hexenprozesse eher vereinzelt geblieben.

      Ein typischer Hexenprozess begann üblicherweise mit einer - meist anonymen - Beschuldigung, zu der man sich vor dem Inquisitionsgericht äußern musste. Wenn man nicht sehr viel Glück oder einen exzellenten Anwalt hatte - der nicht zu eifrig auftreten durfte, um sich nicht verdächtig zu machen - wurde aus der Befragung (eigtliche Bedeutung des Wortes Inquisition) ein echtes Verhör, das mit dem Zeigen der Folterinstrumente und schließlich der tatsächlichen Folter fortgesetzt wurde. Es gab üblicherweise fünf Stufen der Folter, die von den Inquisitoren variiert werden konnten; überlebte eine Angeklagte tatsächlich alle fünf Stufen, ohne zu gestehen, war sie frei (eine Sitte, die Sprenger/Institoris sehr missfiel und die sie im Hexenhammer zu unterminieren versuchen). Die Wasser- oder Feuerprobe war bei weitem nicht die einzig mögliche Methode.

      Der genaue Ablauf des Prozesses hing sehr von den beteiligten Personen und der Region ab, in der er stattfand. Da die Inquisition auf die weltlichen Behörden zur Durchsetzung der Urteile angewiesen war, musste sie versuchen, sich deren Kooperation zu sichern, etwa durch Bestechung, Überredung oder Drohung (man denke an Innozenz Strafen). Viele Mächtige waren natürlich selber ebenfalls hexengläubig. Auch die Persönlichkeit der Inquisitoren spielte eine Rolle; anders als viele meinen, war nicht jeder Inquisitor ein perverser Wüstling und roher Folterknecht, und manche waren durchaus an der Wahrheit interessiert. In Städten wie Frankfurt oder Basel kam es nur zu wenigen Hexenprozessen; in Holland etwa erreichten sie nie die Verbreitung, die sie in Deutschland, England, der Schweiz oder Frankreich hatten. In protestantischen Ländern waren Hexenprozesse im Allgemeinen häufiger als in katholischen; in Spanien trat der Hexenprozess gegenüber dem Ketzerprozess in den Hintergrund.

      Vor der Veröffentlichung des Hexenhammers war eine übliche Strafe für eine bußfertige Hexe lebenslange Kerkerhaft, aber danach war die bei weitem häufigste Strafe das Verbrennen, oft bei lebendigem Leibe. Aber nicht jeder Hexenprozess endete mit der Todesstrafe; das ganze Instrumentarium von Leibstrafen über Geldbußen bis hin zu Kirchenstrafen wurde eingesetzt. Nach einem Schuldspruch wurde der Besitz der Hexe konfisziert und kam teils den Inquisitoren, teils des weltlichen Behörden zugute, ein Brauch, der dazu führte, dass nach einer Weile mehr und mehr wohlhabende Leute angeklagt wurden.

      Im Zuge des Hexenhammers war jeder noch so hinterhältige Trick erlaubt, um eine Hexe zum Geständnis zu bringen. So konnte der Inquisitor Strafminderung versprechen, ohne dieses Versprechen halten zu müssen; er konnte sich Beschuldigungen und Ankläger ausdenken und nach Belieben Zeugenaussagen fälschen, da es der Angeklagten gemäß Vorschrift nicht gestattet war, ihren Anklägern gegenüberzutreten. Es wurde ihr außerdem nahegelegt, noch weitere Hexen zu benennen, gegen die dann ein neuer Prozess angestrengt werden konnte. Die Inquisitoren scherten sich nur selten um das Beichtgeheimnis, dem sie kirchenrechtlich eigentlich unterlagen.

      In den Folterstuben haben sich grauenhafte Szenen abgespielt, die nicht selten in Vergewaltigung und sexuellen Sadismus mündeten. Die Technik, durch Stechen in verschiedene Körperteile der Hexe das sogenannte „Hexenmal“ ausfindig zu machen, war eine hervorragende Methode, die Angeklagte ausziehen und berühren zu dürfen - alles für die Wahrheitsfindung. Ein englischer Hexenjäger gab Mitte des 17. Jahrhunderts zu, er sei für den Tod von 220 Frauen verantwortlich - für jeweils 20 Shilling pro Opfer (er endete am Galgen). Die Befragungen nahmen häufig einen verschmitzt-sexuellen Ton an, und viele Inquisitoren erkundigten sich sorgfältig nach allen Details der erotischen Eskapaden mit Satan und seinen Dämonen.

      Im Hexenprozess ging es nicht nur im einen religiösen, sondern meist auch um einen tatsächlichen Schaden, der von der Hexe angerichtet worden sein soll: Kinder werden krank, Kühe sterben, Scheunen brennen, die Ernte ist verdorben und so weiter. Da solche Ereignisse ständig vorkamen, war auch immer Bedarf an Schuldigen, und da man sich im Prozess nicht mit Logik, Motiv, Gelegenheit und Alibi herumschlagen


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