Der Weg nach Afrika - Teil4. Helmut Lauschke

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Der Weg nach Afrika - Teil4 - Helmut Lauschke


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Betten, über denen Moskitonetze hingen, mit allem Drum und Dran, die in ihrer Sauberkeit und Ordnung, die schweizerisch waren, vom übrigen Hospital in seinem runtergekommenen Zustand nicht krasser abstechen konnte. Dort gab es drei Ärzte, den Allgemeinarzt, den Chirurgen und den Anästhesisten. Dazu kam der Zahnarzt mit eigenem, voll eingerichtetem Behandlungsraum. Die Schwestern hatten ihre Diplome und Erfahrungen. Da war ein Bildungsstandard, von dem man in Afrika noch träumte. Geleitet wurde die Abteilung von einem Major, der intelligent und freundlich war und die Übersicht hatte. Es gab Fälle, für die sie Dr. Ferdinand riefen, der einige ihrer Patienten operierte, wobei ihm der Schweizer Chirurg assistierte und der Anästhesist die Narkose gab. Da waren Oberarmbrüche, die verplattet, Brüche an Unterarmen, Handgelenken und Unterschenkeln, die gerichtet und eingegipst wurden. Es wurden einige Appendektomien und ein Leistenbruch operiert, die die Schweizer überwiesen. Die Schweizer Gipsbinden waren von hervorragender Qualität und den afrikanischen weit überlegen. Sie brachten mit dünnen Lagen die nötige Festigkeit, für die mit den Gipsbinden des Hospitals dick aufgetragen werden musste. Es entstand eine Freundschaft zu den Kollegen der UNTAG. Man sprach viel und diskutierte miteinander. Man sah der Armut der Menschen gleichermassen ins Gesicht und versuchte, an das Gute im Menschen zu glauben, dem die Einbrüche und Stehlereien im Dorfe grossen Schaden zufügten. Da meinte der malaysische Kollege, dass es Diebstähle auch in seinem Land gäbe, sie hier als ein Übergang in Kauf genommen werden müssten, was die Schweizer Kollegen anders sahen, weil die sich an Diebstähle in der Schweiz nicht erinnerten. Sie meinten, dass das Ausmass der Plünderung und Demolierung, wie sie das Dorf befiel, mit Armut wenig und mit der Freiheit, die am Ende des Übergangs stehen soll, nichts zu tun hat. Das sagten sie, ohne deshalb ihre Schweizer Sonnenbrillen aufzusetzen, weil sie sich sicher waren, dass da noch ein Manko im Verständnis der Zivilisation zurückgeblieben war. Denn das hatten sie in anderen afrikanischen Ländern gesehen, die längst unabhängig waren, dass da die Menschen wie Raben stahlen und mit guten Zureden und milden Strafen nicht vom Stehlen abzubringen waren.

      "Dann haben wir ja schlechte Aussichten", meinte Dr. Ferdinand. Die Schweizer verwiesen auf das korrupte Verhalten afrikanischer Präsidenten, die zu den reichsten Männern der Welt zählten, während ihre Völker zu den ärmsten gehörten, die sich nicht ernähren können. Sie erwähnten die Vetternwirtschaft in den Regierungen und die Skrupellosigkeit bei ihrer Selbstbereicherung. "Erst wenn die Politiker und Präsidenten von der Korruption ablassen und das Vorbild der Rechtschaffenheit und Sauberkeit geben, kann die Armut verringert und die Kriminalität ernsthaft und mit Aussicht auf Erfolg bekämpft werden." Sie setzten die Sonnenbrille auf, als sie sagten, dass da Namibia keine Ausnahme machen werde, wenn erstmal die Schwarzen an der Macht sind. So sprachen die Menschen der UN-Friedenstruppe, die den Kontinent besser kannten als Dr. Ferdinand, der sich bei der pessimistischen Bemerkung eine Pontonbrücke über den breiten Sambesi vor Augen hielt, an der die Flachkähne bereits unter Wasser standen, bevor die Menschen das Ufer der Freiheit erreichten. "Die Menschen müssen ehrlich werden, dann begreifen sie auch, dass man mit der Hände Arbeit viel erreichen kann, wenn die Hände die Armut mit den Wurzeln ausrotten, Mais- und Getreidefelder bauen, sich bei der Arbeit gegenseitig achten und unterstützen, als auf den Tag zu warten, der niemals kommt.".Das sagte der Schweizer Anästhesist, und bei Dr. Ferdinand klingelte das Brecht'sche Wort vom 'Sanktnimmerleinstag' im ‘guten Menschen von Sezuan’ im Ohr.

      Rückkehr der Namibier aus dem Exil

      Ein erstaunliches Begleitphänomen war die Rückkehr der Namibier aus dem Exil, die vom Juli des Jahres 1989 an zu einem regelrechten Rückstrom anschwoll. Da errichteten die australischen Blaumützen Aufnahmelager für die rückkehrenden Flüchtlinge in Ongwediva, etwa fünf Kilometer östlich von Oshakati, in Oshikuku, vor der katholischen Mission, auf dem Missionsgelände in Döbra bei Windhoek und anderswo. Dort entstanden Dörfer aus Zelten und gemauerten Waschräumen, Toiletten und einer Gemeinschaftsküche. Die Dörfer waren hoch eingezäunt und wurden durch australische Blauhelme vor Übergriffen von aussen gesichert. Es gab ein Scharmützel vor dem Lager in Oshikuku, als die Koevoet mit ihren 'Casspirs' versuchte, ins Lager einzudringen und die Exilanten zu durchsuchen. Die Australier wehrten das Eindringen mit Waffengewalt ab. Mit den Exilanten kamen auch die Ärzte zurück, die über die Swapo in den Ostblockländern, den skandinavischen Ländern und auf Kuba Medizin studiert und die ersten Schritte im klinischen Handwerk gelernt hatten. Die älteren von ihnen betreuten die PLAN-Kämpfer in Sambia und Angola, und einige standen ihnen mit der Waffe zur Seite. Sie kamen bis ins Büro des Superintendenten, der sie natürlich als Brüder und Schwestern im Kampf um die namibische Unabhängigkeit umarmte. Oft rief er Dr. Ferdinand hinzu, um ihm die ärztlichen Freiheitskämpfer mit brüderlichem Stolz vorzustellen. Da wurde nicht mehr afrikaans gesprochen, und weil das Englische stolperig war oder ganz haperte, kamen sie mit russisch, deutsch im sächsischen Dialekt, bulgarisch, rumänisch, polnisch, finnisch, schwedisch oder spanisch. Sie kamen mit Allerweltssprachen, die das einst am Ende der Welt gelegene Hospital in ein Sprachendurcheinander brachten, an dem einst Afrikaans die offizielle Sprache und nun eine kosmopolitische Sprachennote zuzusprechen war. Da bedrückte es Dr. Ferdinand, dass er da mit seinem Schulrussisch aus den Jahren 1945 bis 1951 nicht mithalten konnte. Das galt auch den lückenhaften Spanischkenntnissen, aber nicht für die anderen Sprachen, weil er die weder in der Schule unterrichtet bekam noch sich für diese Sprachen an der Volkshochschule eingeschrieben hatte.

      Es fiel ihm bei der Vorstellung durch den Superintendenten und den anschliessenden Gesprächen auf, dass diese Intellektuellen lieber zuhörten als sprechen wollten. Freundlich waren sie und lächelten auch. Ob sie alles verstanden, was in englisch über die Medizin im Allgemeinen und die Medizin am Hospital im Besonderen gesprochen wurde, das war ihm nicht immer klar. Es lohnte sich weniger, ans medizinisch Eingemachte zu gehen, wie es die Engländer und Amerkaner tun, und nun auch die Schweizer taten, weil da in oft erschütternder Weise nicht viel kam, was hätte kommen müssen. Einige gaben dafür die fehlenden englischen Sprachkenntnisse an, andere sagten gar nichts und liessen die Frage mit dem Gesicht der grössten Selbstverständlichkeit offen im Raume stehn und an der Wand runterrutschen. Da gab es Unebenheiten, die nachdenklich machten in der Vorstellung, dass solche Ärzte, die es sicher schwer hatten, mit mangelhaften Sachkenntnissen ans Krankenbett der Patienten treten, die es nicht leichter haben. Von der Zahl her wurde die Ärzteschaft am Hospital erheblich aufgestockt, von der Qualität her blieb allerdings manches zu wünschen übrig. Da mussten Wissenslöcher ebenso gestopft wie technische Ungeschicklichkeiten geglättet werden. Der Wille aber, und das war das Entscheidende, am Patienten zu arbeiten, der war gegeben, dass man da nicht negativ sehen sollte, wenn es am Anfang Dinge gab, die nicht gewusst, und es technische Probleme gab, die nicht gemeistert wurden. So hatte die Übergangsperiode viele Facetten, die beachtet werden mussten, weil sie einerseits den Weg in ein freies Namibia säumten und andererseits einen vor den Kopf schlugen, wenn man gewisse Begleitumstände nicht begreifen konnte wie das Übel mit der ständigen Stehlerei. Doch gab sich Dr. Ferdinand selbst zu, dass er das Bild mit der Pontonbrücke über den Sambesi mit den unter Wasser stehenden Flachkähnen nicht aus den Augen bekam.

      Es war an einem Donnerstag gegen ein Uhr mittags. Dr. Ferdinand fühlte sich durch einen fieberhaften Infekt geschwächt unf wollte statt Mittagessen im Speiseraum eine kurze Mittagsruhe in seiner Wohnstelle einlegen. Da klingelte das Telefon schon, als er sich die Sandalen in der Veranda abstreifte. Ein Verletzter war gebracht worden, dem eine Handgranate das rechte Bein abgerissen hatte und massiv aus dem Stumpf blutete. Er liess alles stehn und liegen, schlüpfte in die Sandalen zurück, ohne sie zuzuschnallen, und eilte mit dem Auto zum Hospital. Der Verletzte lag auf dem Tisch im kleinen Op-Raum des 'Outpatient departments' und schrie vor Schmerzen. Auf dem Boden hatte sich eine grosse Blutlache angesammelt. Dr. Nestor, der Superintendent, war blutverschmiert, der auf den Beinstumpf mit grossen Kompressen drückte, die blutdurchtränkt tropften. Der kleine Op war von Ärzten und Sehwestern gefüllt, in dem sich die Bullenhitze staute, dass man sich kaum bewegen und nur schwer atmen konnte. Die Begleitumstände waren die miesesten, die es gab, als Dr. Ferdinand die klitschnassen Kompressen übernahm, auf den Boden warf und neue aufdrückte, und Dr. Nestor dem Verletzten die Maske für die Narkose aufs Gesicht drückte. Es gab zu wenig Klemmen für die blutenden Gefässe. Zwei Schwestern rannten und brachten zwei verpackte Nierenschalen mit den wenigen Instrumenten. Sie öffneten sie in grösster Eile.


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