Die Mensch-Erklärungsformel (Teil 3). K. Ostler

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Die Mensch-Erklärungsformel (Teil 3) - K. Ostler


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Maßstäben erfolgreiches Leben führen und nicht auf die – salopp ausgedrückt – schiefe Bahn geraten sind.

      Es wird dann auf deren vorhandene psychische Widerstandsfähigkeit im Gegensatz zu offensichtlich mit großen Persönlichkeitsstörungen kämpfenden Zeitgenossen, die von ähnlichen Kindheitserfahrungen geprägt wurden, verwiesen und daraus gefolgert, dass die bedrückenden Erfahrungen keine nachhaltigen und schwerwiegenden Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen hatten.

      Als ein stellvertretendes Beispiel für große Resilienz wurde in einem Artikel eines deutschen Nachrichtenmagazins in seiner Titelgeschichte ein sehr bekannter, ehemaliger Bodybuilder genannt, der nach dieser Karriere noch weitere Karrieren erfolgreich gemeistert hat.

      Dies die oberflächliche gesellschaftliche Beurteilung, die sich an den Ergebnissen der vermeintlich gelungenen Sozialisation orientiert. Dieser Menschenschlag hat sich von den mitunter traumatischen Erlebnissen der Kindheit nicht unterkriegen lassen, strahlt nach außen Selbstvertrauen aus, ist belastbar, hat sein Schicksal selbst in die Hand genommen und es so bestimmt.

      Bei der Analyse aus identitätsgemäßer Sicht ist die Bewertung eine andere.

      Grundsätzlich gilt, dass erhebliche Verletzungen und Missachtungen der psychischen Grundbedürfnisse in der kindlichen Entwicklung ausnahmslos eine psychische Schädigung und eine latente negative Beeinträchtigung hinterlassen.

      Aus diesem Faktum ist zu folgern, dass der eigentliche Antrieb für resilientes Verhalten (in der gesellschaftlich akzeptierten und anerkannten Ausprägung) im Kern eine Kompensation mit determinativem Charakter ist.

      Diese Resistenz ist ein Reaktionsmuster bzw. -form auf die Belastungen und Defizite der Kindheit und der Betroffene unterliegt dadurch einer, wenn auch unbewussten, Verhaltenssteuerung, in den meisten Fällen in Gestalt einer besonderen Getriebenheit und Unruhe.

      Über zum Beispiel große Strebsamkeit, hohe Leistungsfähigkeit und durchsetzungsstarkes oder sogar rücksichtsloses Handeln sollen die Erniedrigungen und Demütigungen der Kindheit bewältigt werden, um über dem Weg des materiellen Erfolges die nicht erhaltene Annahme, Wertigkeit/Wertschätzung und Bestätigung zu generieren und zu erhalten.

      Dass sich im Vergleich zu Menschen, die ihr Leben wegen ihrer Kindheitserlebnisse überhaupt nicht in den Griff bekommen, das resiliente Verhalten entwickeln und durchsetzen konnte, liegt, wie bereits dargelegt, einerseits an den unterschiedlichen genetischen Voraussetzungen, die jeder Mensch hat und andererseits an der jeweiligen speziellen Konstellation, die sich für den Betroffenen gemäß den Identitätsproblematiken 2 bis 4 ergibt.

      Dies heißt im Klartext: Problembehaftete Lebensverhältnisse entfalten je nach genauer Situation ihre besondere Wirkung und dadurch bringt die psychische Gesamtkonstitution eines Menschen stets ein individuelles Bild hervor. Grundsätzliche Verallgemeinerungen sind nicht zielführend.

      Noch eine Bemerkung: Die nach außen sich dokumentierende Resilienz darf nicht darüber hinwegtäuschen, welche zum Teil schwerwiegenden Persönlichkeitsprobleme und -defizite sich beim Blick hinter die erfolgreiche Kulisse verbergen, vor allem, weil es in diesen Fällen oftmals zu Verlagerungen auf andere Felder (u. a. Umgang mit den Mitmenschen, Beziehungs- und Bindungsschwierigkeiten, sexuelle Ausschweifungen) kommt.

      Da psychisch erheblich Geschädigte in der Regel Meister im – unbewussten - Vertuschen und Schauspielen sind und zudem sein müssen, um ihr fragiles Pseudogleichgewicht zu schützen (Stichwort: Erhalt der Funktionsfähigkeit; Bereich des Überlebenstriebes), ist es von außen sehr schwer erkennbar, in welcher Situation und Verfassung sich der Leidtragende tatsächlich befindet.

      Dies bedeutet ebenfalls, dass es sehr schwierig festzustellen ist, ob ein Verhalten natürlich initiiert wurde oder auf dem Antrieb eines psychischen Mangels und einer Persönlichkeitsstörung beruht und damit eine klassische Ersatzhandlung darstellt.

      Eine diesbezüglich klare Abgrenzung oder prozentuale Zuordnung (Grad der Echtheit einer Handlung) ist aufgrund von Überlagerungen seriös nicht möglich.

      Sichtbar und buchstäblich selbstentlarvend wird fassadäres Verhalten an den sogenannten Bruchstellen der Persönlichkeit, die umgangssprachlich gerne als die zwei Gesichter eines Menschen beschrieben werden (Dr. Jekyll and Mr. Hyde-Syndrom).

      Eine Bruchstelle ist eine Schwachstelle, die wegen der Inhomogenität der psychischen Substanz und der hieraus resultierenden identitätsgemäßen Unausgeglichenheit erwachsen konnte.

      Der Druck auf die Psyche (respektive auf die veranlagungsgemäße Vorgabe) vom nach wie vor existierenden und aktiven Urstimulus der primären psychischen Schädigung und dessen Ausstrahlung auf die Verhaltens- und Handlungsweisen ist auf Dauer zu stark, um eine von Stimmigkeit, Geradlinigkeit und Harmonie geprägte und bestimmte Wesensart und Lebensführung anhaltend zu realisieren.

      Eine gesunde, stabile, ausgewogene und deswegen ungefährdete (von außen nicht angreifbare) Persönlichkeitsstruktur zeichnet sich hingegen durch weitgehende Angstfreiheit, hohe Belastbarkeit (Kraft/Stärke), große Frustrationstoleranzen, innere Ruhe und besondere Berechenbarkeit aus und nicht durch erhebliche Schwankungen der Gemüts-, Stimmungs- und Seelenlage, ob innerhalb des familiären, privaten, sozialen, gesellschaftlichen und beruflichen Bereiches.

      Zur Beurteilung der gesamten Persönlichkeit und deren identitätsgemäßer Verfassung dürfen daher nicht nur einzelne Verhaltens- und Charakteraspekte herangezogen werden, sondern das Gesamtbild ist maßgeblich (Stichwort: ganzheitlicher Ansatz).

      Was allgemein wohlwollend und verharmlosend als unterschiedliche Naturelle oder Typen- und Verhaltensfacetten beschrieben und meist auch akzeptiert wird, ist tatsächlich ein Indiz für eine „gebrochene“ und somit instabile Persönlichkeitsstruktur (siehe dazu auch Abschnitte „Doppelleben“ und „Doppelmoral“).

      Hier sind nicht nur extreme Verhaltensweisen gemeint, wie beispielsweise der treu sorgende und liebevolle Familienvater, der am Samstag im Fußballstadion den brutal schlägernden Hooligan abgibt, oder der empathische Seelsorger, der seine jugendlichen Schäfchen missbraucht, oder der mordende, seine Opfer verhöhnende Soldat, der Zuhause Frau und Kind hat und liebvoll umsorgt, oder der Angestellte, der in der Arbeit und seiner Umwelt gegenüber zurückhaltend, freundlich und hilfsbereit auftritt, aber in der Familie streng, aggressiv und gewalttätig ist (und so ein gegenteiliges Bild abgibt, also sinnbildlich seine „andere“ Seite bzw. ein „anderes“ Gesicht zeigt), indes die alltäglichen und daher als mehr oder minder normal angesehenen Verhaltensauffälligkeiten, die entweder latent vorhanden sind oder sporadisch hervor- und durchbrechen.

      Ob griesgrämiges, missgelauntes, missmutiges (permanente, starke Stimmungsschwankungen/Launenhaftigkeit), aufbrausendes, cholerisches, rabiates, unbeherrschtes, schnell die Nerven verlierendes, hysterisches, gehässiges, scheinheiliges, boshaftes, intrigantes, hinterhältiges, arglistiges, heuchlerisches, heimtückisches, verschlagenes, niederträchtiges, schadenfrohes, jähzorniges, aggressives, reizbares, streitbares, brutales, hasserfülltes, feindliches, rachsüchtiges, überempfindliches, verlogenes, unaufrichtiges, verleumderisches, Macht demonstrierendes, emotional kaltes, herrisches, gewissenloses, herabsetzendes, diskreditierendes, kränkendes, verletzendes, diffamierendes, infames, angeberisches, besonders eitles, überspanntes, unterwürfiges, ängstliches, devotes, feiges, missgünstiges, neidisches, eifersüchtiges, habsüchtiges, übermäßig Alkohol konsumierendes, zynisches, ausfallendes, beleidigendes oder infantiles Verhalten, all diese Verhaltensausprägungen werden rational bagatellisierend und verniedlichend als Eigenartigkeit, Eigenheit, Marotte, Spleen, Tick, (An) Gewohnheit, Verrücktheit, Exzentrik, Charakterzug oder sogar als Individualität und vorgegebenes Temperament angesehen.

      Diese Verhaltensformen sind Indikatoren für eine sich nicht im Gleichgewicht befindliche, weil psychisch mehr oder minder stark gestörte Persönlichkeit.

      Selbstverständlich ist das jeweilige, nicht genau abzugrenzende Verhalten Ausdruck von Individualität, aber es muss betont werden, dass es sich nicht um eine natürliche, originäre Individualität handelt, vielmehr bezieht sich diese auf die individuelle psychische Defizitsituation.

      Anders formuliert: Jeder Mensch ist einzigartig, nicht nur genetisch/biologisch, sondern vor allem in seiner Verdrängungs- und Ersatzhandlungsstruktur


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