Leidenschaft. Andreas Nass

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Leidenschaft - Andreas Nass


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machte ich mich auf den Weg und fand Yana in ihrem Studierzimmer. Als Magierin des Tempels trug sie eine dunkle Robe mit silbernen Ornamenten, deren Sinn ich nicht verstand. Die Muster gefielen mir jedoch. Meine Geliebte hatte mehrere Folianten geöffnet und einige Karten der Gebirgszüge ausgebreitet. Damit keines ihrer schwarzen Haare ins Gesicht fiel, hatte sie einen langen Zopf gebunden und kreisförmig auf dem Kopf mit mehreren Silberspangen befestigt.

      Strahlend blickte sie mit ihren dunkelbraunen Augen zu mir auf. »Crish!«, rief sie freudig, erhob sich galant und kam mir mit einem Lächeln ihrer sanft geschwungenen Lippen entgegen. Wir fielen uns in die Arme. Ich drückte sie ganz fest an mich und überflutete sie mit freudigen Küssen. Meine Angst um ihre unbeschadete Rückkehr von Burg Mairéad an der Ostküste zurück zum Scharlachroten Tempel wich meiner Neugierde.

      »Was studierst du denn?« Ich deutete mit meiner Nasenspitze auf die Notizen.

      »Während du einen kleinen Urlaub genommen hast«, neckte sie, »habe ich mich mit den beiden Gebirgen beschäftigt, in denen sich aktive Vulkane befinden. Genau genommen sind es drei Vulkane, die sind aber auch gewaltig. Schau«, sie führte mich zu einer groben Skizze, »in den Narbenlanden ist offenbar während der Magierkriege dieser Vulkan ausgebrochen. Er wird allgemein Südfeuerspitze genannt, da er sich beim Zenit direkt unterhalb der Sonne befindet. Nördlich von ihm erstreckt sich ein gewaltiger Graben, als hätte ein Henker seine riesige Henkersaxt in den Boden getrieben. Das ist der Schlund, ein Erbe des Krieges, in der Region auch als Rand der Welt bekannt. Ebenfalls in den Narbenlanden befindet sich das Teufelshorn. Dieser Vulkan speit unablässig seine Lava hinaus. Das ganze Gebirge um ihn herum ist aus dem abgekühlten Magma geformt worden.«

      »In die Narbenlande will ich nicht. Bei meinem letzten Besuch waren dort eindeutig zu viele Knochengerippe und von den Verzerrungen im magischen Energiefluss hatte ich ständig grässliche Kopfschmerzen. Was ist die Alternative?«

      »Das Orkgebirge«, ihr Finger tippte auf die Region im Nordosten der Verlorenen Reiche. »Stammt da nicht Wogar her?«

      »Ja, seine Mutter ist ein Ork. Über sie weiß ich nichts. Jedoch sein Vater ist ein roter Drache«, ich spitzte meine Lippen, »wenn nicht sogar der Stammvater der roten Drachen, Amogoron. Der soll dort über die Orks regieren.«

      »Vielleicht ist der ganz in der Nähe. Die Orks nennen den Vulkan das Feurige Auge, wohl in Anlehnung an Buu-naa, dem einäugigen Gott.«

      »Verdammt«, fluchte ich, »gerade jetzt könnte ich den Halbdrachen gut gebrauchen. Soll er für seine Dummheit in den Zellen des Paschas verfaulen! Von Moi’ra ganz zu schweigen, kaum hat diese Kettenteufelin die Hitze ihres Gottes erkannt, schon verschwindet sie in die Tiefen der Verließe jenseits unserer Ebene. Bei Torvac kann ich durch sein dämonisches Erbe von einer gewissen Resistenz gegen Feuer ausgehen, aber alle anderen, die ich mit in das Orkgebirge nehmen will, brauchen Schutzamulette. Gerade jetzt, wo der Tempel geschwächt wurde, muss ich meiner Mutter mit solchen Kleinigkeiten kommen. Am besten, ich frage sie erst gar nicht, und umschmeichle einige der Kleriker. Proviant brauche ich auch noch, und eine hitzebeständige Kiste, in der ich die Essenz eines Feuerelementarwesens transportieren kann. Saphira meint, wenn sie den Chaostrank für mich brauen soll, dann müssen die Zutaten frisch und unversehrt bleiben.«

      »Hier auf der Karte habe ich die Siedlung eingezeichnet, die am nächsten zum Feurigen Auge liegt. Vrath’par ist ihr Name, der letzte Atem. Sie dürfte etwa doppelt so groß sein wie der Scharlachrote Tempel und einem Orkkönig unterstehen.«

      »Eine ziemlich weite Reise. Für das Gebirge brauche ich einen kundigen Führer, und durch den Krieg werden wir außerhalb der Städte jagen müssen. Ein kleiner, berittener Trupp, den wird meine Mutter wohl erübrigen können.«

      »Dann mach dich mal auf den Weg, mein Schatz«, lächelte Yana und gab mir einen Kuss, »ich fertige dir noch eine Skizze an und sehe mich nach einer geeigneten Transportkiste um.«

      Mein Schmollmund gab ihr zu verstehen, dass ich mich viel lieber mit ihr beschäftigt hätte. Sie war immer so vernünftig. Seufzend kleidete ich mich um und suchte meine Mutter auf.

      Wie ich schnell feststellte, hatte der Thronsaal schweren Schaden genommen. Leichen und Metallschrott waren entfernt worden, doch hin und wieder sah ich noch einzelne Teile oder eingetrocknete Blutlachen. Auch nach über einem Jahr gab es zahlreiche Spuren des Angriffs. Ein beständiger Strom von Arbeitern transportierte Geröll ab, reinigte geräumte Flächen oder mauerte bereits neue Gebäude. Die gepflegte Muße des Tempels trug zu den langwierigen Aufbauarbeiten bei. Harte, körperliche Arbeit fand im Tempel eher in anderer, sehr lustvoller Form statt, und Schwielen wollte kein Bediensteter haben. So bestanden die Arbeiter allesamt aus Mietlingen und Arbeitssklaven. Ihre Aufsicht übernahm die Tempelwache, deren Zahl jedoch unter den wütenden Mordmaschinen gelitten hatte.

      Vom neuen Hauptmann der Wachen, Aodhán, wurde ich zum intakten Nebengebäude geführt. Der Krieger war sehr schweigsam und einige Narben in seinem faltigen Gesicht zeigten, wieviel Glück er bislang hatte, noch am Leben zu sein. Sein sichtlich fortgeschrittenes Alter konnte nur große Erfahrung im Kampf ausgleichen. Neben seinem Breitschwert und einer kurzen Klinge steckten mindestens ein Dutzend Dolche in einem breiten Band quer über seinem muskulösen Brustkorb. Auch das war eine Warnung an jeden, der meinte, seinen Posten einnehmen zu können.

      Bevor wir die Kammer erreichten, in der sich der neue Thronsaal befand, hörte ich ein Zischen, das mich sofort versteifen ließ.

      »Aodhán, lasst uns allein.« Fahatmanephtis kreuzte unseren Weg. Die Nagkhalyi kam aus der Dunkelheit des Ganges hervor. Ihr Schlangenkörper rutschte über den Boden. Selbst im Schein magischer Fackellichter umhüllte eine düstere Aura den aufgerichteten Oberkörper einer ansehnlichen, wenngleich streng wirkenden Frau.

      »Jawohl, General!«, salutierte der Mann, machte kehrt und schritt stramm hinaus. Wehleidig sah ich ihm nach, denn die Schlange würde nicht so ruhig bleiben.

      »Zurückgekehrt bist du also, so, so. Lass dich ansehen!«, zischte die Heerführerin und bewegte sich wogend um mich herum. Da sich gleichzeitig auch ihr Leib um mich wandte, war ich faktisch gefangen.

      Schnippisch hüpfte ich über ihre Schwanzspitze und drehte mich anmutig, wie ich es im Tempel der Anu Sens gelernt hatte, hob dabei meine Arme hinauf und formte daraus einen geöffneten Kelch.

      »Zurück und bald schon wieder weg, Nephtis. Ich würde mich ja so gerne mit dir unterhalten«, gurrte ich gefällig, »aber dringende Angelegenheiten erfordern mein Erscheinen bei meiner Mutter. Du erlaubst, dass …«

      »Papperlapapp«, schnitt sie mir das Wort ab, »diese Stimme kenne ich. Du sollst dich nicht lustig machen!« Drohend hob sie ihre Schwanzspitze und spielte damit vor meiner Nase. »Ein junges Küken bist du, nicht mehr! Und Sorgen machst du deiner Mutter, verschwindest ohne ein Wort aus dem Tempel. Leichtfertig bist du! Tsss.«

      Sie beugte sich vor und kam meinem Gesicht mit dem ihren sehr nahe. Ihr herber, brutaler Geruch kitzelte meine Nase, und auch ohne ihre drängenden Worte lief mir eisiges Wasser den Rücken hinunter.

      »Vielleicht war es besser für dich, nicht hier zu sein, während die Maschinen wüteten. Schnell wärst du Opfer der metallenen Hände gewesen. Sie hätten dich zerquetscht, wie eine faule Frucht«, sie ballte ihre sechs Hände auf eindrucksvolle Weise. »Aber glaube nicht, du hättest so einfach entkommen können. Tsss. Bevor dich jemand in den Abgrund schickt, werde ich mir dich vornehmen. Wenn du versagst, werde ich dir Schmerzen bereiten, die du nie vergessen wirst! Also sorge dafür, dass du deine Bestimmung erfüllst, und das Tor zum Abyss öffnest. Und hör mit deinen Spielchen auf! Wir sind nicht zum Spaß hier! Ich werde selbst mit deiner Mutter über deine Erziehung reden. Etwas Ernsthaftigkeit kann nicht schaden. Von Respekt ganz zu schweigen! Tsss!«

      Ihre barschen Worte ärgerten mich. Ich wollte mir nicht sagen lassen, was ich zu tun hatte. Leider hatte ich keine andere Wahl und setzte mein bestes, dienstbares Lächeln auf, ohne dabei völlig unterwürfig zu wirken. Soll sie ruhig wissen, dass ich mich nicht so einfach herumkommandieren ließ.

      »Wie gerne, liebe Nephtis, würde ich allen meinen Verpflichtungen nachkommen«, säuselte ich


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