HIPPIE TRAIL - BAND 2. Wolfgang Bendick
Читать онлайн книгу.sie aus dem kreisenden Pulk und nehmen die Verfolgung des Bootes auf. Der leichte Fahrtwind macht die Fahrt angenehm. Der Kapitän am Steuer nimmt Kurs aufs offene Meer. Jedes Boot hält vom anderen genügend Abstand. Sie sind vier an Bord, plus mir. Da bleibt nicht viel Raum. Die zwei Jüngsten steigen in die Luke und zerkleinern das letzte Eis.
Der Kapitän betätigt das kleine Steuerrad, das mit Ketten, die am unteren Rand der Reling verlaufen, mit dem Rudermechanismus verbunden ist. Diese laufen um gefettete Rollen und haben mit der Zeit etwas Spiel bekommen. Vor dem Steuerrad hängt ein Magnetkompass an der Wand des Ruderhauses. Dann sind wir im Fanggebiet angekommen. Die Fahrt wird herabgesetzt. Alle, außer dem Mann am Ruder, machen sich ans Ausstecken des Netzes. Ich habe nicht viel Ahnung von der Fischerei. Ich sehe aber, dass es sich um ein Schleppnetz handelt, was da langsam ausgesteckt wird, in dem Maße, wie das Boot vorwärts fährt. Was bleibt, ist die Öffnung des Netzes, wie ein Trichter oder ein großes Maul. Oben sind Schwimmkörper befestigt, die es wohl auf eine bestimmte Höhe halten sollen, unten Gewichte, die bewirken, dass das Maul offen bleibt. Als dieses vorsichtig weggefiert ist, werden auf jeder Seite die Schleppleinen auf die richtige Länge gefiert und dann belegt. Inzwischen hat sich das Netz gut mit Wasser gefüllt, die Leinen straffen sich und bremsen das Boot. Jetzt wird dem Motor Saft gegeben. Er hat Arbeit. Anders die Mannschaft, die sich für ein paar Stunden in den Schatten legt, erst Karten spielt und dann schläft, gegen die schräge, hoch aufragende Verschanzung am Bug des Schiffes gelehnt.
Ich stehe mit dem Kapitän in der engen Ruderbude und schaue genau, was er macht. Dann frage ich durch Zeichen, ob ich mal übernehmen kann. Dieser überlässt mir, etwas skeptisch seinen Platz, nachdem er mir auf dem Kompass den zu steuernden Kurs gezeigt hat, und die Zahl genannt. Ich wiederhole die mir unverständlich klingende Zahl, wie es beim Übernehmen des Ruders auf allen Schiffen Pflicht ist, und konzentriere mich auf Kompass und Rudermechanismus. Schon bald entspannt sich mein Kapitän und raucht mit den Anderen eine Zigarette. Inzwischen ist es später Nachmittag geworden. Die anderen Boote sind als Punkte auf dem Meer zu sehen, das Festland ist zu einem schmalen Streifen geschwunden. Wir scheinen aber parallel dazu zu fahren. Nach einer Weile ist Manöver angesagt. Vielleicht hat der Kapitän am Klang des Motors gehört, dass das Netz voll ist. Er übernimmt wieder das Ruder und stoppt die Maschine. Die Netzleinen werden von den Pollern gelöst und um die Spillköpfe gewickelt. Das Spill wird mit dem Motor gekoppelt, was es auf Dauerdrehung bringt. Durch bloßes Lockerlassen der Leine kann man bewirken, dass es leer dreht, durch Wegholen (Ziehen), greift die Leine auf dem Kopf und zieht das Netz ein. Der schwierigste Augenblick ist, als die Netzöffnung über eine Rolle am Heck an Bord kommt. Alle sind voll mit dem Bergen des Netzes beschäftigt. Um nicht im Weg zu stehen, gehe ich aufs Vorschiff und schaue von dort aus zu. Als das Netz an Deck liegt, bleibt nur noch der Steert, das dünne, zugebundene Ende, in dem sich die Fische angesammelt haben. Jemand schlingt schnell einen Stropp (Schlinge) darum, und über einen kleinen ‚Galgen‘ hievt man den Steert an Deck. Alle machen zufriedene Gesichter. Dann wird die Leine, die den Steert verschließt, gelöst, und der Fang ergießt sich auf das Achterdeck. Das ist der spannendste Moment des Abends: zu sehen wieviel von welchen Fischsorten sich darin befinden! Die Fische fließen förmlich über das Deck, nur von Lukensüll und den Bordwänden zurückgehalten. Da krabbeln ein paar Krabben und wollen sich aus dem Fischsalat befreien. Flink werden diese eingesammelt und in Eimer geworfen, bevor sie jemanden schnappen können oder das Weite suchen. Einige Fische haben sich in den Maschen des Netzes verfangen. Sie werden aus ihrer misslichen Lage befreit und zu den anderen geworfen. Alles was sonst noch daran hängt, wird entfernt und geht zurück ins Meer. Schnell muss das Netz wieder vorbereitet und ausgebracht werden. Die Fischer waten förmlich in den Fischen.
Jetzt geht es ans Sortieren. Schon zu Beginn hatte ich viele flache, ineinander gestapelte Körbe bemerkt. Diese werden jetzt geholt und direkt auf die Fische gelegt. Ich versuche, mich wenigstens da als nützlich zu erweisen. Mit flinken Händen werden die Fische sortiert und landen in den entsprechenden Körben. Quallen werden vorsichtig herausgepuhlt und in Eimern gelagert. Sie gehen erst über Bord, wenn das Netz wieder eingeholt ist, um sie nicht erneut darin zu haben. Alles andere Unbrauchbare fliegt weit vom Boot ins Wasser. Ich gebe mir Mühe. Aber ich sehe ja selber, bis man mir gezeigt hat, was über Bord geht, was in welchen Korb soll, und wie die Größen sortieren, vergeht zu viel Zeit. Der Skipper merkt das auch. Er ruft mich ans Steuerrad. Er macht die Positionslichter an, alles Petroleumfunzeln, die nicht weit leuchten. Aber die großen Schiffe, deren Lichter wir bisweilen sehen, fahren weiter draußen. Dann macht auch er sich ans Sortieren. Die Hecklampe dient zugleich als Decksbeleuchtung. Ich wundere mich, wie die Fischer bei so schwachem Licht die Fische erkennen. Sie scheinen durch den vielen Umgang mit Fischen deren Tastsinn der Mittellinie übernommen zu haben. Ein kleiner Hai versucht, sich mit heftigen Schwanz-bewegungen zu befreien. Bevor der Unheil anrichten kann, wird er mit einem Bootshaken getötet und verschwindet in einer Luke. So vergehen wohl zwei Stunden. Das Deck leert sich langsam von der Fischflut. Korb um Korb verschwindet unter Deck in den verschiedenen Abteilungen, gut mit Eis bedeckt. Bevor alles fertig war, hatte jemand schon auf einem Benzinkocher Wasser aufgestellt. Dahinein warf er die drei schönsten Krabben des Fanges. Diese teilten wir unter uns. Dann war eine Pause angesagt, bis zum nächsten Netzeinholen. Nach einer Zigarette legte sich ein jeder irgendwo hin. Nur der Kapitän blieb am Steuer.
Nach dem Einholen des zweiten Netzes fing der Motor an zu husten. Während die Anderen sich ans Sortieren machten, schraubte und klopfte der Kapitän am Motor herum. Das war gar nicht so einfach, mit der Schicht von Fischen auf dem Deck. Zum Glück hatte ich meine Taschenlampe dabei. Wahrscheinlich war es Wasser oder Dreck im Sprit. Und, oh Wunder, der Motor sprang nach längerem Kurbeln wieder an, und das Netz konnte erneut übers Heck ins Wasser. Bevor der Fang ganz aufge-arbeitet war, färbte sich der Horizont leicht rot. Als dann die Sonne aufging, legten wir uns, anstatt das Schauspiel zu betrachten, todmüde wieder für eine Stunde hin. Später frittierte jemand ein paar der schönsten Fische und wir aßen sie mit etwas kaltem, wohl schon an Land vor-gekochtem Reis. Mit den Händen, alle zusammen aus einem Topf. Dazwischen starken Tee. Das brachte uns wieder auf die Beine. So ging es dann weiter, bis zum Nachmittag. Seit einer Weile hatten wir wieder Kurs auf die Insel genommen. Wir sahen, dass auch die anderen Schiffe ihre Richtung geändert hatten. Der Fang war gut gewesen, und wir waren das erste Boot, das zurückkam. Irgendwie erschien mir das alles wie ein Wettlauf. Wer am meisten fängt und als erster zurück ist, dem winken die besten Preise! Den letzten Fang befreiten wir nur von den Quallen und dem Gammel und schaufelten ihn unsortiert in Körbe. Diese gingen, einmal festgemacht, als erstes von Bord und wurden an Land verlesen oder so an kleinere Händler verkauft. Der gekühlte Teil des Fanges wurde in Körben vom Laderaum an Deck gereicht, von da auf den Steg und dann gleich an Land getragen und im Schatten eines Baumes aneinander-gereiht. Doch damit hatten wir vom Boot nichts mehr zu tun.
Auf dem Steg standen die ersten Händler, dickliche Chinesen mit öligen, nach hinten gekämmten Haaren, und wühlten im Eis um die Ware zu begutachten. Sie begleiteten die Körbe bis an Land. Legten bunte Zettel darauf, die sie aus einem Block rissen, auf denen sie etwas notiert hatten. Bald wurden die Körbe in einen LKW geladen. Ich hatte den Eindruck, dass die Fischer in einer Genossenschaft zusammenarbeiteten, denn es war immer dieselbe Person, die mit den Aufkäufern verhandelte. Inzwischen kamen nach und nach auch die anderen Boote an. Kinder kamen scharenweise mit Eimern auf den Steg gerannt, lachend und sich an-schubsend. Waren das die Kinder der Fischer? Jedenfalls sprangen sie auf die Boote und sammelten alles Unverkäufliche ein, das herumlag. Auch in den schon sortierten Körben fanden sie immer noch etwas, was nicht dort hineingehörte oder zu klein war. Dann rannten sie mit ihrem Eimer oder Körbchen nach Hause, um manchmal erneut zurück zu kommen. Ohne zu zahlen. Der Beifang schien für alle zu sein. Kein Streiten um die Fische, nur Lachen und viel Spaß. Was konnte ich noch groß helfen? Ich war zu neu in diesem Beruf! Ich dankte den Fischern für die Ausfahrt und ließ sie beim Aufklaren ihres Bootes zurück. Während der nächsten Tage erwartete ich sie mit den anderen vom Dorf auf dem Steg, wenn sie heimkahmen. Wenn wir uns in der Dorfkneipe trafen, tranken wir eine Fanta zusammen oder spielten ein Match Tischfußball. Ich versuchte ihnen zu zeigen, wie man bei uns spielte, ohne die Stangen mit den Spielern rundum zu drehen. Doch sie hatten mehr Freude daran, die Figuren schnell rundum zu drehen, wenn der Ball in die Nähe kam. Und wenn der Ball dann durch die halbe Hütte flog und auf dem Billardtisch landete, dann schallte ihr