Eine Studentin. Peter Schmidt

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Eine Studentin - Peter Schmidt


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Schritt war, an­stelle von hor­mo­nellen In­jekti­onen oder Licht­beein­flus­sung elekt­ri­sche Sig­nale ein­zuset­zen. Aller­dings nicht wie bei der alten Elekt­ro­schock­the­rapie. Wir wol­len keinen Krampf­anfall aus­lösen, son­dern be­ein­flus­sen mit mi­ni­ma­len Stromim­pul­sen unse­ren ge­ne­ti­schen Schal­ter.

      Dazu wird ein winziger Impuls­ge­ber, nur etwa doppelt so groß wie eine Linse, ins Ge­hirn im­plan­tiert. Stellen Sie sich die Tech­nik ähn­lich wie bei einem Herz­schritt­ma­cher vor. Je nach Im­puls­stärke lässt sich so beein­flus­sen, ob der Gen-Schal­ter aktiv oder in­ak­tiv ist.

      „Handelt es sich um ein ähnli­ches Ver­fah­ren wie bei der Trans­kra­niellen Mag­net­sti­mula­tion?“, fragte Ca­ro­lin.

      „Nein, einfache Magnetfelder haben sich nicht als prä­zise ge­nug erwie­sen.“

      „Und lässt sich die negative Emo­tio­nalität nur he­run­ter­fah­ren oder auch ver­stär­ken?“

      Professor Hollando hielt inne und warf ihr einen über­ra­sch­ten Blick zu.

      „Gute Frage, Carolin – ja, wenn wir durch unse­ren Im­puls­geber die Akti­vität ne­gati­ver Ge­fühle zu­nächst auf Null ab­sen­ken und dann extrem schnell auf einen höhe­ren Wert hoch­fah­ren, ent­steht pro­portio­nal zur Höhe des Im­pul­ses auch mehr Ne­ga­tivi­tät.“

      „Also mehr Angst oder Schmer­z?“

      „Auch Unbehagen, Verstim­mung, De­pres­sion. Der Kern des nega­tiven Füh­lens ist im­mer gleich, dabei wird sogar dersel­be Bereich im Ge­hirn ge­nutzt, wie man aus der Hirn­for­schung weiß.“

      „Und wieso lassen sich negative Ge­fühle über­haupt ver­stär­ken? Ich mei­ne, das ist doch kaum im Sin­ne der Evo­lution?“

      „Unser Limbisches System hat bei die­sem künst­lichen Ein­griff Pro­ble­me mit der Da­ten­über­mitt­lung. Auf so schnel­len Wech­sel ist es nicht ein­ge­rich­tet.

      Aber wa­rum sollte man eine sol­che Funk­tion ohne Not ak­ti­vie­ren?“, frag­te er. „Es sei denn, weil wir später im Experi­ment künst­lich star­ke Schmer­zen er­zeu­gen, um das ge­naue Maß der Grenz­werte zur Kon­trolle von Schmer­zen zu ermit­teln. Aller­dings nur bei Bedarf.“

      „Es wäre ein perfektes Werk­zeug zur Fol­ter“, gab Caro­lin zu be­den­ken. „Ge­heim­diens­te, Ver­bre­cher, auch Per­verse, könn­ten es miss­brau­chen.“

      „Dazu muss man erst einmal über die erfor­derli­che Tech­nik ver­fü­gen.“

      „Das hat man bei der Erfindung der Atom­bombe auch ge­glaubt. Aber dann bau­ten die Rus­sen die stärk­ste je­mals gezün­dete Was­ser­stoff­bombe, die Zar-Bombe. Ihre Druck­welle um­run­dete zwei­ein­halb Mal den Glo­bus.“

      „Auch wenn der Vergleich – be­denkt man, worum es im Le­ben eigent­lich geht, näm­lich um Glück und Lei­den – nicht ganz ab­we­gig ist – es ehrt mich, Caro­lin, dass Sie meine Ent­de­ckun­gen in der Neu­ro­lo­gie mit einer theo­reti­schen Meis­ter­leis­tung wie die der Kern­spal­tung gleich­set­zen …“

      „Schauen Sie sich nur die Augen die­ses ar­men Rhe­sus­affen an“, sagte Caro­lin. „Ist es nicht ent­setz­lich, wie schreck­lich Tie­re für un­sere menschli­che Hy­bris lei­den müs­sen?“

      „Die Regierungen haben leider Versu­che an Men­schen­af­fen ver­boten.“

      „Forschung an Affenhirnen er­laubt oft nur Aus­sa­gen über die Funk­tion des Af­fen­hirns. Will man et­was über das mensch­li­che Ge­hirn erfah­ren, muss der Mensch un­ter­sucht wer­den, nicht ir­gend­ein Tier. Die mensch­liche Hirn­rinde ist mei­nes Wis­sens zehn­mal so groß wie die des Affen.“

      „Wegen ihrer gene­tischen Nähe zum Men­schen wä­ren Men­schen­af­fen aller­dings ge­eigne­ter …“

      „Auch, wenn sie leiden?“, fragte Caro­lin.

      „Das ist zunächst einmal ein mo­rali­sches Pro­blem. Wie über­haupt die gene­relle Frage, was uns zu Ver­su­chen an Tie­ren be­rech­tigt. Schauen Sie in mei­ne Publi­ka­tio­nen, falls Sie die Frage be­schäf­tigt.“

      „Sie waren schließlich mal Vor­sit­zen­der der Ethik­kom­mis­sion, Hol­lando …“

      Schweigen …

      Man konnte in den Ge­sichtern im Ar­beits­kreis le­sen, dass dies in den Augen einiger Stu­denten wo­mög­lich das Aus für Ca­ro­lins Mit­ar­beit be­deu­tete.

      „Menschenaffen stehen Men­schen in ih­ren Gefühlen aller Wahr­schein­lich­keit viel nä­her als nie­dere Tiere“, sagte Ca­ro­lin. „Ihr Lei­den könnte ähn­lich prob­lema­tisch sein. Schließ­lich fin­den Sie ja auch kei­ne mensch­lichen Ver­suchs­per­sonen für Ihre Expe­ri­mente.“

      „Nun, bei meinen gegenwärtigen Un­tersu­chun­gen geht es ja um nichts Ge­rin­ge­res, als Lei­den zu ver­min­dern“, sagte Pro­fes­sor Hol­lando.

      „Auf Kosten un­schul­diger Lebe­we­sen.“

      „Aber wir verspeisen doch auch Tiere?“

      „Wenn möglich, ohne sie zu quä­len.“

      „Moral ist nun einmal letztlich sub­jek­tiv, Ca­ro­lin, auch wenn das dem über­zeug­ten Mo­ral­apos­tel nicht ge­fällt. Mo­rali­sche Grund­sät­ze sind keine Be­schrei­bungen objek­ti­ver Eigen­schaf­ten oder Pro­zesse, son­dern le­dig­lich Wün­sche und Mei­nun­gen und hän­gen von indi­vi­duel­len Ge­füh­len ab. Aus dem Sein folgt nie­mals ein Sol­len, wie ein klu­ger Kopf schon vor über zwei­hun­dert Jah­ren er­kannt hat.“

      „Und es läuft der Vernunft nicht zuwi­der, wenn ich lieber die Zerstö­rung der ganzen Welt will, als einen Ritz an mei­nem Finger – ja, Da­vid Hume.

      Aber mit solchen Argu­menten aus der Mo­ral­philo­sophie ar­bei­ten Sie auch po­liti­schen Ver­bre­chern wie Hit­ler, Sta­lin und Mao in die Arme …“

      Hollando warf ihr einen über­rasch­ten Blick zu. Schwer zu sa­gen, ob wegen ihres Wi­der­spruchs oder ihrer Hart­näckig­keit.

      „Wären denn nicht nach allem was wir wis­sen Men­schen als Stu­dien­ob­jekte viel bes­ser geeig­net? Gin­gen wir da­mit nicht wis­sen­schaft­lich eher auf Num­mer si­cher?“, fragte sie.

      Hollando schüttelte unwillig den Kopf.

      „Was mich eher interessieren würde – ne­ben sol­chen ethi­schen Spe­ku­la­tio­nen“, mel­dete sich Sig­mund Reck, „wäre die Strom­ver­sor­gung des Imp­lan­tats, weil es so klein und un­schein­bar ist.“

      „Gute Frage, Sigmund. Sehen wir uns die Tech­nik ein­mal ge­nauer an … falls Sie ein­ver­stan­den sind, Ca­ro­lin?“

      Auf der Videoleinwand erschien das Bild eines winzi­gen me­tal­li­schen Kör­pers, ab­ge­flacht wie eine Linse. Da­ne­ben der elek­tri­scher Im­puls­ge­ber mit aus­zieh­ba­rer An­tenne, etwa halb so groß wie eine Ziga­ret­ten­schach­tel, den sie auch schon am Käfig des Rhe­susaf­fen be­merkt hatte.

      „Unser äußerer Impulsgeber funk­tio­niert über Funk“, er­klär­te Profes­sor Hol­lando. „Das heißt, wir be­nö­tigen kei­ne Ein­griffe ins Ge­hirn, we­der durch Ope­ra­tio­nen, In­jekti­onen noch Ka­the­ter.

      Die Aufladung des Akkus in der Linse – die übri­gens we­gen ih­rer sparsa­men Im­pulse nur alle drei Jahre nö­tig ist – erfolgt nicht mit­tels elek­tri­scher


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