Feldforschung. epubli GmbH

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Für Doofe.“

      „Gianni, sei nicht immer sofort so beleidigt. Wenn ich nicht glauben würde, dass du dort die Situation voll im Griff hast, hätte ich dich gar nicht ...“

      „Welche Situation denn? Sie haben gar nichts.“ Und das konnte auch so bleiben, aber er befürchtete das Schlimmste.

      „Ich hätte dich nicht gebeten, mal nach Klaus Jürgen zu sehen.

      Er hat letztens so geheimnisvoll getan, beziehungsweise –

      wie soll ich sagen – rumgedruckst. Ich hatte das Gefühl, dass irgendetwas ganz gewaltig danebengegangen war.“

      „Was konnte denn danebengehen?“

      „Na ja, wir haben natürlich keine Fragebögen verteilt und einschlägige Fragen gestellt, sondern Klaus-Jürgen hat sozusagen Undercover geforscht. Wenn Männer beim Bier zusammen sitzen, reden sie ja ganz anders, als wenn ich dort mit einem Ordner unterm Arm ankomme.“

      „Ok?“

      „Klaus-Jürgen wollte sozusagen etwas auf den Busch klopfen, mal die eine oder andere rechte oder linke Parole fallen lassen und dann sehen, was passiert.“

      „Das stelle ich mir richtig professionell und wissenschaftlich vor“, konnte Gianni sich nicht beherrschen.

      „Ok, das sind natürlich die Unschärfen bei der Methode.“

      „Unschärfen, das ist gut.“ Jetzt hatte er richtig Spaß.

      „Vielleicht wäre es aufschlussreich, den Promille-Pegel seitens der Probanden und auch des Undercover-Wissenschaftlers im Laufe einer Sitzung festzuhalten.“

      „Mann, Gianni, das ist doch nur ein Proseminar. Und außerdem, du hast doch schon zugesagt.“

      „Was? Warum schreiben Sie ihm denn keine SMS?“ Er traute sich nicht zu fragen, warum sie nicht selber nachsehen wollte. Und was würde passieren, wenn er jetzt ihre Bitte abschlüge? Stress und schlechte Laune. Da konnte er schon eher einen kleinen Spaziergang durch örtliche Kleingartenanlagen verkraften. Er hatte frei und wollte sowieso joggen gehen.

      „Der Typ hat kein Handy. Nicht mal ein Telefon. Dann kannst du dir die Frage nach der E-mail-Adresse selbst beantworten.“

      „Na gut, was muss ich machen?“

      „Ach Gianni, du bist ein Schatz. Pass auf, ich erkläre dir, wo du hin musst. Es ist ein bisschen kompliziert.“

      Eine Stunde später stellte Gianni seinen Fiat 500 auf dem Parkplatz vor der Anlage Gut Grün ab. Dem Namen nach also eher grün als braun, erwischte er sich beim Mitdenken. Interessierte ihn das wirklich? Er musste sich eingestehen, dass Franzi Schneiders Beschreibung des Vereins-Vorstandes tatsächlich sein Interesse geweckt hatte. Er hoffte, sie jetzt alle gemeinsam im Vereinsheim anzutreffen, es war elf Uhr, die Zeit ihrer täglichen Vorstands-Besprechung.

      Hinter dem Tor zu der Gartenanlage sah man schon ein flaches Gebäude mit dem Kneipenschild: Gut-Grün, davor ein paar leere Tische mit zusammengeklappten Stühlen. Kein Mensch war zu sehen. Gianni ging zügig auf das Haus zu. Er hatte eigentlich das dringende Bedürfnis, seinen schwarzen Leder-Blouson auszuziehen, weil es so schwül war, aber er behielt ihn vorsichtshalber an. Anklopfen oder reingehen? Er atmete tief durch und drückte die schwere, verschnörkelte Klinke herunter, die so gar nicht zu der schlichten Tür mit dem in die Jahre gekommenen Eis-Plakat passte. Dann zog er beherzt an der Tür und stand sofort in einer dicken Wolke aus Zigarettenqualm, Alkohol-Ausdünstungen und irgendetwas Säuerlichem. Er prallte zurück – seine Jacke, das würde ewig dauern, bis die wieder normal roch!

      „Tür zu!“, bölkte es von innen. Das konnte nur der Laute sein. Der Zeugwart des Vereins hatte auf dem Bau gearbeitet und brachte es ohne technische Hilfsmittel locker auf 120 Dezibel.

      Ok, also rein. Gianni holte noch einmal Luft, trat dann ein und machte höflich die Tür hinter sich zu. Die erste Erkenntnis seiner kleinen, privaten Feldforschung war, dass Gärtner offensichtlich, zumindest zeitweise, ohne Sauerstoff auskommen.

      „Guten Tag, ich suche den Garten von Klaus-Jürgen Muthke.“ Ein unscheinbares Bürschchen hob ruckartig das Kinn.

      „Wat wollnse denn da?“ War das Feindseligkeit oder schlechtes Gewissen? Im selben Moment, so als habe er schon beim Sprechen bemerkt, dass er mal wieder Mist gebaut hatte, sah er schuldbewusst zu seinem Tischnachbarn auf, der sich in dem Moment leicht unsicher aber verdächtig schnell erhob. Er wurde dadurch nicht viel größer, aber es reichte, um eine Hand auf die Schulter des Vorlauten zu legen.

      „Lass mal gut sein, Jupp“, sagte das Männchen jovial. Aha, das waren also Jupp, der langzeitarbeitslose Kassenwart des Vereins und Kalle sowieso, der erste Vorsitzende, Rentner und Kommunalpolitiker, der noch Brieftauben im Garten hatte, obwohl das schon lange verboten war. Er nannte das Tradition und Bestandsschutz. Das Kleingartengesetz war da eher nachgeordnet. Die Hand noch auf Jupps Schulter, wandte sich der kleine Vorsitzende an den zu seiner anderen Seite Sitzenden.

      „Olli, schau doch bitte mal nach, welche Gartennummer der Herr ... Muthke hat.“ Dem Angesprochen fiel buchstäblich der Unterkiefer herunter. Er macht aber seinem Spitznamen der Leise alle Ehre und beschränkt sich darauf, sein Laptop aufzuklappen.

      Was war das denn für eine Reaktion? So unzumutbar war die Bitte doch gar nicht. Gianni wusste von Franzi Schneider, dass dieser Oliver Vogel, der Schriftführer des Vereins, sich sowieso niemals von seinem Laptop trennte, da konnte er doch mal in eine Liste schauen. Er stellte sich jetzt allerdings sehr umständlich an, so als wisse er gar nicht, was gerade los ist. Auch auf den Gesichtern der drei anderen stand die pure Verblüffung. Als erstes erholte sich der, der bis jetzt noch gar nicht in Erscheinung getreten war, das musste Wolle sein, ein frühverrenteter

      Bergmann: „Ich weiß, wo dem Klaus-Jürgen seine Parzelle ist, kommen Sie, junger Mann, ich bringe sie hin.“ Er stand auf und ging zur Tür. Gianni folgte ihm erleichtert. Er wollte hier raus. Endlich wieder Luft atmen. Außerdem fühlte er sich überfordert mit diesen komischen Deutschen und ihrem merkwürdigen Verhalten.

      Sie hatten noch nicht den kleinen Platz vor dem Vereinsheim überquert, da wurden sie schon von den anderen eingeholt.

      „Wir kommen mit“, brüllte der Laute. Wolle zuckte nur mit den Schultern und das kleine Rudel ging zügig weiter.

      „Wir haben sowieso den gleichen Weg.“ Gianni sah aus dem Augenwinkel, wie Wolle kurz die Stirn runzelte und Kalle, der Vorsitzende, der fast rennen musste, um Schritt zu halten, mit Oliver, dem Laptop-Typen besorgte Blicke tauschte.

      Der Garten von Klaus-Jürgen lag am Ende der Anlage. Dahinter erstreckte sich freies Feld nach Westen, nur eine alte Scheune verstellte den Blick auf die begrünte Halde am Horizont.

      „Hier ist es aber schön“, log Gianni um eine Gelegenheit zu bekommen in Ruhe jedem Rudelmitglied ins Gesicht zu sehen.

      „Na ja, ein gepflegter Garten sieht anders aus“, sagte Wolle, der wahrscheinlich genau wie Gianni sämtliche Missstände sofort erfasst hatte. „Aber das ist ja auch Geschmacksache.“ Die anderen schienen eher Augen für die alte Scheune zu haben.

      „Ist das nicht merkwürdig?“, hörte Gianni sich sagen. „Man sieht immer zuerst auf das, was stört.“

      „Wat? Wieso? Wat stört Sie denn?“, ließ sich Jupp, der halbstarke Kassenwart vernehmen. Wieder fing er sich einen strafenden Blick des ersten Vorsitzenden ein, der jetzt irgendwie ungeduldig wurde.

      „Was ist jetzt, junger Mann? Können wir gehen? Sie sehen ja, dass Herr Muthke nicht da ist.“

      „Ja, danke schön“, sagte Gianni mit seinem professionellsten Lächeln, das meistens auch bei Männern funktionierte.

      Das Rudel trottete los. Komisch, dachte Gianni, die eskortieren mich hier richtig. Dabei hatten sie gesagt, dass sie nur die gleiche Richtung haben, jetzt laufen sie den Weg wieder mit zurück.

      „Hier gefällt es mir“, small-talkte


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