Blauer Himmelsstern. Bianca Wörter
Читать онлайн книгу.strömte durch mich hindurch, ich ertrank regelrecht in ihr.
Plötzlich erkannte ich, wie sich im Stern ein Teil des Universums bewegte, weit hinten in der Unendlichkeit des Blaues. Ich tauchte aus der Stille auf, hielt es zuerst für eine optische Täuschung, doch ich sah, wie die Bewegung sich weiter in den Vordergrund schob. Ich schaute genauer hin, versank in der Betrachtung und meine Gedanken standen still. Während ich immer gespannter in das Innere des Sterns blickte, bemerkte ich zunächst nicht, was mit dem Stern geschah. Er schwebte ein paar Zentimeter über meiner Hand! Als ich es registrierte, zog ich meine Hand erschrocken weg und der Stern blieb an der selben Stelle, schwebte unbeweglich in der Luft. Ein unheimliches, dennoch kein ängstliches Kribbeln machte sich in meiner Magenspitze bemerkbar, zog in Armen und Beinen - ich brannte innerlich vor Aufregung und Neugier, ein Glücksgefühl machte sich in mir breit, wie ich es lange nicht mehr in mir wahrgenommen hatte. Widersprüchliche Gefühle stritten in mir: Ich hatte Angst, ich war neugierig, ich freute mich, ich fand es unheimlich - ich brannte!
Plötzlich erfüllte ein Summen die Luft meines Schlafzimmers. Die Gläser, die ich in meinem Regal zur Dekoration aufgestellt hatte, vibrierten und gaben einen hellen, klirrenden Ton von sich. Ich ging in dem Summen, das meinen Körper langsam aber sicher übernahm, unter. Plötzlich hatte ich Angst, wünschte, ich hätte dieses „Ding" einfach liegen lassen, unsinnige Gedanken, wie Poltergeister, das Böse schlechthin, bemächtigten sich meiner. Ich begann innerlich zu zittern und zu beben, mit mir ängstlich zu schimpfen, weil ich mich immer in solche Situationen, die ich nicht bewältigen konnte, hineinmanövrierte. Sofort hörte das Summen auf, als wäre es erschrocken, dass es mir Angst eingejagt hatte. Stattdessen sang der Stern eine wunderschöne Melodie, die nach Ferne, Unendlichkeit, Liebe und Sehnsucht, nach dem Paradies klang, eine wunderbare Weise, die ich mehr mit meinem Körper erahnte, als mit meinen Ohren hören konnte und die ich in meinem Leben noch nie vernommen hatte. Mein Körper begann sich zu beruhigen, ich freute mich jetzt, dass ich den Stern doch mitgenommen hatte, beglückwünschte mich für meine Neugier. Wenn das Feuer gerade in mir erloschen war, so brannte es wieder lichterloh. Der Stern strahlte daraufhin ein intensives, blaues Licht aus, als ob er sein Innerstes nach außen stülpen wollte. Das blaue Licht ließ mein Schlafzimmer selbst wie das Universum erscheinen. Unendlich weit, ruhig, geheimnisvoll - voller Versprechen.
In das Licht hinein sprach ich bewegt mit zitternder Stimme: "Was bist du?"
Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, oder warum ich überhaupt laut mit dem Stern sprach, aber ganz gewiss hatte ich nicht erwartet, dass ich auf meine Frage eine Antwort bekommen würde: "Ich bin der Bewohner des Sterns."
Und ganz bestimmt hatte ich keine Antwort mit einer männlichen, sanften Stimme erwartet, aber ich war viel zu verblüfft, um diese Aussage nur im geringsten anzuzweifeln.
„Ist das also wirklich ein Stern?", fragte ich zögernd, weil ich keine Antwort erwartete, in der Hoffnung, dass ich nicht verrückt war und nur eine Halluzination hatte - eine am Tag reichte mir völlig.
Die Stimme lachte: "Nicht direkt, aber da du es als solches bezeichnest, bleibe ich dabei."
Ich war beeindruckt - oder doch verrückt?
„Kannst du Gedanken lesen?", fragte ich und hoffte auf eine negative Antwort, die leider nicht kam.
„Ja."
Es klang überzeugend, real, die Stimme war ruhig, als ob er es selbst glaubte oder wusste. Der Bewohner des blauen Himmelssternes! Ich fühlte mich, als ob ich unter irgendwelchen bewusstseinserweiternden Drogen stand. War das alles wirklich wahr?
„Wieso zweifelst du an dem, was du hörst?", fragte mich die männliche Stimme zögernd, als hätte sie Angst, etwas zu sagen, was mich vertreibt oder verärgert.
Jetzt hatte er ja schon wieder meine Gedanken gelesen, oder hatte ich etwa laut gesprochen?
Ich wurde langsam wütend, weil es sich unangenehm anfühlte, wenn man weiß, dass die eigenen Gedanken für einen anderen hörbar sind: "Ich weiß zwar nicht, wie du das machst und wer du wirklich bist, aber ich will, dass du damit aufhörst!"
Die Stimme klang ein wenig traurig, dennoch amüsiert, als sie antwortete: "Du hattest doch die ganze Zeit das Gefühl, dass dieser Stern nur auf dich gewartet hatte."
Ich wurde unsicher. Vorhin auf der Straße war ich noch normal gewesen und hatte diese Gedanken sicher nicht laut ausgesprochen. Ich war verwirrt, der Zauber, der mich anfänglich von der sanften Stimme aus erfüllt hatte, war gewichen. Das Feuer erloschen.
In dem Stern regte sich erneut etwas. Das Ding, das ich die ganze Zeit in dem unendlichen Blau fixiert hatte, kam wieder näher, bewegte sich in meine Richtung. Das Blau wallte in allen Variationen in meinem Zimmer, es funkelte und strahlte in unendlicher Klarheit in mein Gesicht, spiegelte sich in meinen Augen. Einen Wimpernschlag lang war es grell und übervoll, sodass ich einen kurzen Moment geblendet die Augen schloss. Als ich hinter meinen geschlossenen Lidern erkannte, dass die Intensität der Strahlung nachgelassen hatte, öffnete ich meine Augen und blinzelte in den Stern. Das Ding, das ich darin immer näher zu mir hin verfolgt hatte, war weg. Obwohl ich zuvor das starke Gefühl gehabt hatte, wenn ich mich ihm noch ein kleines Stückchen näherte, brauchte ich bloß die Hand auszustrecken, um es ganz leicht zu berühren. Aber es war einfach verschwunden! Obwohl ich mir meine innerliche Regung nicht erklären konnte, war mir klar, dass ich vor Enttäuschung weinen wollte, weil der Verlust sehr schmerzte.
Da bemerkte ich, wie sich vor mir unter dem Stern, der noch unverändert in der Luft schwebte, etwas bewegte. Ich senkte langsam den Kopf mit Angst vor dem, was ich erblicken würde. Eine gleißende, blaue Gestalt mit langem, hellblauen Haar und einem männlich geschnittenen Gesicht. Ich fand es komisch, dass sie blau war, aber einem Gefühl zufolge blickte ich an mir herunter und stellte fest, dass ein blauer Schimmer meine Haut, meine Kleidung, mein Haar einhüllte. Natürlich, das war die Folge des Lichtes, das unverändert dem Stern entströmte und uns beide in Blau kleidete. Es umgab uns wie einen Mantel, wärmte uns, schützte uns, erweckte anstatt Angst eine fantastische Energie in mir, ließ mich vor lauter unverständlichem Glück lächeln. Ich brannte wieder!
Ich blickte dem Mann vor mir in die Augen. Sie waren auf mich gerichtet und weckten ein warmes Gefühl in mir, bestätigten mir, dass er das Vertrauen verdiente, das ich in seiner Nähe empfand. Seine Augen leuchteten so sehr, dass ich erstaunt feststellte, dass auch er zu brennen schien. Ich betrachtete die langen Haare, die sanft über seine Schultern glitten, sich ihren Weg über die Arme, den Rücken bahnten und schließlich in feinen Spitzen in Hüfthöhe endeten. Sie waren sanft gewellt, sahen weich und schimmernd wie Seide aus. Ich hätte sie gerne berührt.
„Du bist also der Bewohner des Sterns", stellte ich fest und erst als ich den Atem ausstieß, fiel mir auf, dass ich ihn die ganze Zeit über angehalten hatte.
Der Mann lächelte: "Ja."
Er sprach mit der gleichen Sanftheit wie im Inneren des Sterns. Konnte das ein Trick sein? Mein Blick fiel auf sein herrliches Haar, ich konnte einfach nicht mehr anders, ich streckte meine zitternde Hand nach diesem wundervollen Schmuck aus und berührte es sanft. Ich war fest überzeugt davon, dass sich spätestens in diesem Moment der ganze Spuk in nichts auflösen und ich mich innerlich als Idioten beschimpfen würde. So war es halt mit meiner blühenden Fantasie. Doch die Haare waren so real wie der ganze Mann. Ich strich in zärtlicher Geste den Weg, den diese langen Wellen nahmen, nach. Der Mann lächelte. Es war ein warmes Lächeln, das dazu einlud mit dem gleichen Lächeln zu antworten. Ich ließ mich dazu hinreißen.
„Sie sind wunderschön."
„Schön, dass sie dir gefallen."
Ich wischte alle Zweifel weg: Dies war ein schöner Traum, wenn er denn einer war, und ich wollte ihn genießen!
Ich ließ meinen Blick ungeniert über den Mann gleiten. Er saß wie ich im Schneidersitz auf dem Bett und ich konnte nur raten, dass er viel größer war als ich. Ich betrachtete sein Gesicht und fragte mich, ob das Blau seiner Augen auch von dem strömenden Licht des Sterns kam. Wenn nicht, so waren seine Augen von vollendeter Schönheit, ein eisiges Blau, das trotzdem die gleiche Wärme wie der Himmelsstern ausströmte. Ich