Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar Wallace
Читать онлайн книгу.Jones gehorchte verwundert, und sein Erstaunen wuchs, als Leon ihm die Schuhe und Strümpfe auszog und seine Hosenbeine aufkrempelte.
»Was soll denn das bedeuten?« fragte er ängstlich.
»Setzen Sie sich jetzt auf diesen Stuhl.« Gonsalez zeigte auf die Badewanne.
»Nun, hören Sie doch ...«, begann Mr. Jones furchtsam.
»Wollen Sie wohl machen, daß Sie in die Badewanne kommen?« fuhr Leon auf. Mr. Jones folgte sofort.
»Sitzen Sie jetzt bequem?«
Mr. Jones sah ihn düster an.
»Es wird Ihnen noch recht ungemütlich werden, bevor wir mit Ihnen fertig sind! Wie gefällt Ihnen denn das Bett da drüben?« fragte Leon wieder. »Das sieht doch ganz einladend aus, nicht wahr?«
Jones antwortete nicht, Gonsalez klopfte ihm leicht auf die Schulter.
»So, mein lieber Freund, jetzt werden Sie mir sagen, wo Sie den jungen Grafen Philipp Vinci versteckt haben.«
»Ach, deshalb führen Sie das ganze Theater auf?« Mr. Jones grinste plötzlich. »Da können Sie lange fragen!«
Er schaute auf seine nackten Füße hinunter und betrachtete dann die beiden Freunde.
»Ich weiß überhaupt nichts von Philipp Vinci. Wer ist denn das?«
»Wo haben Sie Philipp Vinci versteckt?«
»Sie glauben doch nicht, daß ich es Ihnen sagen würde, wenn ich es auch wüßte?« erwiderte Mr. Jones verächtlich.
»Wenn Sie es wissen, werden Sie es uns gewiß noch sagen«, antwortete Leon ruhig. »Aber wir werden wahrscheinlich noch einige Zeit warten müssen. Vielleicht sind Sie in sechsunddreißig Stunden dazu bereit – George, würdest du so liebenswürdig sein, die erste Wache zu übernehmen? Ich werde mich inzwischen in dieses schöne Bett legen. Aber erst müssen wir noch einige kleine Vorsichtsmaßregeln treffen.« Er ergriff einen Lederriemen und schnallte Mr. Jones fest an den Stuhl. »Damit Sie nicht herunterfallen«, sagte er liebenswürdig.
Dann legte er sich auf das Bett und schlief sofort ein. Er besaß in verblüffendem Maß diese außerordentliche Gabe, die allen großen Feldherren eigen ist.
Mr. Jones sah von dem Schläfer auf den Mann, der ihm gegenüber in einem bequemen Stuhl saß. In den weißen Schleier waren zwei Löcher geschnitten, und sein Wächter las in einem Buch.
»Wie lange soll denn dies noch dauern?«
»Einen Tag oder auch zwei Tage«, erwiderte Manfred ruhig. »Haben Sie Langeweile? Möchten Sie gerne etwas lesen?«
Mr. Jones brummte etwas Unliebenswürdiges und nahm das Angebot nicht an. Er dachte intensiv darüber nach, was die beiden wohl beabsichtigten. Er hatte erwartet, daß man Gewalt gegen ihn anwenden würde, aber offensichtlich täuschte er sich darin. Sie hielten ihn nur gefangen, bis er sprechen würde. Aber er wollte es Ihnen schon zeigen! Allmählich begann er sich müde zu fühlen, und plötzlich fiel sein Kopf vornüber, bis das Kinn die Brust berührte.
»Wachen Sie auf!« sagte Manfred kurz.
Mit einem Ruck schreckte Mr. Jones empor.
»Sie sollen nicht schlafen.«
»Warum denn nicht?« murrte der Gefangene. »Ich werde doch schlafen!« Er setzte sich gemütlich in seinem Stuhl zurecht.
Mr. Jones begann wieder einzunicken, als er plötzlich eine unangenehme Erfahrung machte und seine Füße mit einem Schrei emporzog. George Manfred hatte einen Strahl eiskalten Wassers auf seine nackten Füße gerichtet, so daß Mr. Jones wieder vollständig wach wurde. Aber eine Stunde später übermannte ihn die Müdigkeit aufs neue. Wieder traf der kalte Strahl seine Füße, und wieder nahm Manfred ein Handtuch und trocknete Mr. Jones ab, als ob er ein kranker, hilfsbedürftiger Invalide sei.
Um sechs Uhr morgens starrte Mr. Jones mit roten, entzündeten Augen vor sich hin. Er beobachtete, wie sich Manfred erhob, Leon weckte und sich statt seiner zum Schlafen niederlegte.
Immer wieder sank sein Kopf auf die Brust, und in immer kürzeren Zwischenräumen weckte ihn der Wasserstrahl, bis er schließlich fast wahnsinnig wurde.
»Lassen Sie mich jetzt schlafen!« schrie er in hilfloser Wut und biß an dem Lederriemen. Er war dem Zusammenbruch nahe, seine Augen waren so schwer wie Blei.
»Wo ist Graf Philipp Vinci?« fragte Leon unbarmherzig.
»Dies ist eine Folter, Sie verfluchter Kerl –«.
»Nicht schlimmer für Sie als für den jungen Grafen, den Sie einsperrten und dem Sie für vier Tage Nahrung gaben. Und es ist auch nicht schlimmer, als wenn Sie einem Mann mit dem Federmesser das Gesicht aufschlitzen. Aber vielleicht glauben Sie, daß es nichts auf sich hat, einen kleinen Jungen zu erschrecken?«
»Ich weiß nicht, wo er ist, ich sage es Ihnen doch!« entgegnete Mr. Spaghetti Jones heiser.
»Dann werde ich Sie so lange wachhalten, bis es Ihnen wieder einfällt«, erwiderte Leon lachend und steckte sich eine Zigarette an.
Kurz darauf ging er aus dem Zimmer und kehrte nach einiger Zeit mit Kaffee und Keks zurück. Inzwischen war Mr. Jones fest eingeschlafen. Aber seine Träume endeten plötzlich mit einem furchtbaren Schrecken.
»Lassen Sie mich doch jetzt in Ruhe – lassen Sie mich doch bitte schlafen«, bat er mit Tränen in den Augen. »Ich will Ihnen ja alles geben, wenn Sie mich nur schlafen lassen.«
»Sie können in diesem Bett schlafen – es ist ein sehr schönes, weiches Bett. Aber erst wollen wir wissen, wo Philipp Vinci ist.«
»Sie werden zur Hölle fahren, bevor ich Ihnen das sage«, rief Spaghetti Jones erregt.
»Dann werden Sie eben noch weiter wachen müssen«, antwortete Leon höflich. »Wachen Sie auf!«
So ging es den ganzen Tag weiter. Um sieben Uhr abends war Mr. Jones vollständig gebrochen und nannte stöhnend eine Adresse. Manfred fuhr hin, um sich von der Richtigkeit der Angabe zu überzeugen.
»Nun lassen Sie mich aber schlafen!«
»Sie können noch so lange warten, bis mein Freund wiederkommt!«
Um neun Uhr kam George Manfred von Berkeley Square zurück, nachdem er einen vollständig verschüchterten kleinen Jungen aus einem fürchterlichen Keller in Notting Hill befreit hatte.
Manfred und Leon hoben den halbtoten Mr. Jones aus der Badewanne und lösten seine Fesseln.
»Bevor Sie sich hinlegen, setzen Sie sich hierher. Sie müssen dies unterzeichnen.«
Es war ein Dokument, das Mr. Jones nicht hätte lesen können, selbst wenn er gewollt hätte. Schnell schrieb er seinen Namen darunter, dann legte er sich ins Bett. Noch bevor Manfred die Kleider über ihn deckte, war er eingeschlafen. Und er war noch nicht aufgewacht, als ein Beamter von Scotland Yard ins Zimmer trat und ihn kräftig schüttelte.
Spaghetti Jones wußte nichts von dem, was der Detektiv ihm sagte, er erinnerte sich auch nicht daran, als ihm sein schriftliches Bekenntnis auf der Polizeistation vorgelesen wurde. Er besann sich auf nichts, bis man ihn in seiner Zelle aufweckte. Er sollte vor dem Polizeirichter erscheinen, um erstmalig verhört zu werden.
»Es ist ganz sonderbar«, sagte der Gefängniswärter zu dem Arzt. »Ich kann diesen Karl nicht wachhalten.«
»Vielleicht geben Sie ihm einmal ein kaltes Bad«, schlug der Doktor vor.
10 Der Mann, der freigesprochen wurde
»Ist es dir schon einmal aufgefallen, daß Giftmörder und Engelmacherinnen unweigerlich mystisch veranlagt sind?« fragte Leon Gonsalez seinen Freund. Er schaute von seinem Buch auf und nahm seine Hornbrille ab, die er beim Lesen benutzt hatte.
»Ich habe noch nicht viele Engelmacherinnen oder Giftmörder daraufhin beobachtet«, erwiderte Manfred gähnend. »Verstehst du