Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar Wallace

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Edgar Wallace - Gesammelte Werke - Edgar Wallace


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nächsten Morgen fand das erste Verhör statt. Die Zeugen wurden vernommen, und nachdem der junge Mr. Jackley aus Plymouth seine Aussage gemacht hatte, beriet der Gerichtshof.

      »Wir haben den unumstößlichen Beweis, daß beabsichtigter Betrug vorliegt, Dr. Twenden«, sagte der Richter schließlich. »Sie wurden im Besitz einer großen Geldsumme verhaftet, und man hat Kreditbriefe bei Ihnen gefunden. Daraus geht klar hervor, daß Sie dieses Land für immer verlassen wollten. Unter diesen Umständen bleibt uns nichts anderes übrig, als Ihre Verhaftung aufrechtzuerhalten. Sie werden bei den nächsten Sitzungen vor Gericht gestellt werden.«

      »Aber ich kann Bürgschaft stellen, ich bestehe darauf«, rief der Doktor wütend.

      »Bürgschaft wird in diesem Falle nicht angenommen«, erwiderte der Richter scharf.

      Am Nachmittag wurde Dr. Twenden in einem Taxi ins Baxeter-Gefängnis überführt.

      Die Gerichtssitzungen fanden in der nächsten Woche statt, und der Doktor mußte nun zu seiner größten Erbitterung in demselben Gefängnis bleiben, aus dem er vor einigen Wochen entlassen worden war.

      Am zweiten Tag nach seiner Einlieferung erhielt der Direktor des Baxeter-Gefängnisses ein Telegramm.

      ›Sechs Schwerverbrecher Ihrem Gefängnis überwiesen. Ankunft auf Station Baxeter abends 10.15. Senden Sie Gefangenenwagen.‹

      Das Telegramm war mit »IMPRISON« unterzeichnet, dem Codewort für die Generaldirektion sämtlicher Gefängnisse in England.

      Zufällig war gerade zur selben Zeit eine Meuterei in einem Londoner Gefängnis vorgekommen, und der Direktor war infolgedessen über die Nachricht nicht erstaunt, auch nicht über die späte Stunde der Ankunft des Gefangenentransportes.

      Der Zug fuhr in die Station ein. Die Gefangenenwärter warteten auf dem Bahnsteig, gingen dann langsam an den Wagen entlang und schauten nach einem Abteil mit herabgelassenen Vorhängen aus. Aber es waren keine Gefangenen mitgekommen. Der nächste Zug von London kam erst morgens um vier Uhr.

      »Sie werden den Zug nicht mehr erreicht haben, es gibt gar keine andere Erklärung«, sagte einer der Männer. »Dann müssen wir eben wieder abfahren, Jerry«, wandte er sich an den Chauffeur und warf die Tür der »Grünen Minna« zu, die offengestanden hatte. Der Gefangenenwagen fuhr knatternd aus dem Bahnhof.

      Langsam ging es die Anhöhe empor und dann durch das große, schwarze Tor; gleich darauf bog der Wagen in ein anderes Portal zur Linken ein, das im rechten Winkel zu dem ersten lag, und hielt vor den offenen Türen eines kleinen, abseits liegenden Ziegelgebäudes, das als Garage diente.

      Der Chauffeur brummte, als er ausstieg.

      »Ich lasse den Wagen im Hof stehen – muß ihn morgen sowieso waschen.«

      Er nickte den Wärtern eine gute Nacht zu und ging nach Hause.

      Soweit war alles gut verlaufen. Ein starker Südwestwind kam von Dartmoor her, rüttelte an den Fenstern des Gefängnisses und heulte in dem großen, verlassenen, dunklen Hof.

      Plötzlich hörte man ein leises Knacken, und die Tür der »Grünen Minna« öffnete sich langsam. Leon hatte entdeckt, daß sein Paßschlüssel die Wagentür nicht öffnete. Er war in den Gefangenenwagen hineingeschlüpft:, während die Wärter den Zug absuchten, und es war jetzt schwer geworden, wieder herauszukommen. Er wußte ja nur zu genau, daß überhaupt keine Gefangenen von London kamen, aber er brauchte diesen Wagen zur Ausführung seines Planes. Mit seiner Hilfe war er nun glücklich in das Gefängnis gekommen, wie er es beabsichtigt hatte. Er horchte, aber er konnte nur das Wüten des Sturmes hören. Vorsichtig ging er zu einem kleinen, glasgedeckten Gebäude und benutzte seinen Paßschlüssel. Die Tür öffnete sich, und er stand in einem engen Zimmer, wo die Gefangenen fotografiert wurden. Die nächste Tür führte ihn in einen Abstellraum, und dahinter lagen die Flügel des Gefängnisses. Er hatte bei seinem kurzen Besuch nach allem gefragt und wußte, wo sich die Zellen der Untersuchungsgefangenen befanden.

      Bald mußte eine Patrouille kommen. Leon schaute auf seine Uhr und wartete, bis der Mann an der Tür vorübergegangen war. Der Wächter würde nun in einen Flügel gehen, von dem aus er keinen Überblick auf diesen Teil des Gefängnisses hatte. Leon öffnete die Tür und trat in die verlassene Halle. Die Fußtritte der Patrouille klangen immer entfernter. Leise stieg er eine eiserne Treppe in die Höhe und kam zu dem oberen Stockwerk, wo er langsam die Zellen entlangging. Plötzlich sah er den Namen, den er suchte.

      Geräuschlos schloß er die Tür auf. Dr. Twenden sah ihn blinzelnd an, als er sich auf seiner hölzernen Bettstelle aufrichtete.

      »Stehen Sie auf«, flüsterte Gonsalez, »und drehen Sie sich um.«

      Schlaftrunken gehorchte der Doktor.

      Leon band ihm die Hände auf dem Rücken zusammen und faßte ihn am Arm. Er hielt an, als er die Zellentür wieder verschloß. Dann führte er ihn die Treppe hinunter und durch den Abstellraum in das kleine, glasgedeckte Zimmer. Bevor der Doktor wußte, was geschah, hatte Leon ihm ein großes, seidenes Taschentuch über den Mund gebunden.

      »Können Sie mich hören?«

      Der Mann nickte.

      »Können Sie das fühlen?«

      Leon stieß ihm eine Nadel in den linken Arm.

      Twenden versuchte, seinen Arm fortzuziehen.

      »Sie werden den Wert einer solchen Spritze noch schätzen lernen – mehr als irgendein anderer«, sagte ihm Gonsalez ins Ohr. »Sie haben eine unschuldige Frau ermordet und sind trotzdem der Bestrafung durch das Gesetz entgangen. Vor einigen Tagen sprachen Sie so verächtlich von den Vier Gerechten – ich bin einer von ihnen!«

      Dr. Twenden starrte in der Dunkelheit auf das Gesicht des anderen, das er nicht sehen konnte.

      »Das Gesetz hat Sie nicht erreichen können, aber wir haben Sie gefaßt. Können Sie mich verstehen?«

      Der Arzt nickte ängstlich und taumelte.

      Leon ließ den Arm des Mannes los und fühlte, wie er auf den Boden glitt. Er ließ Twenden dort liegen, ging in den anstoßenden Schuppen, der als Hinrichtungsraum diente, und brachte die beiden herunterhängenden Trittbretter in Stellung, bis sie zusammenstießen. Dann nahm er das Ende eines langen Taues, das er sich um den Leib gewickelt hatte, und warf es über den Galgenarm.

      Nachdem er alle Vorbereitungen getroffen hatte, kehrte er zu dem bewußtlosen Mann zurück ...

      Als die Gefängniswärter am nächsten Morgen den Raum betraten, sahen sie ein straff angezogenes Tau. Die beiden Trittbretter waren nach unten gefallen, und an dem Strick war ein Mann aufgehängt. Er war kalt und steif. Der Gesetzesstrafe war er entgangen, aber die Strafe der Gerechtigkeit hatte ihn ereilt.

      Graue Nebelschleier lagen über London, als in den Abendstunden ein Mann mit unsicheren Schritten in den Portman Square einbog und nach einigem Suchen vor Nr. 551 anhielt. Während er zu den dunklen Fenstern hinaufstarrte, verzog sich sein Mund zu einem widerwärtigen Grinsen.

      Diesem alten Teufel wollte er schon beibringen, daß man nicht ungestraft Leute ausplündern konnte! Warum sollte Malpas ein üppiges Leben führen, während sich sein bester Agent elend und kümmerlich durchschlagen mußte? So oft Laker betrunken war, legte er sich diese Frage vor.

      Seine äußere Erscheinung, die in dieser vornehmen Gegend höchst sonderbar wirkte, verriet allerdings deutlich genug, daß es ihm schlecht ging. Er trug einen schäbigen Anzug, und sein Gesicht, das von der Backe bis zum Kinn von einer häßlichen Narbe entstellt wurde, sah verkommen und unrasiert aus.

      Nachdem er noch einen kurzen Blick auf seine abgenützten Schuhe geworfen hatte, stieg er die Stufen zur Haustür hinauf und klopfte.

      »Wer ist da?« fragte sofort eine Stimme von innen.

      »Laker!« erwiderte er laut.

      Geräuschlos öffnete


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