Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar Wallace

Читать онлайн книгу.

Edgar Wallace - Gesammelte Werke - Edgar Wallace


Скачать книгу
atemlos hervor. »Du sagtest doch, daß du niemals heiraten würdest!«

      Er zog sie neben sich auf das Sofa und versuchte sie zu beruhigen.

      »Die Sache liegt so. Als Torrington damals Diamanten von den Eingeborenen kaufte, besaß er die Farm Graspan. Nun gibt es tausend Graspans in Südafrika, aber dieses Graspan lag an einem der Flüsse, nach denen Fourteen Streams genannt wurde. Er war kaum zur Zwangsarbeit weggeschickt worden, als auf seiner Farm Diamanten entdeckt wurden. Das habe ich erst kürzlich erfahren, weil die Mine unter dem Namen seiner Rechtsanwälte Hallam E Coold betrieben wurde und noch heute Hallam E Coold Mine heißt. Dan Torrington ist also Millionär, und zwar ein sterbender Millionär. Seit ich wieder in England bin, bekomme ich von einem der Gefängniswärter regelmäßig Berichte über den Mann, und das letztemal schrieb er, es ginge mit ihm zu Ende.«

      »Und wenn du Audrey heiratest –«

      Er lachte.

      »Ganz recht! Dann bin ich ein steinreicher Mann!«

      »Aber das bist du doch jetzt schon!«

      Sein Gesicht verfinsterte sich.

      »Ja, ich bin reich«, sagte er hart, »aber ich will noch reicher werden.«

      Es klopfte.

      »Wer ist da?« rief er gereizt.

      »Ein Herr wünscht Sie zu sprechen. Er sagt, es wäre dringend.«

      »Ich kann jetzt niemand empfangen. Wer ist es denn?«

      »Captain Shannon.«

      Dora sah ihn entsetzt an.

      »Er darf mich nicht sehen«, flüsterte sie. »Wo soll ich hin?«

      »Durch den Wintergarten und über den Hof!« erwiderte Marshalt ärgerlich.

      Er hatte sie kaum in die dunkle Bibliothek geschoben und die Tür hinter ihr geschlossen, als Dick Shannon eintrat. Er war im Frack, und sein Gesichtsausdruck verriet seine Stimmung.

      »Ich habe mit Ihnen zu sprechen, Marshalt.«

      »Mr. Marshalt«, brummte der Millionär, der nichts Gutes ahnte.

      »Sie hatten heute abend eine Dame eingeladen.«

      »Vielleicht hat sie sich selbst eingeladen?«

      »Sie luden sie ein und beleidigten sie in der gröblichsten Weise.«

      »Mein Lieber, Sie sind doch ein Weltmann. Glauben Sie etwa, daß dieses Mädchen zu mir kam, ohne – nun, sagen wir einmal, ohne gewisse Möglichkeiten ins Auge zu fassen?«

      Eine Sekunde lang starrte Dick Shannon den Mann drohend an, dann schlug er ihm mit dem Handrücken ins Gesicht, so daß er mit einem Aufschrei zurücktaumelte.

      »Das ist eine Lüge, die Sie nicht wiederholen werden«, sagte Dick leise.

      »Und Sie nennen sich einen Polizeibeamten – gehört ein solches Benehmen vielleicht auch zu Ihren Amtspflichten?« schrie ihn Marshalt an.

      »Ich kenne meine Pflichten sehr gut«, erwiderte Shannon streng. »An der Außenwand von Old Bailey ist eingegraben: ›Schützt die Kinder der Armen und straft die Übeltäter.‹«

      Dick Shannon war etwas ruhiger geworden, als er das Marshaltsche Haus verließ. Rein mechanisch warf er einen Blick auf das Nebengebäude, das er beobachtet hatte, als Audrey herausstürzte und ihm geradenwegs in die Arme lief. Die Fassade war vorhin dunkel gewesen, aber jetzt erblickte er Licht in einem der Fenster. Als er aber näherkam, erlosch es wieder. Er klopfte an die Tür und glaubte, eine leise Bewegung in der Halle zu vernehmen. Würde der geheimnisvolle Mann doch endlich herauskommen?

      Fast zehn Minuten wartete er, bevor er seinen Wachtposten verließ. Er wollte Audrey noch sprechen und sich ihre Geschichte genauer erzählen lassen, die sie ihm vorhin nur abgerissen und zusammenhanglos mitgeteilt hatte. Vergeblich hielt er nach einem vorüberfahrenden Auto Ausschau und wandte sich schließlich um. Aber plötzlich blieb er wieder stehen. Bildete er es sich nur ein, daß eine dunkle Gestalt aus dem rätselhaften Haus herausschlüpfte und mit sonderbarem, etwas hinkendem Gang davoneilte? Sofort nahm er die Verfolgung auf und stellte den Mann an der Ecke der Orchard Street.

      »Verzeihen Sie!«

      Der Fremde kehrte ihm das schmale, strenge Gesicht zu. Durch die Gläser einer goldenen Brille musterten zwei forschende Augen den Detektiv, und unwillkürlich glitt seine Rechte in die Manteltasche.

      »Sie sind ein Bekannter von Mr. Malpas, nicht wahr? Ich sah Sie aus seinem Haus herauskommen.«

      »Nein, ich kenne Mr. Malpas nicht. Ich bin ganz fremd in London und wollte nach Oxford Circus.«

      »Aber ich habe Sie vor zwei Minuten noch nicht auf dem Platz gesehen.«

      Der Mann lächelte.

      »Das liegt daran, daß ich von dieser Seite kam und umkehrte, als ich merkte, daß ich fehlgegangen war.«

      »Wohnen Sie hier in London?«

      »Ja, im Ritz-Carlton. Ich bin Präsident einer Südafrikanischen Minengesellschaft. Verzeihung, es ist wohl eigentlich töricht von mir, einem zufälligen Bekannten diese Auskunft zu geben, aber Sie sind doch Captain Richard Shannon?«

      Dick war starr vor Staunen.

      »Ich entsinne mich nicht, Mr. –«

      »Mein Name kann Sie unmöglich interessieren. Mein Paß lautet auf den Namen Brown. Näheres können Sie im Kolonialamt erfahren. Nein, wir haben uns noch nicht getroffen, aber ich kenne Sie.«

      Dick mußte trotz seiner Enttäuschung lachen.

      »Gestatten Sie mir, Ihnen den Weg zu zeigen? Eine Autodroschke dürfte zu empfehlen sein. Ich will nach der Regent Street und werde mitfahren.«

      Der Fremde neigte höflich den Kopf. Gleich darauf kam ein leeres Taxi vorüber und wurde angehalten.

      Dick hatte ihn im Schein der Straßenlaterne genau betrachtet. Etwas Abschreckendes hatte der Mann nicht an sich. Sein dichtes Haar war weiß, die Schultern leicht gebeugt, und obwohl seine mageren, knorrigen Hände abgearbeitet waren, machte er doch entschieden den Eindruck eines Gentlemans.

      An der Ecke des Circus hielt das Auto, und der alte Herr stieg mühsam aus.

      »Ein armer Krüppel!« bemerkte er gutmütig. »Haben Sie vielen Dank; Captain Shannon.«

      Dick beobachtete ihn noch, während der Mann auf die Untergrundbahn zuhinkte.

      »Ich möchte nur wissen –!« murmelte er vor sich hin.

      *

      Audrey erwartete ihn in der Halle des Palace-Hotels, und alle Spuren von Kummer waren aus ihrem Gesicht verschwunden.

      Sie wollte nicht auf ihr trauriges Erlebnis zurückkommen, aber er bestand darauf.

      »Der Kerl ist ein Schuft!« sagte er dann. »Audrey, vom Portman Square müssen Sie sich fernhalten.«

      »Audrey?« wiederholte sie lächelnd. »Nun, ich mache mir nichts daraus, obgleich ich fühle, daß ich etwas erwachsener sein müßte. In Holloway nannten sie mich ›83‹ oder einfach ›Bedford‹. Ich glaube, daß mir ›Audrey‹ besser gefällt – bei Leuten, die nicht dazu neigen, meine Hand festzuhalten und sentimental zu werden.«

      Er gab sich große Mühe, ärgerlich zu werden, aber es gelang ihm nicht.

      »Ich werde Sie Audrey nennen, und wenn ich sentimental werden sollte, so sagen Sie nur ›Geschäft‹, dann bin ich gleich wieder brav. Und Portman Square geben Sie auf.«

      »Sie meinen Mr. Malpas?« fragte sie schnell.

      Er nickte.

      »Ich weiß nicht, wieviel Sie von seinem Geld ausgegeben haben –«

      »Sechzig Pfund.«

      »Die


Скачать книгу