Der Skorpion. Louis Weinert-Wilton

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Der Skorpion - Louis Weinert-Wilton


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nicht wiederholen wird, bleibt offen.«

      »Natürlich ist das ein fauler Witz«, wiederholte der Konsul auf die stumme Frage, die in Ellis’ verstörtem Gesicht geschrieben stand, aber es klang nicht sehr sicher. »Diese Leute haben wir samt ihren Sternen ein- für allemal ausgeblasen. Du warst ja selbst mit dabei. Es kann nur sein, daß Elvira zu irgendwelchem hinterhältigen Zweck plötzlich auf diesen blöden Einfall gekommen ist.«

      Ellis ließ ein gereiztes Lachen hören und fuhr sich grimmig durch die schütteren rötlichen Haarsträhnen. »Mein Lieber, ich fürchte, es steckt etwas weit Schlimmeres dahinter«, würgte er aus rauhem Halse hervor. »Das Weib ist ja ein tückischer Satan, aber woher sollte es von Wesley und dem andern wissen, he? Wir haben ja bei uns nie ein Wort darüber gesprochen.« Er befeuchtete mit der Zunge die trockenen Lippen, und seine kleinen geröteten Augen flackerten noch unruhiger als sonst. »Es könnte doch sein, daß wir damals nicht das ganze Nest erwischt haben, und daß der eigentliche Mann …«

      Der Konsul war plötzlich so übler Laune, daß seine Selbstbeherrschung platzte und alle weltmännische Glasur von ihm absprang. »Scher dich endlich schon zum Teufel!« herrschte er seinen besorgten Freund an. »Ich bin mit dieser verdammten Bande bereits einmal fertig geworden, und wenn sie daran nicht genug hat, wird sie eben nochmals draufzahlen. Bis zu dem gewissen Tage haben wir ja fast noch eine ganze Woche Zeit …«

      Er machte eine verabschiedende Handbewegung, und Ellis war zwar noch bedrückter und sorgenvoller, als er gekommen war, aber als er im Abgehen seinen Genossen mit einem mürrischen Blick streifte, wurde er etwas ruhiger und zuversichtlicher. So, wie Iwan Karenowitsch augenblicklich dreinsah, hatte er gar nichts von einem Gent, Herzensbezwinger und mit flimmernden Orden bespickten Konsul an sich, sondern glich einem verteufelt entschlossenen Mann, dem es auf ein Menschenleben und ähnliche Kleinigkeiten nicht ankam. Mit solch einem Verbündeten konnte man vielleicht schließlich doch aus allen Schwierigkeiten heil herauskommen.

      4

      Kaum fünf Minuten, nachdem Ellis den Gang zu Karenowitsch angetreten hatte, war in seinem Hause wieder einmal Inspektor Sharp vom Scotland Yard mit seinem kleinen Stabe, dem Assistenten Guy Denby und dem Sergeanten Huggins, erschienen.

      Der Pförtner, der die Besucher bereits kannte, öffnete mit großer Beflissenheit die Gartentür.

      »Mr. Ellis ist eben ausgegangen«, meldete er, »und Mrs. Ellis noch nicht aus der Stadt zurück. Sie dürfte aber nun jeden Augenblick kommen, da Mrs. Reed bei uns lunchen wird.«

      »Mrs. Reed auch? – Gut, das erspart mir einen Weg. Wir werden also warten«, sagte der Inspektor mit seiner hohlen Stimme, die aus dem langen, dürren Halse wie aus einem Sprachrohr kam.

      Der Türhüter schickte sich an, die Führung zum Hause zu übernehmen, aber Sharp lehnte ab.

      »Danke. Wir bleiben im Garten«, erklärte er kurz, indem er auch schon den nächsten Kiesweg einschlug, und der mit Disziplin getränkte Sergeant Huggins folgte ihm in der durch den Respekt gebotenen Entfernung. Und wieder in einem entsprechend bemessenen Abstande schlenderte Assistent Guy Denby hinter den beiden drein. Keineswegs jedoch aus Respekt, für den er nicht viel übrig hatte, sondern weil er dies sich selbst schuldig zu sein glaubte. Mit dem dürren, quittengelben, unrasierten Inspektor Sharp ließ sich kein Staat machen, und Sergeant Huggins war zwar ein ganz stattlicher Mann, konnte aber bestenfalls für einen wohlsituierten Gemüsehändler gehalten werden, der zu irgendeinem feierlichen Anlasse unterwegs war.

      Assistent Guy Denby hingegen hätte sich in der tadellosen Aufmachung, in der er augenblicklich in Kensington umherschlenderte, um gemeine Diebe zu fangen, auch auf dem Mittagskorso im Hydepark ohne weiteres sehen lassen können. Nur die Blume im Knopfloch des gediegenen Überrocks fehlte noch, aber daran war einzig und allein der verschrobene Geschmack seines unmittelbaren Vorgesetzten schuld. Inspektor Sharp hatte nämlich zwar weder an spiegelnden Harmonikahosen, noch an ausgefransten Hemdkragen und fettigen Krawatten, ja nicht einmal an einer penetrant riechenden Stummelpfeife etwas auszusetzen, Blumen im Knopfloch jedoch waren ihm schrecklich zuwider. Und er hatte in seiner galligen Art so lange herumgenörgelt, bis Assistent Denby als der Klügere und um des lieben Friedens willen auf diese letzte Krönung seiner Eleganz verzichtete. Aber nur darauf, obwohl es an ihm noch einige andere Dinge gab, über die der giftige Inspektor unausgesetzt seine bissigen Bemerkungen zu machen hatte, Sharp liebte ihn offenbar nicht, das beruhte jedoch auf Gegenseitigkeit. Und es berührte Denby auch nicht sonderlich, denn seit einiger Zeit lag ihm etwas viel Wichtigeres am Herzen als das Wohlwollen seines Vorgesetzten. Die Sache hatte gerade hier in diesem Hause ihren Anfang genommen, in das ihn vielleicht seine gute Fee geführt hatte. Vorläufig trug die Bekanntschaft mit dem netten Mr. William Ellis allerdings bloß hie und da ein paar Pfund ein, weil der gute Mann von Poker und Bakkarat nicht die blasseste Ahnung hatte, aber vielleicht schaute dabei eines Tages ein wirklich großer Schlag heraus. Und solch eine Chance brauchte Guy Denby, denn die kleinlichen Sorgen, mit denen er sich derzeit herumbalgen mußte, waren seiner angeborenen Großzügigkeit höchst zuwider. Nur hatte es mit dem besondern Glücksfall, von dem er träumte, noch einen kleinen Haken: Erstens hatte er für gewisse Vermutungen bisher bloß einen geradezu lächerlichen Anhaltspunkt, und zweitens bestand die Gefahr, daß sein mißgünstiger Vorgesetzter ihm einen Strich durch die Rechnung machte. Denn man mochte über diesen Neid- und Geizhammel mit den Harmonikahosen denken wie man wollte – daß er eine verdammt feine Spürnase hatte, konnte man ihm nicht absprechen. Und wenn man sich dann vielleicht schon zu tief in die Geschichte eingelassen hatte, konnte dabei nicht nur die große Chance, sondern auch die Aussicht auf den Polizeipräsidenten zum Teufel gehen.

      Deshalb hatte Guy Denby auch dem heutigen Besuche in Kensington mit einiger Besorgnis entgegengesehen. Inspektor Sharp, der sich nie in seine Karten blicken ließ, schwieg sich über den Zweck völlig aus und hatte seinen Begleitern bloß angedeutet, daß er sie vielleicht brauchen werde. Nun ging es ja wahrscheinlich auch diesmal wieder nur um den gestohlenen Schmuck, aber man konnte nicht wissen, was alles dabei zufällig noch herauskam. Besonders da der Inspektor ganz so aussah, als ob er etwas im Schilde führte. Da galt es, Augen und Ohren gehörig offen zu halten …

      Denby verwandte auch keinen Blick von seinem Vorgesetzten, aber Sharp beschränkte sich darauf, in der Nähe des Portals auf und ab zu marschieren. Er hatte die Hände auf dem Rücken gefaltet, und seine dürren Finger führten ein unruhiges Spiel auf. Und ebenso unruhig flatterten seine Gedanken. Er hatte nämlich wirklich etwas Besonderes vor, und davon, wie dieser gewagte Versuch ausfiel, hing für ihn unendlich viel ab. Er hatte schlimme Wochen hinter sich, denn er kam in den verwünschten Juwelendiebstählen nicht um einen Schritt weiter, und der neue Chefkonstabler ließ ihn diesen Mißerfolg doppelt bitter empfinden. Seit Tagen hatte Oberst Merewether überhaupt kein Wort mehr für ihn, sondern bloß ein beißendes Lächeln, das den verzweifelten Sharp immer wieder an die schreckliche Bemerkung von der »vorzeitigen Pensionierung« erinnerte, mit der ihn der Chefkonstabler kürzlich verabschiedet hatte.

      Diese Bemerkung ließ den Inspektor das Äußerste aufbieten, und er wälzte das Problem, an dem seine Laufbahn scheitern sollte, Tag und Nacht im Kopfe herum. Und nachdem er alle Umstände der einzelnen Fälle hunderte Male geprüft und miteinander verglichen hatte, war ihm in der verflossenen Nacht plötzlich ein Gedanke gekommen, der möglicherweise die Lösung, hinter der er her war, bergen konnte. Aber dann mußte er die Geschichte anders anpacken und sich zunächst noch einmal mit Mrs. Ellis und Mrs. Reed ein bißchen unterhalten. Deshalb war er heute hier, und darum verriet er eine solche Erregung. Ein neuer Fehlschlag oder gar ein Skandal konnte ihm endgültig den Hals brechen. Aber vielleicht kam ihm endlich auch das zu Hilfe, worauf er seit ungefähr einem Monat von Tag zu Tag wartete. Wenn der seltsame Brief mit den eingestochenen Sternen für ihn wirklich Bedeutung haben sollte, mußte er nun diesem Zeichen ehestens irgendwo begegnen …

      Es fehlten noch einige Minuten auf halb drei, als der Wagen mit Mrs. Ellis und Mrs. Reed eintraf, und die beiden Damen waren kaum im Hause verschwunden, als Inspektor Sharp feierlich seinen fadenscheinigen Überzieher zuknöpfte, soweit er sich zuknöpfen ließ, und ebenso feierlich die verblaßte und bereits etwas brüchige Melone zurechtrückte.

      »Ich gehe allein. Warten Sie beim


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