Der Skorpion. Louis Weinert-Wilton

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Der Skorpion - Louis Weinert-Wilton


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Pause, um ihre Anteilnahme am Gespräch durch ein leises Kichern zu bekunden. Es war zwar kein Grund dazu vorhanden, aber die nicht mehr ganz junge, jedoch immer noch sehr hübsch aussehende hochblonde Witwe war stets und ausschließlich auf gute Laune eingestellt. In ihrem nichtssagenden Puppengesicht stand ewig ein Lächeln, mit dem sie ihre etwas schwerfällige Unterhaltungsgabe wettzumachen suchte. Sie sprach nämlich sehr wenig, und wenn sie sich doch einmal zu einer Bemerkung aufschwang, fiel diese meist erschreckend einfältig aus.

      Inspektor Sharp wurde durch die fatale Bemerkung der temperamentvollen Mrs. Ellis und den ganz unverständlichen Heiterkeitsausbruch der schweigsamen Mrs. Reed noch nervöser, als er ohnehin schon war. So eine Beschwerde beim Polizeipräsidenten fehlte ihm gerade noch, wo der Chefkonstabler ohnehin bereits so gut auf ihn zu sprechen war. Da konnte er sehr leicht kaltgestellt werden, bevor er noch dazu kam, sich für seinen plötzlich aufgetauchten Verdacht, der ihn vielleicht mit einem Schlage ans Ziel brachte, die Beweise zu beschaffen. Dieser Gedanke und noch ein anderer Umstand ließen ihn die gebotene Vorsicht vergessen, und er wurde auffallend barsch.

      »Diese Bemühung können Sie sich ersparen, Mrs.

      Ellis. Die Geschichte wird nun nicht mehr lange dauern. Ich möchte nur noch einige Fragen an Sie und Mrs. Reed richten.«

      Mrs. Reed bekundete durch ein verstärktes liebenswürdiges Lächeln, daß ihr dies ein besonderes Vergnügen bereiten werde, die Frau des Hauses aber zeigte sich darüber gar nicht erfreut.

      »Noch einige Fragen …« echote sie, und schon der Tonfall allein verriet, was sie davon hielt. »Als ob man uns mit diesen unnützen Fragereien nicht schon genug gequält hätte. Statt daß Sie uns arme Opfer fortwährend aufregen, sollten sie lieber energischer hinter den Dieben her sein.«

      Die heitere Witwe kicherte wiederum zustimmend, und Inspektor Sharp würgte, als ob ihm etwas in den langen, dünnen Hals geraten wäre.

      »Haben Sie keine Sorge, das geht alles in einem«, brachte er endlich hervor, und in seinem gelben Geiergesicht malte sich so etwas wie ein giftiges Lächeln. »Sie sind erst ungefähr anderthalb Jahre in London, nicht wahr, Mrs. Ellis?«

      Die Frau des Hauses fand, daß diese unvermittelte Frage absolut nicht zur Sache gehörte, und zeigte wenig Lust, mit diesem Besucher gewöhnliche Konversation zu machen.

      »Ja«, sagte sie kurz, aber der Inspektor verstand den Tonfall offenbar nicht, denn er setzte neugierig fort:

      »Und woher kamen Sie?«

      »Wir waren fast ununterbrochen auf Reisen«, erklärte Mrs. Elvira noch um einen Grad befremdeter und abweisender. »Ellis hat geschäftliche Beziehungen in aller Welt, die das notwendig machten. Dazwischen verbrachte ich immer einige Monate bei den Verwandten meines verstorbenen ersten Gatten, der Familie de Aguiar y Conde Montenor« – die dunkle Stimme ließ den vornehmen Namen noch ehrfurchtgebietender klingen – »und im Hause meines Vaters, des Gouverneurs.«

      Sharp war von dieser Auskunft sichtlich beeindruckt, denn er brachte sekundenlang kein Wort hervor, sondern knöpfte unschlüssig seinen engen Überrock auf und dann wieder zu.

      »Eines englischen Gouverneurs?« fragte er endlich.

      »Eines portugiesischen«, erwiderte Mrs. Ellis mit Nachdruck und einer Handbewegung, die für England nicht gerade schmeichelhaft war. »In unseren afrikanischen Gebieten. – Don Pedro de Aguiar, mein erster Gatte, war sein Adjutant. Er ist vor einigen Jahren in einem Kampfe mit wilden Eingeborenen gefallen …«

      Nachdem er in seiner Wißbegierde einen so schmerzlichen Punkt berührt hatte, war der Inspektor so rücksichtsvoll, die erschütterte Frau sich etwas fassen zu lassen.

      »Und Sie, Mrs. Reed?« fragte er. »Wo lebten Sie früher, und wann kamen Sie nach London?«

      »Oh, wir lebten sehr weit«, sprudelte die Witwe vergnügt los. »In Queensland – das ist ein Teil von Australien. Mein Mann hatte dort eine große Farm mit einer Menge von Schafen wegen der Wolle. Er ist jedoch auch schon tot, aber er wurde nicht von wilden Eingeborenen erschossen, sondern es war Typhus. Und dann bin ich im Herbst sofort nach England gereist, weil mir Bekannte sagten, daß es hier viel schöner wäre. Es gefällt mir auch wirklich viel besser hier.«

      Mrs. Reed bekräftigte dies noch durch ein wohliges Auflachen, Sharp aber saß mit schiefem Kopfe und sah drein wie ein nachdenklicher Kakadu. Mit den dürftigen Auskünften, die er erhalten hatte, war wenig anzufangen, und er überlegte, ob er nicht noch etwas neugieriger werden sollte. Aber er kam davon ab. Er hatte das Gefühl, daß diese angriffslustige Mrs. Ellis und auch diese Mrs. Reed mit ihrer albernen Heiterkeit ganz besonders vorsichtig behandelt sein wollten – wenn er mit seinem Verdachte auf der richtigen Spur war. Weder die eine, noch die andere schien ihm geheuer, denn sowohl der portugiesische Gouverneur und sein Adjutant, wie der australische Viehzüchter waren etwas dunkle Persönlichkeiten. Da war es vielleicht gut, zunächst bei den betreffenden Konsulaten einige Erkundigungen einzuziehen.

      Diese Sache eilte dem Inspektor so, daß er der Unterredung, bei der es bisher noch nicht um eine einzige Frage von Wichtigkeit gegangen war, ein recht sonderbares Ende bereitete.

      »Danke«, sagte er, indem er unvermittelt aufschnellte und an seinem zu engen Überrock zerrte. »Ich glaube, daß wir über den Verbleib Ihres Schmuckes nun bald im klaren sein werden.«

      6

      »So ein einfältiger, zerfahrener Patron soll eine gerissene Diebsbande fangen«, äußerte Mrs. Ellis empört, als sie eine Viertelstunde später mit Mrs. Reed das Lunch einnahm. »Mein Vater, der Gouverneur, hätte einen so unfähigen Beamten einfach davongejagt. – Was wollte der Mann eigentlich von uns? Es ist doch alles klar. Man hat uns irgendein Betäubungsmittel in unsere Gläser gemischt, und als wir eingeschlafen waren, hat man uns einfach den Schmuck abgenommen. Nur begreife ich nicht, daß der gemeine Trick so oft gelingen konnte. Wenn ich nicht leider zuerst, sondern wie Sie als letzte an die Reihe gekommen wäre, hätte ich schon gehörig aufgepaßt.«

      In dem Blick, den die Frau des Hauses auf ihre Tischgenossin richtete, lag wirklich ehrliche Verständnislosigkeit, was Mrs. Reed wiederum besonders heiter stimmte.

      »Oh, ich habe damals an diese schrecklichen Geschichten gar nicht gedacht«, erklärte sie. »Ich habe mich zu gut unterhalten. Karenowitsch hat mir so viele drollige Dinge gesagt, daß ich fortwährend lachen mußte …«

      Sie mußte dies selbst jetzt bei der Erinnerung noch, Mrs. Elvira aber bohrte die Gabel so nachdrücklich in ihren Teller, daß es einen kreischenden Laut gab.

      »Sie sollten sich von Karenowitsch nicht so viel erzählen lassen«, sagte sie. »Oder es wenigstens nicht ernst nehmen. Der Konsul hat wegen seiner Weibergeschichten einen sehr schlechten Ruf, und man kann sich mit ihm nur bloßstellen. Bei mir hat er es auch versucht, aber kein Glück gehabt. Und wenn ich nicht dazu gezwungen wäre, weil Ellis mit ihm in geschäftlichen Verbindungen steht, würde ich überhaupt nicht mit ihm verkehren.«

      »Oh, bei mir wird er auch kein Glück haben«, versicherte Mrs. Reed mit strahlenden Augen. »Obwohl er ein russischer Fürst sein soll …«

      »Hat er Ihnen das gesagt???«

      Die rasche Frage klang geradezu drohend, aber die Witwe schüttelte heiter und unbefangen den Kopf.

      »Nein. Das habe ich von anderen Leuten gehört.

      Wahrscheinlich vermutet man es, weil er so russisch und so vornehm aussieht und so viele Orden hat. Übrigens hat mich Mutter auch schon vor ihm gewarnt. Sie sagt, jetzt, wo ich so viel Geld habe, könnte ich ganz was anderes finden …«

      Mrs. Ellis nickte sehr lebhaft. »Das meine ich auch. – Wie geht es denn Ihrer Mutter?«

      »Danke, wie immer. Nur daß sie an den Rollstuhl gefesselt ist, macht sie schrecklich verdrießlich. Und mich auch, denn ich bin fortwährend angehängt. James und Mabel sind ja sehr brav und verläßlich, aber den ganzen Tag kann ich die Kranke doch nicht den Dienstboten überlassen. Und es gibt immer große Szenen, wenn ich mich einmal einen Abend freimachen will. Sie


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