Sündige Herrschaft. Andreas Nass

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Sündige Herrschaft - Andreas Nass


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Im wilden Durcheinander grunzte die Orkhorde ihre Zustimmung und feierte Wogar als ihren Champion, auch wenn er nur zu einem Teil ihr Blut in sich trug. Um sie zu beeindrucken, drückte mich Wogar eng an sich. Ich schwang meine Arme um seinen muskulösen Hals und wir versanken in einen wilden Zungenkuss. Die Meute johlte und grölte, schlug sich gegenseitig auf die Schultern. Betont langsam strich ich mit meinen schlanken Fingern über seine rot geschuppte Haut und erkundete die von dunklem Fell bedeckten Flächen. Drachenblut hatte mich schon immer fasziniert.

      Es brauchte einige Zeit, bis der Berittene die Anwesenden wieder beruhigt hatte. Eine Handvoll Priester und Magier hatte den Weg zu uns gefunden. Auch Yana war darunter und gesellte sich zu mir. Ehrfürchtig wich eine ganze Gruppe Krieger zurück und verschaffte uns so mehr Platz.

      »Als Dank für die den Göttern entgegengebrachte Hilfe«, verkündete der Behelmte laut, »werdet Ihr eine Markgrafschaft erhalten. Verwaltet sie so weise, wie Ihr gekämpft habt, und dient so Eurem Gott. Ein Hoch auf die Bezwinger der Stadt!«

      Nicht alle jubelten uns zu, dennoch hallte der Beifall von den zerstörten Mauern der Stadt wider.

      »Und da keiner einem Markgrafen abverlangen darf, zu Fuß in seine Ländereien zu reisen«, setzte der Sprecher fort, »wird ein Tor zu den äußeren Ebenen geöffnet werden, um jedem einen Vertrauten als Reittier zu rufen.«

      Von den Priestern tönte ein heller, durchdringender Gesang über die Köpfe der Versammelten hinweg. Sie hatten schon mit der Anrufung begonnen, bewegten ihre Finger in einem komplizierten Muster, zeichneten klerikale Symbole in die Luft und nährten sie mit unreiner Macht. Ein Bogen bildete sich aus den Zeichen, vollendete sich zu einem Kreis, den Torvac aufrecht hätte durchschreiten können. Die Anstrengung zeigte sich in den konzentrierten Gesichtern der Beschwörer. Sie würden den Durchgang nur für einen kurzen Moment aufrecht halten können. Gemäß einer alten Prophezeiung soll ich eines Tages ein dauerhaftes Tor erschaffen – hoffentlich ohne bei mir die gleichen Falten in meinem hübschen Antlitz zu hinterlassen.

      Die Luft innerhalb der Umrandung begann zu flimmern und spiegelte die Umgebung wider. Langsam verschwamm das Bildnis und ein neues zeigte eine unwirtliche Gegend aus Feuer und Rauch.

      Gebannt starrte ich auf das Land jenseits dieser Welt. Anhand einer schattenhaften Bewegung bemerkte ich ein sich näherndes Wesen.

      Durch das Tor zu den äußeren Ebenen stolzierte ein stattlicher Hengst, dessen Fell so rabenschwarz wie mein Haar leuchtete und von seinen Hufen, Schweif und Mähne das Feuer des Abyss loderte. Aus seinen Nüstern quoll dunkler Rauch. Seine glühenden Augen fing ich mit meiner violetten Iris ein. Gemächlichen Schrittes näherten wir einander, ich mit schwingenden Hüften, er mit einem faszinierenden Spiel seiner Schultermuskeln. Kein Wort wechselten wir, und doch verstanden wir uns. Meine telepathischen Fähigkeiten vermittelten ihm meine Begeisterung. Auch ich schien ihm zu gefallen, denn ein Egniaygir war bekannt für seine Unabhängigkeit, und doch knabberte er verspielt an meiner dargereichten Hand.

      ›Du wirst bald schmackhaftes Pferdefleisch bekommen‹, vermittelten ihm meine Gedanken. Ich drückte meine Wange gegen seinen Kopf, streichelte entlang seines Halses. Zwischen uns festigte sich ein Band blinden Vertrauens. ›Ich bin Krisheena, in den Ländern der Sterblichen als Crish bekannt‹, beinahe zärtlich flossen meine geistigen Worte. Unser Körperkontakt begünstigte die Verständigung.

      ›Man nennt mich Gargarhaykal‹, rollten seine kraftvollen Gedanken heran und richteten meine Nackenhaare auf, ›selbst in den Standhaften erzeuge ich Grauen.‹

      ›In mir erzeugst du ein Beben, das viele Neider finden wird.‹ Schwärmerisch weiteten sich meine Pupillen und ich fuhr mit der Zunge über meine Lippen.

      ›Dann reite mich! Zeige allen unsere geballte Macht.‹ Stolz und selbstbewusst bot er sich an, mich zu tragen.

      Sein Rücken befand sich trotz meiner knapp sechs Fuß Länge in Höhe meines Scheitels. Um ihn zu besteigen, musste ich mit allen Fingern in sein Fell greifen und mit Schwung ein Bein über seinen Widerrist bringen. Die Flammen unserer gemeinsamen Heimat loderten wild aus seinem Nacken, züngelten nach mir, streichelten meine Haut. Die Berührung erzeugte ein freudiges Prickeln. Als Kind des Abyss widerstand ich der gewohnten Hitze.

      Auch meine Partnerin Yana akzeptierte Gargarhaykal auf seinem Rücken. Ihre braunen Augen waren ehrfürchtig geweitet. Ich zog sie zu mir hoch. Sie schmiegte sich an meinen Rücken, wo sie vor dem feurigen Schweif geschützt war. Ihr schwarzes Haar ging in das meine über, ihre gebräunte Haut legte sich um meine Hüfte. Schon ein sanfter Schenkeldruck von mir genügte, um Gargarhaykal zu reiten. ›Wir werden uns gut ergänzen‹, dachte ich bei mir und spornte ihn an, im Galopp über das Schlachtfeld zu pflügen. Hinter mir jauchzte meine Liebste.

      Bis wir wieder zum Beschwörungskreis zurück ritten, hatte auch Moi’ra sich mit ihrem Vertrauten, einem Blutross, angefreundet. Ein Umstand, den man von Wogar und seiner Düsterdogge nicht unbedingt behaupten konnte, auch wenn sich die beiden zum Verrecken sehr ähnlich sahen. Wenigstens konnten sie sich darauf einigen, wer wen ritt.

      Nun war es Zeit, Abschied zu nehmen. Mein selbst ernannter Beschützer Torvac wollte die Minotaurenkrieger weiter in die Schlacht führen. Es fiel uns beiden schwer, die richtigen Worte zu finden, und so beließen wir es bei einem »baldigen Wiedersehen«, besiegelt durch einen langen Kuss, für den mich der Hüne hoch hob. Seufzend schnupperte ich noch einmal in seinem Licht verschluckendem Fell und roch das dämonische Blut in ihm. Dann setzte er mich ab.

      Über unser neues Lehen brauchte nicht viel gesagt werden. Es befand sich am äußersten Rand der Verlorenen Reiche und grenzte direkt nördlich an den Narbenlanden an. Der Eindruck entstand, man wollte uns loswerden und ich wäre meinen eigenen Weg gegangen, hätte meine Mutter mir nicht aufgetragen, in das Gebiet zu reisen. Alles geschah, wie sie es vorhergesehen hatte. Bis jetzt zumindest.

      Im Kampf um Ustan war der Markgraf von Ostmark verstorben. So machten wir uns mit den Beglaubigungsschreiben auf zur Ostmark, die östlichste Mark von Ostbar. In der Provinzhauptstadt Arginotor legten wir einen Zwischenstopp ein und wir wurden offiziell zu Markgrafen ernannt. Jeder erhielt zwanzigtausend Goldmünzen und einige Informationen über Ortschaften und Bevölkerung in dem Gebiet. Es wurde eine lange, trostlose Reise quer durch die östlichen Reiche. Als wir die Ostmark erreichten, hatte der Spätherbst das Laub golden gefärbt.

      Wir näherten uns vom Norden auf einer breiten Handelsstraße, die gut zwei Fuhrwerken gleichzeitig Platz bot. Ein dichter Wald ragte vor uns auf und zog sich zu beiden Seiten eines Trampelpfades hin, der lediglich für ein Fuhrwerk ausgelegt war. Die Bäume waren alt und stämmig. Sie führten weit hinauf in den Himmel und ich hatte das Gefühl, sie beobachteten uns. Die sehr dicken Stämme versperrten den tieferen Blick in den Wald.

      Nach einer Stunde lockerem Ritt gelangten wir an einen breiten Fluss, an dem eine Fähre wartete. Wir sahen zwar das Fährhaus auf der anderen Flussseite, doch vom Fährmann war weit und breit nichts zu sehen.

      Moi’ra zuckte nur mit ihren Schultern und betrat auf ihrem Blutross die Fähre. Wogar löste die Leinen und begab sich an die Drehkurbel, um entlang des Führseiles zum andern Ufer zu gelangen. Ich beobachtete die Wasseroberfläche und ritt sorglos auf sie zu, gab einen kurzen Gedanken an meinen Egniaygir und er löste sich vom Boden. Neben dem Floss fliegend überquerten wir das Wasser. Yana hinter mir hatte ihre Arme um meine Taille gelegt und hielt sich fest. Aus ihrem Rucksack hörte ich das beängstigte Maunzen ihres Katers.

      Das Blutross wurde unruhig und rannte hektisch auf dem Floss umher. Unter seinem rostroten Fell zuckten die Muskeln. Es war offensichtlich nervös. Das Klappern der Hufe erinnerte mich an ein schnell pumpendes Herz. Aus stumpfen Augen beobachtete die Düsterdogge die Bewegungen. Dunkelgrauer Sabber troff von ihren Lefzen herab.

      Dann trat Moi’ra an die Stelle, wo ihr Blutross am Holz leckte. Sie fand Blut und rief uns ihre Beobachtung zu. Wogar untersuchte den Fleck und schätzte das Blut auf zehn Tage alt.

      Ich nahm das andere Ufer als erste ein und wartete, bis das Floss anlegte. Dann näherten wir uns der Fährmannshütte. Sie war verlassen und wir fanden angeschimmeltes Essen, das Wogar ebenfalls auf ein Alter von zehn Tagen schätzte.


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